zum Hauptinhalt
Bundeskanzler Olaf Scholz

© picture alliance/dpa

Scholz genehmigt Leopard-Lieferung: Wie es zum Kurswechsel der Bundesregierung kam

Die größte Kritikerin des Kanzlers zeigt sich optimistisch, die USA ändern ebenfalls ihren Kurs, und am Ende ist Deutschland bereit zur Lieferung von Leopard-Panzern. Chronik eines denkwürdigen Tages.

Es ist noch früher Morgen im politischen Berlin, als sich die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses für ihre Verhältnisse sehr versöhnlich äußert. Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hat immer wieder mehr Waffenlieferungen für die Ukraine angemahnt.

Als das Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Ramstein in der vergangenen Woche ohne eine Zusage von Leopard-Panzern zu Ende ging, griff sie die Bundesregierung scharf an. Die Kommunikation sei katastrophal, die ganze Situation beschämend, Deutschland habe versagt. Man muss ziemlich lange suchen, um in der Opposition jemanden zu finden, der deutlichere Worte wählte.

Doch am Dienstagmorgen verzichtet Strack-Zimmermann auf scharfe Kritik. Dabei hat sich die Bundesregierung noch immer nicht öffentlich festgelegt, ob sie Leopard-Panzer an die Ukraine liefert oder wenigstens grünes Licht dafür geben will, dass andere europäische Länder Kampfpanzer aus deutscher Produktion an die ukrainische Armee weitergeben. Die FDP-Politikerin sagt jedoch, sie sei optimistisch, mit dem neuen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) „gemeinsam etwas auf den Weg zu bringen“.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Pistorius hat als eine seiner ersten Amtshandlungen eine Bestandsaufnahme der bei Bundeswehr und Industrie verfügbaren Leopard-Panzer in Auftrag gegeben. Am Dienstag berichtet er, die Prüfung stehe kurz vor dem Abschluss. Sie sei Voraussetzung dafür, dass Deutschland dann „sehr schnell handlungsfähig“ sei.

Deutschland liefert mindestens eine Kompanie Leopard-Panzer

Er bereite sich auf die Entscheidung vor, betont Pistorius – und nennt dabei ausdrücklich nicht nur die mögliche Zustimmung für Lieferungen anderer Staaten, sondern auch die „Verlegung von Leopard-Panzern“. Und: Die Entscheidung werde „in Kürze“ kommen.

Zu diesem Zeitpunkt ist sie im Kanzleramt offenbar schon gefallen, wie am Abend bekannt wird. Mindestens eine Kompanie Leopard-2-Panzer werde Deutschland an die Ukraine liefern, berichtet der „Spiegel“. Weitere Verbündete, unter anderem aus Skandinavien, würden ebenfalls Kampfpanzer liefern.

Als der Kurswechsel der Bundesregierung noch nicht öffentlich geworden ist, geht in Berlin Post aus Warschau ein. Die Absender hatten dabei wohl die Absicht, den Druck auf Deutschland zu erhöhen. Polen will 14 Panzer aus deutscher Produktion an die Ukraine weitergeben, damit sich das Land besser gegen den russischen Angriff verteidigen kann. Die Bundesregierung muss nun entscheiden, ob sie dies erlaubt.

„Die Deutschen haben unseren Antrag auf Überstellung von Leopard-2-Panzern an die Ukraine bereits erhalten“, schreibt der polnische Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak auf Twitter.

Zugleich macht er klar, dass seine Regierung viel mehr von Deutschland erwartet: „Ich appelliere auch an die deutsche Seite, sich der Koalition von Ländern anzuschließen, die die Ukraine mit Leopard-2-Panzern unterstützen. Das ist unsere gemeinsame Sache, denn es geht um die Sicherheit ganz Europas.“ Ähnlich haben sich Estland, Lettland und Litauen geäußert.

Der Antrag aus Warschau macht nun das Handeln der Bundesregierung erforderlich. Die nötigen Abstimmungen würden „mit der gebotenen Dringlichkeit“ geführt, heißt es in Berlin. Während bei Entscheidungen über Rüstungsexporte das Wirtschaftsministerium federführend ist, liegt die Zuständigkeit in diesem Fall beim Verteidigungsressort.

Damit wäre also eigentlich Pistorius am Zug. Doch das Thema Panzer-Lieferungen gilt als derart heikel, dass es in der Bundesregierung Chefsache ist. „Diese Entscheidung fällt im Kanzleramt“, sagt Pistorius.

Zu diesem Zeitpunkt gilt es schon als unwahrscheinlich, dass Scholz den polnischen Wunsch abschlagen würde. Doch wenn Polen Leopard-Panzer in die Ukraine liefert, kann Deutschland dann beiseite stehen und selbst kein solches Angebot machen? „Keine Alleingänge“, das ist in dieser Frage das Motto des Kanzlers – gemeinsam mit anderen Staaten will er vorgehen, am besten eng abgestimmt mit den USA.

Aus Washington kommt am späten Nachmittag eine Nachricht, die Bewegung in die Sache zu bringen verspricht. Laut einem Bericht des „Wall Street Journal“ erwägt die US-Regierung jetzt doch eine Lieferung von Kampfpanzern vom Typ Abrams. Die entsprechende Ankündigung könne noch in dieser Woche erfolgen, hieß es.

In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass Scholz nur dann einer deutschen Lieferung von Leopard-Panzern oder auch nur einer Weitergabe durch andere europäische Staaten an die Ukraine zustimmen wolle, falls sich die USA mit jenen Abrams-Panzern ebenfalls beteiligen.

Pistorius hatte allerdings später betont, ein solches Junktim gebe es nicht. Wenige Tage später sieht es aus, als bekäme die Ukraine trotz oder wegen des zögernden Kanzlers nun sowohl Leopard- als auch Abrams-Kampfpanzer.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false