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Olaf Scholz (links) zu Gast bei Emmanuel Macron. Beziehungsstatus: kompliziert.

© Foto: AFP/Ludovic Marin

Update

Scholz zu Besuch bei Macron: Krisentreffen statt Rendezvous in Paris

Kanzler Scholz trifft den französischen Präsidenten Macron bei einem Arbeitsessen im Elysée-Palast. Die Liste ihrer Differenzen ist lang.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat am Mittwoch ziemlich deutlich gemacht, dass es derzeit um die deutsch-französischen Beziehungen schlecht steht. Nach seinem Arbeitsessen mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) in seinem Amtssitz im Elysée-Palast verzichtete der Staatschef darauf, eine gemeinsame Pressekonferenz mit dem Gast aus Deutschland abzuhalten.

Normalerweise bieten solche Pressekonferenzen die Möglichkeit, in der Öffentlichkeit Gemeinsamkeiten zur Schau zu stellen - selbst wenn inhaltlich nicht viel Neues zu sagen ist. Macron scheint hingegen derzeit vor allem seine Verärgerung über die aktuelle EU-Politik der Bundesregierung nach außen zu tragen.

Scholz hingegen berichtete nach dem Treffen per Twitter, dass es sich um „ein sehr gutes und wichtiges Gespräch“  zu den steigenden Preisen, gemeinsamen Rüstungsprojekten und zur europäischen Energieversorgung gehandelt habe. Immerhin drei Stunden dauerte das Treffen insgesamt - Zeit genug, um auf sämtliche Streitthemen intensiv einzugehen.

Zuvor war es in Paris vor allem schlecht angekommen, dass die Bundesregierung Frankreich als wichtigsten EU-Partner vor der Entscheidung über die 200-Milliarden-Gaspreisbremse überging. Deutschland verzerre den Wettbewerb in der EU, lautete der Vorwurf. Damit möglichst alle in Europa die Verärgerung in Paris mitbekommen, hatte Macron dem Kanzler beim Brüsseler EU-Gipfel in der vergangenen Woche mehr oder weniger die kalte Schulter gezeigt. Für Scholz hatte der Präsident nur einen geschäftsmäßigen Händedruck übrig, andere Gipfelteilnehmer begrüßte Macron dafür umso herzlicher.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (links) begrüßt am Mittwoch Bundeskanzler Olaf Scholz bei seiner Ankunft zu einem Mittagessen im Elysee-Palast.

© Foto: dpa/Christophe Ena

Abseits dieses Polit-Theaters trafen sich Macron und Scholz dann beim Gipfel eine halbe Stunde lang ohne Berater, um die Konfliktthemen zwischen beiden Ländern zu besprechen.

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz machte derweil den Kanzler dafür verantwortlich, dass es gegenwärtig zwischen Berlin und Paris nicht rund läuft. Der Oppositionschef sagte der „Augsburger Allgemeinen“, er verfolge mit Besorgnis, „wie Deutschland sich in Europa zunehmend isoliert und dass es in großen internationalen Fragen wie dem künftigen Umgang mit China oder den Folgen des Ukraine-Krieges zwischen Deutschland und Frankreich keine abgestimmte Linie mehr gibt“.

Die in der nächsten Woche geplante China-Reise des Kanzlers wird in Paris als ein weiteres Symptom für einen deutschen Alleingang auf europäischer Ebene gewertet. Im Elysée-Palast hätte man es lieber gesehen, wenn Scholz und Macron zu einem späteren Zeitpunkt gemeinsam den Standpunkt der EU vertreten hätten, demzufolge China einerseits zwar durchaus ein wichtiger Handelspartner, gleichzeitig aber auch ein „systemischer Rivale“ ist.

Im Bereich der europäischen Verteidigungspolitik gibt es wiederum zwei Punkte, bei denen man sich in Paris ein Einlenken der Bundesregierung erhofft. So löste in Frankreich die Tatsache Verwunderung aus, dass ein Teil des 100-Milliarden-Sondervermögens für die Bundeswehr für die Beschaffung von F-35-Kampfjets des US-Herstellers Lockheed-Martin genutzt werden soll.

Einigkeit sieht anders aus. Macron (links) und Scholz beim EU-Gipfel in der vergangenen Woche.

© Foto: dpa/Geert Vanden Wijngaert

Stattdessen erwartet die Regierung in Paris von deutscher Seite mehr Unterstützung für das gemeinsame Luftkampfsystem FCAS, das langfristig den „Eurofighter“ in Deutschland und den Kampfjet „Rafale“ in Frankreich ersetzen soll.

Zum anderen stößt Scholz’ Vorstoß, angesichts der russischen Aggression in der Ukraine mit 14 anderen Staaten ein europäisches Luftverteidigungssystem aufzubauen, in Paris auf Skepsis. Das Projekt des Kanzlers findet unter anderem in Großbritannien, den baltischen Staaten, Belgien, Finnland und Norwegen Interesse.

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Staaten zeigen Interessen an Scholz’ Initiative für ein europäisches Luftverteidigungssystem

In der französischen Regierung wird hingegen betont, dass der Aufbau eines solchen Luftverteidigungssystems zu einem neuen Wettrüsten in Europa führen könnte. Gleichzeitig sind aber auch wirtschaftliche Interessen im Spiel: Paris setzt auf das Luftverteidigungssystem „Mamba“, das im Rahmen der französisch-italienischen Zusammenarbeit entwickelt wurde. Scholz hat hingegen vor allem das israelische Arrow-3-System für die Beschaffung ins Auge gefasst.

Angesichts der vielen Themen, bei denen Berlin und Paris derzeit über Kreuz liegen, war schon vor dem Treffen von Scholz und Macron absehbar, dass es keinen Durchbruch geben würde. Für die nächste Episode im derzeitigen deutsch-französischen Drama gibt es auch schon einen Termin: Im Januar soll das Treffen der Kabinette aus beiden Ländern nachgeholt werden, das ursprünglich für den Mittwoch geplant war.

Vor allem in Berlin hatte man offenbar wenig Lust auf den deutsch-französischen Ministerrat in dieser Woche gehabt. Mehrere Minister, darunter Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), hatten Berichten zufolge auf die gegenwärtigen Schulferien verwiesen. Doch im Januar wird der nächste Ministerrat noch einmal historisch aufgeladen – denn dann steht der 60. Jahrestag des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages aus der Nachkriegszeit an. 

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