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Temporeduzierung im Baustellenbereich ist üblich. Die Grünen wollen überall limitieren. Die CDU sollte mitmachen.

© DPA

Habecks Tempo-130-Ankündigung: Die Adresse für wütende Schnellfahrer

Für die Union bietet Habecks Tempovorstoß die Chance, in einer schwarzgrünen Koalition ohne Gesichtsverlust eine überholte Position zu räumen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jens Tartler

Es ist wohlfeil, das Thema Tempolimit als Füllmasse für das Sommerloch abzutun, wie es CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak in einer prompten Reaktion auf Robert Habecks Ansage versucht. Ziemiak hält die Festlegung des Grünen-Parteichefs, im Falle einer Regierungsbeteiligung nach 2021 als erstes ein Tempolimit für Autobahnen einzuführen, für kleinkariertes Quengelzeug – und das auch noch in Zeiten, in denen die Christdemokraten „mit ganzer Kraft“ gegen Corona kämpfen und Arbeitsplätze sichern.

Doch das Tempolimit hat für die Grünen mehrere Vorteile: Es wäre schnell zu realisieren, ein Gesetz ist schnell verabschiedet und der technische Aufwand wäre sehr überschaubar. Es wäre ein Signal, dass sich nach mehr als zehn Jahren CSU-Verkehrsministern in einer neuen schwarz-grünen Regierung etwas ändern kann – vielleicht sogar mit einem Ressortchef Anton Hofreiter oder erstmals einer Frau in diesem Amt.

Käme es nach der Bundestagswahl 2021 zu so einer Koalition, was im Moment die wahrscheinlichste Option ist, könnte sich die Union thematisch hinter dem neuen Partner verstecken, die Wut der Schnellfahrer auf die Grünen lenken und mal wieder eine überholte Position räumen – wie schon bei Atomausstieg, Mindestlohn oder Ehe für alle.

„Es gibt kein Recht auf Rasen“, sagt Habeck. Wer Freiheit mit Tempo 250 auf der Autobahn gleichsetzt, gefährdet sich und andere. Vor allem aber: Mit einem Tempolimit könnten ungefähr zwei Millionen Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden. Verkehrsminister Andreas Scheuer versucht, das kleinzureden – ohne eigene Klimaschutzerfolge vorweisen zu können.

Die meisten Autofahrerinnen wären erleichtert, wenn sie nicht mehr zwischen einer mit Lkw besetzten rechten Spur und Schnellfahrern links eingezwängt würden. Wissenschaftler und Polizeigewerkschaft stoßen Scheuer immer wieder mit der Nase drauf: Ein Tempolimit 130 würde zahlreiche Menschenleben pro Jahr retten. Aber das interessiert Scheuer nicht. Stattdessen lenkt er bei dem Thema immer ab.

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Wie schon bei der missratenen Novelle der Straßenverkehrsordnung, bei der er einen Formfehler ausnutzen möchte, wirkt der Minister wie der Schutzpatron der Temposünder statt wie der Anwalt der Verkehrssicherheit. Kleiner Lichtblick: Einer schwarz-grünen Regierung wird er nicht angehören.

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