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Ein russischer Soldat am Damm des Nord-Krim-Kanals in der Region Cherson, Ukraine.

© Foto: IMAGO/SNA/RIA Novosti

Update

„Die Russen stehen vor einer Mariupol-Situation“: Rückzug aus Cherson oder Kampf bis zum letzten Mann?

Seit Tagen gibt es Berichte über einen russischen Rückzug vom westlichen Dnjepr-Ufer. Tatsächlich aber scheint sich Moskau auf einen blutigen Stellungskrieg vorzubereiten.

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Aus der Region Cherson kommen derzeit sehr unterschiedliche Nachrichten: Einerseits deuten die Russen seit einigen Tagen an, dass ein Rückzug aus der Region und der Provinzhauptstadt Cherson bevorstehen könnte. Andererseits gibt es Berichte darüber, dass Russland seine Einheiten entlang des westlichen Dnjepr-Ufers sogar noch verstärkt.

Was auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint, könnte aber Teil einer konsistenten Strategie sein. Am Wochenende berichtete der Chef des urkainischen Geheimdienstes, Kyrylo Budanov, darüber, dass die Russen weitere Einheiten nach Cherson verlegen, um sich auf einen Stellungskrieg vorzubereiten.

Tatsächlich scheint die Verstärkung der Truppen noch über einen großen Damm auf Höhe der Stadt Nowa Kachowka möglich. Neben Fähren und einer Behelfsbrücke ist der Damm die einzige Verbindung, die den Russen zwischen den Ufern des Flusses noch bleibt.

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Sprengung des Damms eher unwahrscheinlich

Die Berichte über einen Abzug russischer Soldaten aus Cherson nannte Budanov eine „manipulative Informationskampagne“ der Russen.

Allerdings sieht auch er ein Szenario, in dem Moskau zu einem schnellen Abzug gezwungen sein könnte. Nämlich dann, wenn die Ukrainer bis auf die Höhe des Dammes in Nowa Kachowka vorrücken. Dann würden sie die Nachschublinie der Russen wohl so stark stören, dass deren Position im Westen Chersons nicht zu halten sein könnte.

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Laut den jüngsten gesicherten Erkenntnissen sind die ukrainischen Truppen aber noch rund 40 Kilometer vom Westzugang des Dammes entfernt. Meldungen, wonach die Russen planten, den Damm zu sprengen, hält Budanov nicht für glaubwürdig. Mit der folgenden großflächigen Überschwemmung würden die Russen ihre Position im Ostteil Chersons entscheidend schwächen.

Budanov fasst die Situation für die Stadt Cherson so zusammen: „Die Russen bereiten sich darauf vor, notfalls sehr schnell von dort wegzukommen. Aber sie bereiten sich nicht darauf vor, jetzt zu gehen, sondern auf die Verteidigung.“

Falls Putin seine Truppen aus der Stadt Cherson nicht zurückzieht, sieht Budanov eine „Mariupol-Situation“ für die Stadt. Die Ukrainer müssten sich dann in verlustreichen Straßenkämpfen vorarbeiten. Ob sich die Militärführung in Kiew darauf einlässt, ist unklar.

Russen wollen wehrfähige Männer einziehen

Währenddessen versuchen die russischen Generäle, nicht nur Verstärkung von Außen nach Cherson zu schicken, sondern auch vor Ort wehrfähige Männer in die Armee zu zwingen. Ziel ist eine Art paramilitärische Heimatwehr.

„Alle Männer, die aus eigenem Willen in Cherson geblieben sind, haben die Möglichkeit, in die Reihen der Territorialverteidigung einzutreten“, teilte die Verwaltung am Montag auf ihrem Telegram-Kanal mit. Gleichzeitig forderten die Besatzer Zivilisten in der Region erneut zur Flucht auf.

Am Sonnabend berichtete wiederum das US-Institut für Kriegsstudien ISW unter Berufung auf ukrainische Quellen, dass die russische Militärführung ihre Offiziere aus der Stadt Cherson abgezogen hat. 

Grund dafür sei der erwartete Vormarsch der ukrainischen Streitkräfte. Demnach wären die Offiziere an das Ostufer des Flusses Dnjepr verlegt worden, während unerfahrene und neu-rekrutierte Soldaten offenbar am Westufer zurückgelassen wurden, um die ukrainische Gegenoffensive auszubremsen. 

Der Einsatz solcher Soldaten, so die Experten weiter, könnte zu einer raschen Flucht der Russen führen, sollte die Ukraine ihre Gegenoffensive auf die Stadt weiter forcieren.

Der Damm in Nowa Kachowka.

© IMAGO/SNA

In den vergangenen Wochen hat sich die Lage der russischen Truppen im Gebiet Cherson deutlich verschlechtert – speziell auf dem nordwestlichen Ufer des Dnjepr.

Bei einer Offensive Anfang Oktober konnten die Ukrainer deutliche Geländegewinne erzielen. Seitdem haben die Russen laut eigenen Angaben rund 25.000 Zivilisten aus der Region „evakuiert“. Dabei könnte es sich teilweise auch um Zwangsumsiedlungen handeln.

Der Kommandeur der russischen Truppen in der Ukraine, Sergej Surowikin, hatte vergangene Woche „schwierige Entscheidungen“ für Cherson angekündigt, was Beobachter als Indiz für einen geplanten Abzug deuten. Zugleich mehren sich Informationen, dass die russischen Truppen Wertgegenstände und wichtige Dokumente aus der Stadt Cherson abtransportiert haben.

So sollen die russischen Banken die Stadt verlassen haben, auch die IT-Infrastruktur der russischen Verwaltung wurde aus der Stadt gebracht. Die Geschäfte akzeptieren statt Rubel wieder die ukrainische Währung Hrywnja. Außerdem sollen die Krankenhäuser in der Stadt evaktiert worden sein. Die russische Regierung, die erst im September das Gebiet Cherson offiziell annektiert hat, äußert sich nicht zu eventuellen Rückzugsplänen. (Tsp, dpa)

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