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Die Liberalen halten Getreideanbau auf Öko-Flächen wegen des Ukraine-Kriegs weiter für notwendig.

© dpa/Jens Büttner

Ernährungssicherheit versus Artenschutz?: Ampel streitet über Brachflächen

Die FDP will erreichen, dass Brachflächen auch im kommenden Jahr zum Getreideanbau genutzt werden. Grüne und SPD sehen das anders.

Getreideanbau statt Öko-Brachflächen – so lässt sich ein Schwenk zusammenfassen, den die Landwirtschaft in Deutschland in diesem Jahr erlebt. Wegen des Krieges in der Ukraine und des Getreidemangels erlaubte Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) für 2023 ausnahmsweise den Getreideanbau auf Flächen, die laut einer EU-Regelung eigentlich stillgelegt werden sollten. Doch jetzt fordern die Liberalen, dass aus der Ausnahme eine Dauerregelung wird. Grüne und SPD sehen das völlig anders.

„Solange Putins Angriffskrieg andauert, fallen Getreidelieferungen aus der Ukraine weg“, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr dem Tagesspiegel. Angesichts der angespannten Lage der Agrarmärkte müsse man daher Europas Produktionskapazität schnell und nachhaltig steigern, um die Preise am Markt zu drücken. „Es war daher die richtige Entscheidung, die geplanten Flächenstilllegungen bereits für 2023 auszusetzen – das sollten wir nun auch unbefristet umsetzen“, sagte Dürr weiter.

Nach den Worten des FDP-Fraktionschefs seien pauschale Stilllegungen von Agrarflächen ohnehin der falsche Weg, um Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft zu erreichen. Das gehe mit Innovationen wie etwa neuen Züchtungsmethoden oder digitalen Technologien auf dem Acker zielgenauer. „Außerdem schulden wir es den Landwirten, in dieser Frage schnell für Planungssicherheit zu sorgen“, sagte er.

Özdemir will Beschränkung auf 2023 beibehalten

Özdemir hat erklärt, dass die Erlaubnis zum Getreideanbau auf den Stilllegungsflächen, die der Artenvielfalt dienen sollen, „ausdrücklich nur für 2023“ gelten solle. Eine Sprecherin des Landwirtschaftsministeriums fügte hinzu, dass zukünftig wieder die „Standards für die Erhaltung von Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand“ gelten. Als Honorierung für diese Leistung erhalten Landwirtinnen und Landwirte jährlich dann ihre Agrarförderung.

Doch damit wollen sich die Liberalen nicht abfinden. Der landwirtschaftliche Sprecher der FDP-Fraktion, Gero Hocker, sieht die steigenden Preise für Lebensmittel als Argument, um der Sicherung der Nahrungsmittelversorgung Vorrang zu geben – und die Öko-Regeln, mit denen beispielsweise die Vielfalt von Feldvogelarten bewahrt werden soll, hintanzustellen. „Deshalb ist die EU gut beraten, den Mitgliedsstaaten eine Ausnahme von der verpflichtenden Flächenstilllegung frühzeitig auch für das kommende Jahr zu ermöglichen. Die Landwirte brauchen jetzt Planungssicherheit“, sagte er.

FDP-Politiker wie Dürr und Hocker können sich dabei auf den Deutschen Bauernverband berufen. Dessen Generalsekretär Bernhard Krüsken ist der Ansicht, dass die EU „gerade in Zeiten zunehmender geopolitischer Unsicherheiten“ einen „verstärkten Fokus auf eine leistungsfähige heimische Landwirtschaft“ legen müsse. Krüsken forderte, dass der Erhalt der Biodiversität intelligenter gelöst werden müsse „als über pauschale Vorgaben zur stumpfen Flächenstilllegung“.

In Zeiten zunehmender geopolitischer Unsicherheiten muss die EU einen verstärkten Fokus auf eine leistungsfähige heimische Landwirtschaft legen.

Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes

Allerdings will die EU an ihrer Vorgabe festhalten, dass ab 2024 endgültig vier Prozent der landwirtschaftlichen Flächen stillgelegt werden müssen. In der Brüsseler Kommission wird betont, dass die Ausnahmeregelung, die der zuständige Agrarkommissar Janusz Wojciechowski im vergangenen Sommer erteilt hatte, nur für das laufende Jahr gelte.

Seinerzeit hatte es die Brüsseler Behörde ermöglicht, dass 1,5 Millionen Hektar EU-weit bewirtschaftet werden können – statt brachzuliegen. Anfangs hatte sich Özdemir dagegen gesträubt, davon Gebrauch zu machen, aber am Ende unter dem Druck der Bundesländer doch eingelenkt.

Zukunft der Flächenstilllegung noch offen

Was aus dem FDP-Vorstoß für das kommende Jahr wird, ist derzeit noch offen. Eine mögliche weitere Eskalation im Ukraine-Krieg könnte auch wieder zu einer Verknappung des weltweiten Getreideangebots führen. Dennoch schlagen SPD und Grüne schon einmal ein paar Pflöcke ein – die Öko-Flächen müssen aus ihrer Sicht nun endgültig im Jahr 2024 kommen.

So sagte der Grünen-Abgeordnete Karl Bär, dass die Liberalen mithilfe des Verkehrsministers Volker Wissing (FDP) lieber dafür sorgen sollten, die „Verschwendung“ von „guter Ackerfläche“ für die Erzeugung von Biokraftstoffen zu beenden. Und die landwirtschaftliche Sprecherin der SPD-Fraktion, Susanne Mittag, stellte fest: „Die dauerhafte Bewirtschaftung der Brachflächen ist ökonomisch nicht relevant und ökologisch nicht vertretbar.“ Zudem seien die Stilllegungsflächen „oft nicht hochwertig, sodass die Brotweizenerzeugung auch hier allenfalls mit einem hohen Aufwand an Dünger und Pflanzenschutz stattfinden kann“.

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