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Bilder, die es schon 2017 in Berlin gab. Pro-Palästinensische Demonstranten verbrennen eine selbstgemalte Israel-Fahne.

© dpa/Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus/Uncredited

FDP-Fraktionsvize Meyer: „Antisemiten dürfen kein Recht auf Einbürgerung haben“

FDP-Politiker Christoph Meyer will weitere Signale für eine schärfere Migrationspolitik, etwa beim Thema Sachleistungen und Seenotrettung. Auch importierten Antisemitismus will er stärker bekämpfen.

Herr Meyer, am Mittwoch hat das Kabinett ein Gesetzespaket der Innenministerin für schnellere und leichtere Abschiebungen verabschiedet. Reicht das der FDP?
Es ist ein erstes richtiges Signal, aber eben nur der Anfang. Wichtig ist, dass wir die sogenannten Pull-Faktoren nach Deutschland minimieren – also die Anziehungspunkte gerade nach Deutschland, etwa durch eine Umstellung auf Sachleistungen. Abschiebungen müssen konsequent durch die verantwortlichen Bundesländer durchgeführt werden. Deshalb haben wir betont, dass wir gerne die Union an unserer Seite hätten, um einen fraktionsübergreifenden Konsens hinzubekommen.

Kanzler Olaf Scholz hat dazu auch einen Brief an CDU-Chef Friedrich Merz geschrieben. Schafft es die Ampel in der Migrationspolitik nicht allein?
Gerade bei diesem sensiblen Thema ist die Akzeptanz höher, wenn Entscheidungen mit breiter Mehrheit getragen werden. Das war auch in den 90er Jahren beim Asylkompromiss so.

Damals ging es um Grundgesetzänderungen. Die werden jetzt in Teilen der Union auch gefordert, wo etwa das individuelle Asylrecht infrage gestellt wird. Wollen Sie das auch?
Dafür sehe ich momentan keine Notwendigkeit. Wir müssen die tatsächlichen Probleme lösen, deswegen ist es wichtig, dass wir die europäischen Außengrenzen besser schützen und dort auch eine erste Asylprüfung durchführen.

Wir müssen aber auch bei uns die Verfahren beschleunigen. In Berlin dauert die Prüfung des Asylantrags und rechtliche Prüfung im Schnitt 31 Monate. Hier müssen die zuständigen Länder deutlich schneller werden. Als Bund werden wir hier alle Hürden abbauen.

Mit der Forderung nach Sachleistungen wollen Sie den Kommunen aber Bürokratie aufzwingen.
Wir müssen ein Signal senden, dass es sich nicht lohnt, nach Deutschland zu kommen. Faktisch kommen die meisten Menschen über Schlepperbanden, diese werden dann später offenbar auch aus den Transferleistungen der Asylbewerber bezahlt. Das kann nicht sein.

Zudem bin ich davon überzeugt, dass wir Bezahlkarten deutlich einfacher hinbekommen als vor 20 Jahren. Die Kommunen müssen keine Kleiderkammern bereitstellen, das geht mit den digitalen Möglichkeiten klüger.

Die Grünen sehen Sachleistungen kritisch und haben auch verfassungsrechtliche Zweifel am Abschiebepaket. Hat die Ampel die Kraft, bei der Migration weitreichende Reformen durchzusetzen?
Im Kabinett haben die Grünen dem Gesetz der Innenministerin zugestimmt. Ich hoffe, dass alle gelernt haben, dass es für die Regierungskoalition ein Problem ist, wenn sich eine Fraktion gegen die eigenen Minister stellt. Es ist jetzt die Aufgabe von Robert Habeck und Annalena Baerbock sicherzustellen, dass dieser Kompromiss von den Grünen getragen wird.

Die Ampel hatte sich auch auf Migrations- und Rückführungsabkommen geeinigt. Wieso kommt Ihr Parteifreund Joachim Stamp da nicht voran?
Er ist in Verhandlungen mit mehreren Ländern, aber das geht nicht von heute auf morgen. Er konnte erst Anfang des Jahres seine Arbeit aufnehmen, da wurde Zeit vertrödelt, und er wird noch ein paar Monate für die ersten Abkommen benötigen.

Wir können am Ende nicht einen Transfer von Afrika nach Europa mit staatlichen Mitteln finanzieren.

Christoph Meyer stellt sich gegen die staatlich finanzierte Seenotrettung.

CDU-Fraktionsvize Jens Spahn fordert, die Außengrenzen mit „physischer Gewalt“ zu sichern. Gehen Sie da mit?
Wir sollten uns nicht in einen Überbietungswettbewerb der markigsten Begriffe begeben. Aber natürlich müssen wir unser Außengrenzen mit Zäunen und der Grenzschutzagentur Frontex absichern und das robust.

Physische Gewalt, keine Gelder mehr für die zivile Seenotrettung, Debatten über die Zahnarztbesuche von Migranten. Entmenschlicht die Debatte gerade?
Diesen Eindruck teile ich nicht. Wir müssen kritisch hinterfragen, welche Auswirkungen die Politik der letzten Jahrzehnte hat. Wenn wir zum Beispiel unsere Verfahren beschleunigen, haben wir die Debatte über die Zahnarztbesuche nach 18 Monaten Aufenthalt doch gar nicht. Institutionalisierte zivile Seenotrettung ist sicherlich keine staatliche Aufgabe.

Im Mittelmeer sterben jedes Jahr tausende Menschen.
Wir können am Ende nicht einen Transfer von Afrika nach Europa mit staatlichen Mitteln finanzieren. Das ist das Gegenteil einer robusten Grenze, die wir brauchen.

Viele Menschen fliehen über das Mittelmeer.

© RESQSHIP - Linda Rochlitzer

Herr Meyer, in diesen Tagen erleben wir auf deutschen Straßen, dass Menschen, die selbst oder ihre Vorfahren nach Deutschland gekommen sind, Antisemitismus verbreiten. Müssen wir noch genauer prüfen, wer nach Deutschland kommt?
Ganz klar ja. Antisemiten dürfen kein Recht auf Einbürgerung haben. Wenn wir sagen, dass das Existenzrecht und die Sicherheit Israels deutsche Staatsräson ist, müssen wir das auch mit Leben füllen.

Ich verstehe nicht, wieso Frau Faeser in der Umsetzung der angekündigten Betätigungsverbote von Hamas und Samidoun so schleppend agiert.

Christoph Meyer kritisiert die Bundesinnenministerin.

Ich verstehe deshalb auch nicht, wieso Frau Faeser in der Umsetzung der angekündigten Betätigungsverbote von Hamas und Samidoun so schleppend agiert. Der Kanzler hat ein Verbot vor zwei Wochen angekündigt, das müsste schon längst umgesetzt sein. Aussitzen darf der Kanzler nicht länger tolerieren.

Reicht ein solches Verbot allein aus?
Wir müssen uns Räume in den Städten zurückholen. Was auf der Sonnenallee in Neukölln passiert, kann ein Staat nicht länger akzeptieren. Nulltoleranz und konsequente Rechtsstaatlichkeit: Umfassende Strafermittlung – das fängt in Berlin bei der Aufnahme von Personalien an und schnell zum Abschluss gebrachte Verfahren. Dazu kommen Aufklärung und Arbeit in Schulen, Kiezen mitunter auch bei Medien und Kulturtreibenden. Das Spektrum ist riesig.

Und wir müssen bei extremen Fällen – wie bei den IS-Rückkehrern – diskutieren, wie wir mit Doppelstaatlern umgehen. Ich glaube, dass wir in Einzelfällen auch zum Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft kommen können müssen. Das Recht auf einen deutschen Pass verwirkt, wer bei hinreichendem kriminellem Organisationsgrad Leute zu Antisemitismus aufstachelt, Anschläge auf jüdische Ziele plant oder Geld für Terrororganisationen wie die Hamas oder Hisbollah sammelt.  

Angesichts der deutschen Geschichte ist das ein sensibles Thema, es ist ein Ringen mit der Frage, wie wir den bösen Geist wieder in die Flasche bekommen, aber wir, die Gesellschaft, haben zu lange weggesehen und uns in Floskeln gefallen. Wir stehen vor einem langen Prozess, der nicht nur ein paar Wochen dauern darf, sondern Jahre in Anspruch nehmen wird.

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