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Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP)

© Reuters/Fabrizio Bensch

Exklusiv

Finanzminister verschwieg Hauskredit: Wie privat war Lindners Grußwort für die BBBank?

Der Minister verheimlichte sein eigenes Finanzgeschäft, als er eine offizielle Videobotschaft zum Firmengeburtstag der BBBank aufnahm. Zugeben wollte Christian Lindner das nicht – bis jetzt.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat bei der Produktion eines amtlichen Video-Grußworts für die Karlsruher BBBank verschwiegen, dass er bei derselben Bank zugleich Schuldner eines privaten Immobilienkredits ist.

Das bestätigte Lindners Ministerium, nachdem es vom Verwaltungsgericht Berlin auf einen Eilantrag des Tagesspiegels hin zu einer entsprechenden Auskunft verpflichtet wurde (Az.: VG 27 L 28/23).

Zugleich betonte das Ministerium, dass Lindner aus juristischer Sicht nichts vorzuwerfen sei. Wörtlich hieß es: „Eine rechtlich nicht notwendige Bekanntgabe der privaten Kreditaufnahme bei der BBBank durch Bundesminister Lindner gegenüber den Mitarbeitern im Bundesministerium der Finanzen, die für die Videoproduktion des betreffenden Grußwortes verantwortlich gewesen sind, fand nicht statt.“

Die Generalstaatsanwaltschaft prüfte, aber ermittelte nicht

Lindner hatte sich noch als Abgeordneter eine Grundschuld über 2,35 Millionen Euro zugunsten der BBBank eintragen lassen, um einen Kredit für seinen Hauskauf in Berlin-Nikolassee abzusichern. Als Minister sprach er dann im Frühjahr 2022 einen Videogruß zum 100-jährigem Bestehen der Bank ein und erweiterte wenige Wochen später die Grundschuld auf insgesamt 2,8 Millionen Euro.

Die Generalstaatsanwaltschaft prüfte den Fall wegen möglicher Korruptionsdelikte, sah jedoch keinen Anfangsverdacht und verzichtete auf ein förmliches Ermittlungsverfahren.

Statt in dem Vorgang Transparenz zu schaffen, ließ Lindners Ministerium wesentliche Fragen unbeantwortet. Das Verwaltungsgericht sah in vier Fällen einen presserechtlichen Auskunftsanspruch als gegeben an, in fünf Fällen dagegen nicht. Eine Beschwerde des Tagesspiegels wies das Oberverwaltungsgericht zurück (Az.: OVG 6 S 34/23).

Ein von Lindner privat mandatierter Rechtsanwalt spielte den Vorgang herunter: Schon die Amtsvorgänger Lindners hätten bei vergleichbaren Anlässen Grußworte gesprochen. „Ferner ist die Behauptung, es gäbe eine Verbindung zwischen dienstlichem Handeln und privaten Geschäftsbeziehungen, falsch.“

Hoffe, Sie hatten schöne Ostern und gehen frisch gestärkt in die nächsten Frühlingswochen.

Aus einer E-Mail der BBBank an Lindner – mutmaßlich an dessen Privat-Account

Zumindest daran gibt es Zweifel. Denn mittlerweile hat das Finanzministerium auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes die Korrespondenz zur Grußworterstellung herausgegeben. Darin findet sich die E-Mail eines BBBank-Vertreters, die mutmaßlich an einen privaten Mail-Account Lindners gerichtet war, mit einer vertraulichen Anrede und der Einleitung: „Hoffe, Sie hatten schöne Ostern und gehen frisch gestärkt in die nächsten Frühlingswochen.“

Aus der Mail geht zudem hervor, dass der Bankmitarbeiter Lindner wohl schon zuvor wegen seiner Grußwort-Bitte direkt kontaktiert hatte – und nicht den förmlichen Weg über das Ministerium nahm. Anfragen zu den näheren Umständen ließ das Ministerium wiederum unbeantwortet.

Private Geschäftsbeziehungen Lindners zur BBBank gab es schon vor dem Immobilienkredit. So war Lindner als Abgeordneter mehrfach für die Bank gegen Honorar als Redner aufgetreten und diente ihr als Werbefigur in einem Videofilm. Erst seit Beginn der Legislaturperiode gelten strengere Regeln für solche Nebeneinkünfte.

Dass Lindners Grußwort nicht nur dienstlich, sondern auch privat motiviert gewesen sein könnte, zeigt sich zudem in weiteren Umständen: Nach der – gerichtlich angeordneten – Auskunftserteilung durch das Finanzministerium gab es im April und Mai 2022 insgesamt zwölf Anfragen von privatwirtschaftlichen Unternehmen für Reden und Grußworte des Ministers.

Laut Ministerium entsprach Lindner diesen Bitten lediglich drei Mal – außer jener der BBBank einer Anfrage des Energiekonzerns Eon sowie einer der „Akademie Deutscher Weltmarktführer“ für eine Veranstaltung der Handelsblatt-Gruppe, die - wie der Tagesspiegel - zu DvH Medien gehört.

Die anderen Unternehmen blitzten bei ihm ab. Hinzu kommt, dass die BBBank zum Zeitpunkt der Video-Produktion auf Platz 56 der größten deutschen Banken lag. Um einen bedeutenden Player im Geld-Business handelt es sich kaum.

Anschein von Interessenkonflikten vermeiden

Ob derartige Interessenkonflikte in Spitzenämtern künftig offen gelegt werden müssen, ist ungewiss. Die Staatengruppe gegen Korruption (Greco) des Europarates fordert dergleichen, dazu einen speziellen Verhaltenskodex für Bundesminister. „Hochrangige Personen mit Entscheidungsverantwortung müssen Konflikte zwischen ihren privaten Interessen und ihren Amtsaufgaben ad hoc offenlegen sowie ihre finanziellen Interessen deklarieren“, heißt es in einem an die Bundesrepublik adressierten Bericht.

Eine Orientierungshilfe hätte Linder die interne Compliance-Anweisung seines Ministeriums für „private Finanzgeschäfte“ sein können, deren Präambel deutlich ist: „Bereits der Anschein (. . .), dass das dienstliche Handeln von privaten Interessen geleitet sein könnte“, beschädigt demnach das Vertrauen in die Integrität der Verwaltung.

Allerdings, so das Ministerium, gelte diese Dienstanweisung „auch in der Präambel“ ausschließlich für private Finanzgeschäfte am Kapitalmarkt. Private Kreditvergaben bleiben außen vor.

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