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Oben ohne im Schwimmbad ist für Frauen eine politische Angelegenheit.

© Mauritius Images/Pixtal/WE052008

Oben ohne im Schwimmbad: In der Hausordnung der Berliner Bäderbetriebe entblößt sich der Kulturkampf

Erst wurde der weibliche Busen sexualisiert, dann politisiert. Sein, wie er ist, darf er wohl nicht. Noch immer ist er Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen.

Eine Kolumne von Jost Müller-Neuhof

Dass Frauen in Freibädern ihre nackte Brust in die Sonne halten, gab es schon zu Zeiten, als ein gewisser Helmut Kohl eine „geistig-moralische Wende“ zum Motto seiner Kanzlerjahre machte. Es wirkte cool und selbstbewusst, zumal niemand so richtig wusste, ob es erlaubt war. Manche guckten, aber keiner sagte was. Gingen sie ins Hallenbad, zogen die Frauen obenrum was an. Warum? Unklar.

In diesen Kontext gehören die aktuellen Berliner Brust-Fälle. Vor dem Kammergericht läuft das Berufungsverfahren einer Frau, die wegen fehlenden Oberteils einen Platzverweis an der „Plansche“ im Plänterwald erhalten hatte. Sie fordert eine Entschädigung, das Landgericht hat sie ihr verweigert. Im Urteil wird von Schamgefühlen geredet (Az.: 26 O 80/22). Es klingt etwas gestrig.

Es wird viel hineingelesen in die Brust. Ihre Sexualisierung ist, wenn es sie als solche gab, nahtlos durch ihre Politisierung ersetzt worden.

Jost Müller-Neuhof

Einen schnelleren Erfolg errang eine Frau, die sich mit einer Bademeisterin im Hallenbad Kaulsdorf angelegt hatte. Die Bäderbetriebe stellten klar, was ohnehin in der Hausordnung steht: Alle Badegäste müssen „handelsübliche Badebekleidung“ tragen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Frauen dürfen also in Hallenbädern, was manche in Freibädern schon immer machten und in Hallenbädern immer durften, dort aber nicht machten. Mehr hat sich im Prinzip nicht ereignet - wäre die Busenfrage nicht längst in einer Art Freikörperkulturkampf zum Antidiskriminierungs- und Geschlechterproblem umgedeutet worden.

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So freut sich die 2020 eingerichtete Ombudsstelle der Landesstelle für Gleichstellung über die neue alte Freiheit für „Personen mit weiblich gelesener Brust“, während die „Plansche“-Klägerin ein Zeichen gegen deren Sexualisierung setzen möchte. Die Kaulsdorfer Bademeisterin wusste wohl kaum, dass sie sich einer Aktivistin der Initiative „Gleiche Brust für alle“ gegenüber sah. Und die Bäderbetriebe schreiben jetzt etwas davon, dass Gleichheitsrechte die Religionsfreiheit überwögen - wobei undeutlich bleibt, was Letztere im so genannten Nassbereich zu suchen hat.

Das sollte man wissen, bevor man ins Wasser steigt: Es wird viel hineingelesen in die Brust. Ihre Sexualisierung ist, wenn es sie als solche gab, nahtlos durch ihre Politisierung ersetzt worden. Das Anliegen, sie freier zu machen, könnte baden gegangen sein.

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