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Auch künftig Ansprechpartner für Menschen, die Transferleistungen empfangen: das Jobcenter vor Ort.

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Geplante Großreform der Ampel: Bund und Länder streiten über das Bürgergeld

60.000 Euro Schonvermögen und sechs Monate ohne Sanktionen? Das halten nicht alle für eine gute Idee. Der Start des Bürgergelds zum Januar 2023 könnte sogar noch in Gefahr geraten.

Zum ersten Januar soll es losgehen, doch der Zeitplan für die Einführung des Bürgergelds könnte noch einmal in Gefahr geraten. Am Freitag hat sich der Bundesrat, der dem Gesetz zustimmen muss, zum ersten Mal mit dem Entwurf der Ampel-Koalition befasst. Dabei wurde deutlich, dass die Länderkammer den Plänen nicht einfach zustimmen wird. In den vergangenen Tagen haben sich außerdem Fachministerinnen und -minister aus unterschiedlichen Bundesländern mit Kritik zu Wort gemeldet.

Das Bürgergeld soll das bisherige Arbeitslosengeld II ersetzen und ist eines der größten Reformvorhaben der Regierungskoalition. Streit gibt es vor allem wegen zwei Punkten: Künftig soll in den ersten beiden Jahren des Leistungsbezugs 60.000 Euro Freivermögen unangetastet bleiben, plus 30.000 Euro für jedes weitere Haushaltsmitglied. Eine vierköpfige Familie könnte also 150.000 Euro auf dem Sparbuch behalten und dennoch Transferleistungen beziehen.

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Für viele arbeitende Menschen mit geringem Einkommen seien solche Summen auf dem Sparbuch „gar nicht vorstellbar“, sagte im Bundesrat Karl-Josef Laumann (CDU), Sozialminister in Nordrhein-Westfalen. „Die werden sich die Frage stellen: Warum muss ich arbeiten und Abgaben zahlen, damit solche Vermögen geschützt sind?“

Sechs Monate ganz ohne Sanktionen

Existenzangst sei kein guter Begleiter in schwierigen Zeiten, sagte hingegen Anja Stahmann (Grüne), Sozialsenatorin in Bremen. In den ersten zwei Jahren sollten die Betroffenen keine Angst um Vermögen und Wohnung haben.

Strittig ist außerdem, in welchem Umfang es künftig Sanktionen geben soll, wenn Menschen sich der Vermittlung in Arbeit entziehen. Vorgesehen ist, dass Jobcenter und Leistungsempfänger:in sich auf einen Kooperationsplan einigen, in dem zum Beispiel festgelegt wird, wie der Weg zu einem neuen Job gelingen soll. Anschließend soll eine sechsmonatige Vertrauenszeit gelten, in der es keine Sanktionen gibt. Auch danach soll es schwächere Sanktionen geben als bisher.

Die Union hält davon nichts. Das Bürgergeld hebele das Prinzip des Forderns und Förderns aus, sagte kürzlich Bayerns Arbeitsministerin Ulrike Scharf (CSU). Sie sprach davon, es würden die Grundpfeiler des Sozialstaates eingerissen.

Der Regelsatz steigt auf 502 Euro pro Monat

Die deutlich abgeschwächten Sanktionsmöglichkeiten seien ingesamt völlig unzureichend, sagte der arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Stracke, dem Tagesspiegel am Freitag. Die Regierung nutze die Sanktionsmöglichkeiten, die das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil 2019 ermöglicht habe, nicht aus, das sei ein Fehler.

Ein Teil der Neuregelung ist es, die Regelsätze zu erhöhen. Künftig sollen Alleinstehende 502 Euro pro Monat bekommen, was eine Erhöhung von mehr als 50 Euro wäre. Dafür gibt es zumindest auf Bundesebene auch aus der Union tendenziell Zustimmung.

Oppositionsführer in Thüringen: Mario Voigt (CDU)

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Aus den Ländern sind aber auch hierzu kritische Stimmen zu hören. So sagt Mario Voigt (CDU), Oppositionsführer im thüringischen Landtag: „Mit dem Bürgergeld wird Arbeit, vor allem für die Menschen mit niedrigeren Löhnen, unattraktiv.“ Voigt spricht von einem Fehlanreiz mit Blick auf die Langzeitarbeitslosigkeit und den eklatanten Fachkräftemangel.

Es gibt auch Punkte, die weitgehend unstrittig sind. So plant die Ampel, den sogenannten Vermittlungsvorrang zu streichen. Ziel ist es, dass Menschen zum Beispiel eine Berufsausbildung nachholen, statt von Aushilfsjob zu Aushilfsjob geschickt zu werden. Diese Neuerung trifft parteiübergreifend auf Zustimmung.

Im November werden Bundestag und Bundesrat wieder mit dem Gesetzentwurf befasst sein. Auch bei der Frage der Kostenteilung sehen die Länder noch Beratungsbedarf. Wird kein Kompromiss gefunden, ist sogar denkbar, dass der Vermittlungsausschuss angerufen werden muss. Das würde den Start zum 1. Januar 2023 unmöglich machen.

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