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In der Migrationspolitik legt sich Winfried Kretschmann immer wieder mit seiner Partei an.

© dpa/Marijan Murat

Update

„Hat nichts mit grünen Positionen zu tun“: Grüne kritisieren Kretschmann für Forderung nach Asylverfahren in Drittstaaten

Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann schließt sich der Forderung der Union an, Asylverfahren in Nicht-EU-Staaten durchzuführen. Parteifreunde sehen darin „Desorientierung“.

Es ist eine Forderung, mit der CDU-Chef Friedrich Merz den Bundeskanzler schon vor Wochen bei einem Abendessen im Kanzleramt konfrontierte. Asylverfahren sollten nach einer Antragstellung in der EU in Drittstaaten außerhalb der EU durchgeführt werden. „Nur eine Verlagerung von Asylverfahren in Länder außerhalb der EU kann zu einer substanziellen Reduzierung der irregulären Migration führen“, hieß es in einem 26-Punkte-Plan im Oktober.

Wenige Stunden vor dem Ministerpräsidententreffen am Montag im Kanzleramt ploppte die Forderung nun in der Länderrunde wieder auf – unterstützt auch von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann.

Lange stritten die Länderchefs, ehe man sich auf eine ausführliche Protokollerklärung der CDU-geführten Länder Berlin, Hessen, NRW, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und eben Baden-Württemberg einigte.

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Dort heißt es nun: „Um weiterhin denen helfen zu können, die einen Asylgrund haben, bedarf es einer am Leistungs- und Integrationsvermögen der Kommunen orientierten, realistischen Begrenzung der Migration.“

Diese Protokollerklärung hat überhaupt nichts mit grünen Positionen zu tun.

Erik Marquardt, Grünen-Europaabgeordneter

Als erste konkrete Maßnahme werden dafür Asylverfahren in Drittstaaten genannt. Sie sollten unter „Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention“ erfolgen. „Die Bundesregierung wird deshalb aufgefordert, mit hohem Nachdruck entsprechende Verhandlungen auf europäischer und internationaler Ebene unverzüglich aufzunehmen“, heißt es in der Protokollnotiz.

Dass mit Kretschmann ausgerechnet ein Grünen-Politiker diese Forderung mitträgt, ärgert einige in seiner Partei: „Diese Protokollerklärung hat überhaupt nichts mit grünen Positionen zu tun, sondern ist Teil einer gefährlichen Desorientierung“, sagte der Grünen-Europaabgeordnete Erik Marquardt dem Tagesspiegel.

Hier werden Dinge gefordert, die in den nächsten Jahren niemals kommen werden.

Erik Marquardt kritisiert Kretschmanns Vorschlag.

Als Mitglied des Parteirats beschäftigt er sich seit Jahren mit der Migrationspolitik der Grünen und der EU. Von der Forderung nach Asylanträgen in Drittstaaten hält Marquardt nichts: „Hier werden Dinge gefordert, die in den nächsten Jahren niemals kommen werden. Asylverfahren in Drittstaaten sind rechtlich nicht umsetzbar und das kann auf deutscher Ebene auch nicht geändert werden.“

Erik Marquardt beschäftigt sich seit Jahren mit der Asylpolitik der EU, hier bei einem Besuch auf der griechischen Insel Lesbos.
Erik Marquardt beschäftigt sich seit Jahren mit der Asylpolitik der EU, hier bei einem Besuch auf der griechischen Insel Lesbos.

© IMAGO/Funke Foto Services/Reto Klar

Zuvor hatte es bereits Ablehnung für einen solchen Vorschlag aus der Grünen-Bundestagsfraktion gegeben. Von einer Scheindebatte sprach Migrationsexperte Julian Pahlke. „Asylanträge in Drittstaaten oder in Herkunftsstaaten zu prüfen, ist im Einklang mit dem Völkerrecht und Europarecht überhaupt nicht möglich“, sagte er dem Tagesspiegel

Die Grünen sollten sich stattdessen auf sachorientierte Lösungen für die Herausforderungen konzentrieren, appellierte Marquardt. „Wir sind ja in Verantwortung und nicht in der Opposition.“

Auch die Grünen-Bundestagsabgeordnete Karo Otte kritisierte Kretschmann scharf. „Mit seiner Positionierung verabschiedet sich Kretschmann aus dem Debattenraum unserer Partei“, sagte sie dem Tagesspiegel. Ein solcher Vorschlag sei weder mit dem Grundgesetz, noch mit den europäischen Grundrechten vereinbar. „Es ist unfassbar, dass dieser massive Vorstoß gegen das Grundrecht auf Asyl es ins Beschlusspapier der MPK geschafft hat“, sagte Otte.

Tatsächlich einigten sich die Länderchefs in ihrer nächtlichen Verhandlung mit dem Kanzler darauf, die Protokollerklärung fallen zu lassen. Stattdessen heißt es nun: „Die Bundesregierung wird prüfen, ob die Feststellung des Schutzstatus von Geflüchteten unter Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschen­rechtskonvention zukünftig auch in Transit- oder Drittstaaten erfolgen kann.“

Aus dem Umfeld von Winfried Kretschmann wurde bereits am Montagabend ausgerechnet auf den Koalitionsvertrag verwiesen. Dort heißt es, man werde „prüfen, ob die Feststellung des Schutzstatus in Ausnahmefällen unter Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention in Drittstaaten möglich ist.“

Innerhalb der Grünen gibt es seit Monaten eine Kontroverse über den richtigen Kurs und Ton in der Migrationspolitik. In einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel hatten sich Kretschmann und Grünen-Chefin Ricarda Lang dafür ausgesprochen, die Zahlen von Geflüchteten zu senken.

Ein unveröffentlichtes Positionspapier des Bundesvorstands der Grünen mit Fachpolitikern zum Thema Migration betonte dagegen die Verantwortung, Schutzsuchende aufzunehmen. Auf dem Grünen-Parteitag Ende November in Karlsruhe wird daher eine richtungsweisende Debatte erwartet.

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