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CDU-Chef Friedrich Merz setzt auf schärfere Attacken gegen die Grünen. Ob das gegen die AfD hilft, bezweifeln Experten.

© imago images; freepik; Gestaltung: Kostrzynski/Tagesspiegel

Hauptgegner Grüne: Warum Merz’ Anti-AfD-Strategie riskant ist

Die Rechten halbieren – den Anspruch hat Friedrich Merz schon aufgegeben. Jetzt will der CDU-Chef verstärkt die Grünen attackieren, um der AfD beizukommen. Ist das klug?

Friedrich Merz ist genervt. Die AfD halbieren? Diesen Anspruch hat der CDU-Chef eigentlich schon lange aufgegeben. Doch immer wieder ist er in den letzten Wochen auf sein 2019 formuliertes Ziel angesprochen worden. Nun ist der AfD-Sieg bei der Landratswahl in Sonneberg der nächste Anlass.  

„Es ist vor allem Aufgabe der Regierung, dafür zu sorgen, dass sich Protest nicht radikalisiert“, erklärt Merz nun Anfang der Woche. Die Opposition, sagt er, sei nur begrenzt in der Lage, etwas zu tun. Aber: Man wolle jetzt noch deutlicher die Alternativen zur Bundesregierung herausarbeiten, besonders in der Umwelt- und Energiepolitik. „Deswegen werden für uns auf absehbare Zeit auch die Grünen der Hauptgegner sein in dieser Bundesregierung.“

Die Szene weist auf das Dilemma hin, in dem Merz bei der Bekämpfung der AfD steckt. Er will die CDU als die „eigentliche Alternative“ zur Bundesregierung positionieren. Dazu braucht er einen Gegner. Sich an den Grünen abzuarbeiten, fällt Merz leicht. Jüngst hat er ihnen einen „penetrant vorgetragene Volkserziehungsattitüde“ vorgeworfen. Das kommt gut an bei vielen an der CDU-Basis.

Gleichzeitig sind die Grünen die wichtigste Machtoption der CDU. Geräuschlos und vergleichsweise erfolgreich regiert man etwa in Schleswig-Holstein zusammen. Auch in Hessen, NRW und Baden-Württemberg gibt es schwarz-grüne oder grün-schwarze Bündnisse.

Nach der Bundestagswahl könnte es jenseits der ungeliebten Groko mit der SPD nur die Grünen als Koalitionsoption für die CDU geben. Doch die Gefahr besteht, dass der CDU-Chef mit seinem Kurs verbrannte Erde hinterlässt. Ist Merz also auf dem Holzweg, wenn er über Attacken gegen die Grünen die AfD kleinkriegen will?

„Kulturkampf gegen eine abgehobene Elite“

Neben der Frage, ob Merz seiner Partei so eine Koalitionsoption verbaut, ist es durchaus umstritten, ob der Kurs gegen die AfD helfen kann. So will der CDU-Chef die Energie- und Umweltpolitik in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung stellen. Die Debatte um das Heizungsgesetz hat die Bevölkerung aufgewühlt.

Nur geht es in der politischen Auseinandersetzung schon länger nicht mehr nur um die richtigen Instrumente zum Klimaschutz. „Die Auseinandersetzung um materielle Fragen wird teils zum Kulturkampf gegen eine vermeintlich abgehobene Elite stilisiert“, meint etwa der Politikwissenschaftler Marcel Lewandowsky.

Das zeigte kürzlich etwa ein Interview mit Unionsfraktionsvize Jens Spahn in der „Welt am Sonntag“: „Den Leuten wird gesagt: ,Ihr fahrt das falsche Auto. Ihr habt das falsche Haus, die falsche Heizung! Ja, Ihr habt überhaupt noch ein Haus! Ihr esst das falsche Essen“, erklärte er.

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Es sind besonders identitätspolitische Fragen, die für die CDU in der Auseinandersetzung mit der Ampel und den Grünen eine wichtige Rolle spielen. CDU-Chef Merz stellte auch Migration und Zuwanderung als das Thema heraus, das die meisten AfD-Wähler bewegt. Hier habe die CDU inhaltliche Alternativen zur Ampel aufgezeigt. Merz hält es aber auch nach wie vor für richtig, dass er Söhne von Migranten als „kleine Paschas“ bezeichnet hat.

In der Opposition kann die Union schwer liefern

Der Politologe Timo Lochocki hat ein Buch über Rezepte gegen den Populismus geschrieben. Er sieht die Union in einer schwierigen Lage. „Das Problem ist nicht, dass die Union identitätspolitische Fragen bespielt. Das Problem ist, dass sie Themen groß macht, in denen sie die Regierungslinien nicht beeinflussen kann, da ihr die machtpolitischen Hebel fehlen“, erklärt Lochocki. „Oder anders gesagt: Mit der aktuellen Themenwahl befeuert sie einen Kulturkampf, den sie auf diesen Themen nicht gewinnen kann. Das kostet Glaubwürdigkeit.“

Profitiert habe die Union dagegen vom Asylkompromiss 1993. Damals einigten sich Union und SPD auf eine Verschärfung des Asylrechts. „Es gab ein reales Problem und anschließend eine Lösung.“ Die rechten Republikaner seien in der Folge abgestürzt.

Zwar habe auch Kanzlerin Angela Merkel nach 2015 einen ziemlichen Schwenk in der Asylpolitik gemacht. Stichwort: EU-Türkei-Deal. „Aber sie hat diesen konservativen Schwenk nicht kommuniziert.“ Lochocki hält die Migrationspolitik heute nicht für den Schlüssel für die Union. „Das Problem liegt vor allem an den europäischen Außengrenzen. Und das, was Nancy Faeser gerade auf EU-Ebene mitverhandelt, ist Unionslinie.“ In den Ländern, in denen die Union regiere, könne sie wenig an der Situation verändern.

Das Migrationsthema ist für die Union nicht der Schlüssel. 

Politologe Timo Lochocki

Wie aber sich abheben von der Ampel? Die CDU werde besonders im Osten als Teil des Establishments wahrgenommen, klagen Parteifunktionäre.

Soll die Union lieber auf Wirtschaftspolitik setzen?

In der Union wird kontrovers diskutiert, ob sich CDU und CSU an einem Kulturkampf gegen das Gendern beteiligen sollen – ein Thema, das in der Bevölkerung viele aufregt. Hier sagt Lochocki: „Wenn die Union Kulturkampf machen will, müssten CDU und CSU auf diesem Feld auch Erfolge erreichen können.“ Sie könnten sich beispielsweise über die Länder gegen das Gendern im öffentlich-rechtlichen Rundfunk einsetzen. Aber der Erfolg wäre ungewiss. Wenn die CDU nur fordere, aber keinen realen Politikwechsel erwirke, nutzt das wieder nur der AfD, sagt Lochocki.

Er meint: Wenn es kein identitätspolitisches Thema gebe, bei dem die Union liefern könne, sei es besser, sie vermeide das Feld ganz. Sie könne sich auf Themen wie Wirtschafts- und Sozialpolitik konzentrieren – Felder, auf denen die AfD keinerlei Kompetenzwerte habe.

Als Beispiel kann der Kampf der Union gegen das Bürgergeld taugen, mit dem sie Ende 2022 einen politischen Erfolg erzielt hatte. Die Union drohte mit Blockade im Bundesrat und einigte sich schließlich mit der Ampel auf einen Kompromiss: schärfere Sanktionsmöglichkeiten gegen Leistungsbezieher und weniger Schonvermögen. Andere in der Union glauben, man solle sich auf die Innenpolitik konzentrieren und Erfolge in den Ländern herausstellen, in denen sie regiert.

Politologe Lochocki jedenfalls sieht die jüngste Ankündigung des CDU-Chefs skeptisch. „Friedrich Merz glaubt, er könne mit schärferen Attacken auf die Grünen die AfD kleinkriegen. Wenn diese Strategie mit den gleichen Themen wie in den letzten Monaten gefahren werden soll, wird sie nicht gelingen.“ Denn erreicht würde damit zweierlei: Merz fache so unweigerlich den Kulturkampf an, und zeige den Wählern gleichzeitig, dass die Union diesen aktuell nicht gewinnen kann. „Das wiederum würde nur die AfD stärken.“ 

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