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Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP).

© picture alliance / Karlheinz Sch/Karlheinz Schindler

Ischingers Vorstoß für Ukraine-Verhandlungen: Ampel uneins, FDP dagegen

Nach Meinung des Ex-Chefs der Münchner Sicherheitskonferenz, Ischinger, sollten Friedensverhandlungen für die Ukraine schon jetzt vorbereitet werden. Die FDP-Politikerin Strack-Zimmermann hält nicht viel davon.

Der Vorschlag des früheren Leiters der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, schon jetzt die Rahmenbedingungen für Friedensverhandlungen Russlands und der Ukraine vorzubereiten, ist bei den Parteien mit Zurückhaltung aufgenommen worden. Während der Grünen-Politiker Anton Hofreiter einerseits den Vorstoß grundsätzlich begrüßte, aber Details monierte, sprach dessen FDP-Kollegin Marie-Agnes Strack-Zimmermann rundheraus von einem kontraproduktiven Vorschlag.

Ischinger hatte in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel geschrieben, dass sich der Westen einschließlich der Bundesregierung gegenüber Befürwortern baldiger Waffenstillstandgespräche wie der Linken Sahra Wagenknecht, der Frauenrechtlerin Alice Schwarzer oder dem Buchautor Richard David Precht „eine völlig überflüssige Blöße“ gebe, „wenn auf die verständliche Frage nach einer Friedensinitiative immer wieder die stereotype Antwort kommt, die Voraussetzungen für Verhandlungen seien bis auf Weiteres nicht gegeben“.

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Strack-Zimmermann, lehnte den Vorschlag Ischingers zur Vorbereitung möglicher Friedensverhandlungen ab. „Das ist das falsche Signal im falschen Moment“, sagte sie dem Tagesspiegel.

Also nur Krieg und Waffenlieferungen – wo soll das enden?

Wolfgang Ischinger, früherer Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz

„Der Ruf nach Friedensverhandlungen zum jetzigen Zeitpunkt – auch wenn man sie wie Herr Ischinger erst einmal nur vorbereiten will – dient ganz und gar nicht der Ukraine, noch der freien westlichen Welt“, sagte sie weiter.

Auf Ischingers Argument, dass man etwa der Linken-Politikerin Wagenknecht eine diplomatische Perspektive entgegenhalten müsse, erwiderte sie: „Wir sollten uns aber nicht von den Wagenknechts dieser Welt treiben lassen, der klare politische Kompass sollte die Richtung vorgeben.“

Ischinger hatte zudem vorgeschlagen, dass Deutschland gemeinsam mit den USA, Großbritannien und Frankreich den engsten Kern einer Kontaktgruppe bilden solle, die später in Friedensverhandlungen einbezogen werden könnte.

Um diese Staatengruppe herum soll sich nach Ischingers Vorstellung ein Kreis von Partnern gruppieren, darunter Kanada, Spanien, Polen, Italien, die baltischen Staaten sowie die UN, EU, OSZE und Nato.

Es gehe nicht darum, der Ukraine Verhandlungsbereitschaft „jetzt und heute“ abzuverlangen, hatte der frühere deutsche Botschafter in Washington und London geschrieben. Allerdings müsse man „dem anwachsenden kritischen Fragenchor in den USA genauso wie bei uns in Deutschland“ Perspektiven außer Waffenlieferungen und finanzieller Unterstützung für die Ukraine anbieten.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte, es sei gut, dass sich mit Ischinger eine weitere wichtige Stimme zur Bedeutung und den Möglichkeiten von Diplomatie äußere. „Ob die konkreten Schritte realistisch und erfolgversprechend sein können, ist eine andere Frage“, gab er aber zu bedenken. Eine Kontaktgruppe, die von Anfang an multilateral und politisch übergreifend wäre, scheine ihm zwar sinnvoller.

„Gleichwohl kann man dem historischen Hinweis, dass das Außenministerium für eine vorausschauende Diplomatie der richtige Ort ist, auch heute einiges abgewinnen“, fügte der SPD-Fraktionschef hinzu. Ischinger hatte unter anderem die Vorarbeiten des Auswärtigen Amts für eine Resolution des UN-Sicherheitsrates von 1999 in Erinnerung gerufen, die seinerzeit den Kosovo-Krieg beendete.

Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Hofreiter, hält es indes für „wichtig, sich für den Moment vorzubereiten, an dem Friedensgespräche möglich werden“. „Wolfgang Ischinger hat Recht, dass natürlich Waffen allein nicht genügen, um Frieden in der Ukraine zu schaffen“, sagte er.

„Was mir jedoch zu kurz kommt, ist eine engere Einbindung der mittel- und osteuropäischen Staaten“, schränkte Hofreiter ein. Es gehöre zu den Lehren der letzten Jahren, „dass wir unseren europäischen Nachbarn im Osten nicht ausreichend zugehört und ihre Warnungen nicht ernst genommen haben“. Diesen Fehler dürfe man nicht wiederholen.

Nach seinen Worten schlössen Waffenlieferungen und diplomatische Bemühungen einander nicht aus. „Angesichts der mit voller Härte fortgesetzten russischen Angriffe ist allerdings klar, dass Waffenlieferungen in diesem Krieg die Diplomatie erst ermöglichen“. Wenn der russische Präsident Wladimir Putin erkenne, „dass er seine Kriegsziele nicht erreichen kann, wird er zu ernsthaften Gesprächen bereit sein“, so Hofreiter.

Der CDU-Außenexperte Roderich Kiesewetter hält indes Ischingers Denkansatz „grundsätzlich für einen berechtigten Beitrag, denn wir sollten gerade nicht in einer politisch-strategischen Schockstarre verharren“. Kiesewetter wandte aber kritisch ein, dass „dieser Ansatz von der Geschichte überholt“ worden sei.

„Diplomatische Ansätze finden ohnehin bereits statt“, sagte er weiter. „Immer wieder spielten die Türkei und Israel eine Rolle, auch beim Gefangenaustausch gibt es auf verschiedenen Ebenen Verhandlungen“, so Kiesewetter.

Nach seinen Worten ist der „völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands, der Einsatz von Nuklearwaffen als Waffe im Sinne eines Landraubs und Vernichtungskrieges durch nukleare Erpressung, ein Einschnitt, der bisherige diplomatische Verhandlungsformate und Strategien als ungeeignet markiert hat“. Dies sei „bedauerlich, aber leider Realität“.

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