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Vor Ort und gleich auf Twitter. Dieses Foto hat der israelische Minister für nationale Sicherheit Itamar Ben-Gvir (links) am Dienstag in den sozialen Medien veröffentlicht.

© twitter.com/itamarbengvir / twitter.com/itamarbengvir

„Gefährliche Eskalation“: Israels neuer Sicherheitsminister provoziert mit Tempelberg-Besuch

Trotz aller Warnungen hat Itamar Ben-Gvir den Tempelberg in Jerusalem besucht. Nun wird er dafür von mehreren Seiten kritisiert.

Kaum im Amt, hat Israels neuer Minister für nationale Sicherheit Itamar Ben-Gvir, bekannt als Provokateur, die erste internationale Aufregung verursacht: Am frühen Dienstagmorgen bestieg er den Tempelberg in Jerusalem – trotz Warnungen, ein solcher Schritt könnte die angespannte Sicherheitslage eskalieren lassen.

Das Areal gilt Juden wie Muslimen als heilig: Dort stand einst der jüdische Tempel, heute thront dort die Al-Aqsa-Moschee, das drittwichtigste Heiligtum im Islam. Immer wieder kommt es auf dem Plateau zu Ausschreitungen. Im Mai 2021 mündeten wiederholte Zusammenstöße zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften dort in einen militärischen Konflikt zwischen der Hamas in Gaza und der israelischen Armee. Und der Besuch des damaligen israelischen Oppositionsführers Ariel Sharon auf dem Tempelberg im Jahr 2000 gilt als einer der Auslöser der Zweiten Intifada.

Auch dieses Mal hatte die Hamas, die von westlichen Staaten als Terrororganisation eingestuft wird, mit Eskalation gedroht, sollte Ben-Gvir den Tempelberg besteigen. Bis gestern Nachmittag blieb die Lage allerdings ruhig.

Für seinen Besuch auf dem Tempelberg wurden Ben-Gvir und die rechts-religiöse Regierung, der er angehört, von verschiedenen Seiten scharf kritisiert. Israels Oppositionsführer Yair Lapid sprach von „politischer Verantwortungslosigkeit“. Die Palästinensische Autonomiebehörde nannte die Aktion eine „gefährliche Eskalation“. Und Jordanien ließ verlauten, es verurteilte „aufs Schärfste das Stürmen der Al-Aqsa-Moschee und die Verletzung ihrer Heiligkeit“. Die Moschee selbst hatte Ben-Gvir zwar nicht betreten, doch viele Muslime betrachten das gesamte Bergplateau als heilige Stätte.

Auf dem Gelände herrscht seit 1967 ein sensibler Status Quo

Für Jordaniens Königshaus sind Entwicklungen auf dem Tempelberg von besonderer Brisanz. Bis Israel Ost-Jerusalem und den Tempelberg im Zuge des Sechs-Tage-Krieges 1967 eroberte, hatte Jordanien die heiligen Stätten kontrolliert. Seit 1967 herrscht dort ein sensibler Status Quo: Israel ist zuständig für die Sicherheit auf dem Berg, während die zivile Aufsicht einer islamischen Stiftung, dem Waqf, unterliegt, die formal dem jordanischen Königshaus untersteht.

Da mindestens die Hälfte der jordanischen Bevölkerung palästinensische Wurzeln hat, steht König Abdallah unter hohem Druck, seine Autorität über die Al-Aqsa-Moschee aufrecht zu erhalten. Was Jerusalem betreffe, so habe er „rote Linien“, warnte er nach der Vereidigung der neuen israelischen Regierung vergangene Woche.

Itamar Ben-Gvir bei seiner Vereidigung am vergangenen Donnerstag in der Knesset.

© AFP / AFP/Amir Cohen

Juden dürfen den Tempelberg besteigen, dort aber nicht beten. Lange Zeit hielten sich die Zahlen jüdischer Besucher in Grenzen: Die meisten Rabbiner verboten ihren Anhängern das Betreten der Stätte, aus Furcht, sie könnte dabei entweiht werden. Seit einigen Jahren aber ermutigen religiös-nationalistische Aktivisten den Besuch des Areals, und tatsächlich steigt die Zahl der jüdischen Besucher – was die Furcht vieler Muslime bestärkt, Israel wolle den Status Quo dort verändern. Tatsächlich streben manche Aktivisten genau das an – nicht zuletzt Itamar Ben-Gvir selbst: Regelmäßig fordert er, Juden das Gebet auf dem Berg zu erlauben.

Bislang blockt Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ab, gewiss auch mit Blick auf die wichtigen Beziehungen zu den USA: Deren Botschafter in Israel, Tom Nides, betonte gestern die große Bedeutung, die sein Land dem Status Quo zuschreibe. Zugleich stellen mehr und mehr Analysten Netanjahus Durchsetzungsvermögen gegenüber seinen radikalen Partnern in Frage. In den Koalitionsverhandlungen machte er bereits überraschend große Zugeständnisse. Und manchen Berichten zufolge soll Netanjahu Ben-Gvir gebeten haben, seinen Besuch auf dem Tempelberg zu verschieben – offenbar ohne großen Eindruck zu machen.

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