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Kanzler Olaf Scholz (l.) mit seinem Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt vor einer Kabinettssitzung

© Imago/Jochen Eckel

Journalisten-Diffamierung in Cum-ex-Affäre: Der Chef des Kanzleramts war nicht im Dienst

Wolfgang Schmidt nimmt zugunsten von Olaf Scholz Einfluss auf Medien. Doch Transparenz braucht es hier keine, urteilt das Oberverwaltungsgericht – es seien wohl keine Amtsgeschäfte.

Das Bundeskanzleramt muss nach einem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin-Brandenburg keine Transparenz darüber herstellen, wie Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) in der Cum-ex-Affäre zugunsten von Kanzler Olaf Scholz (SPD) auf die Berichterstattung von Medien einwirkt. Anfragen des Tagesspiegels dazu beträfen keine amtlichen Vorgänge, zu denen die Regierung Informationen erteilen müsse, heißt es in einem aktuellen Beschluss (Az.: OVG 6 S 15/23).

Das OVG hob damit einen Beschluss des Verwaltungsgerichts auf, der das Kanzleramt noch zu Auskünften verpflichtet hatte. Rechtsmittel dagegen gibt es keine, in Eilverfahren entscheidet das OVG abschließend.

Schmidt gilt als „Spindoktor“ von Olaf Scholz

In dem Rechtsstreit ging es um die Einflussnahme des als „Spindoktor“ von Scholz bekannten Schmidt als heimlicher Informant sowie um Versuche, Recherchen des Investigativjournalisten Oliver Schröm als unglaubwürdig erscheinen zu lassen.

Nach Informationen des Tagesspiegels hatte sich Schmidt zu diesem Zweck unter anderem an den Norddeutschen Rundfunk (NDR) in Hamburg sowie an das Magazin „Stern“ gewandt. Die betroffenen Medien wollten sich dazu auf Anfrage nicht äußern. Schröm selbst behauptete, er werde „aus dem Kanzleramt“ diffamiert. Schmidt und sein Kanzleramt bestreiten das nicht.

In der Cum-ex-Affäre wird Scholz vorgeworfen, er habe als Hamburger Bürgermeister die örtliche Finanzbehörde dazu angeregt oder bewegt, auf eine Millionen-Steuerrückforderung gegen die Hamburger Warburg-Bank wegen krimineller Aktiengeschäfte zu verzichten. Scholz weist das zurück.

Gerade die Medienkontakte von Herrn Schmidt in der Steueraffäre Warburg werfen erhebliche Fragen auf, denen wir im Untersuchungsausschuss nachgehen werden.

Matthias Hauer, CDU-Bundestagsabgeordneter

Die Ergebnisse des Gerichtsverfahrens könnten nun auch für den Bundestags-Untersuchungsausschuss eine Rolle spielen, den die Union zur Affäre fordert. Der Kanzleramtschef sei eine „zentrale Figur“ im Scholz-System, hatte der CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Hauer der „Süddeutschen Zeitung“ gesagt. Gerade Schmidts Medienkontakte in der Steueraffäre Warburg „werfen erhebliche Fragen auf, denen wir im Untersuchungsausschuss nachgehen werden“. Insbesondere der Vorwurf der Diskreditierung von Journalisten wiege schwer, so Hauer. Auch Unionsfraktionschef Friedrich Merz kritisierte kürzlich in der „SZ“, dass Schmidt „Journalisten nach kritischen Presseberichten anruft“.

Das Kanzleramt hatte die verlangten Auskünfte mit dem Argument verweigert, es lägen „dienstlich“ keine Erkenntnisse über Schmidts Tätigkeiten vor. Dies habe Schmidt auch bei einer internen Befragung bestätigt. Ob der Behördenchef, förmlich Bundesminister für besondere Aufgaben, das Reputationsmanagement für Scholz als Privatmann besorgt, ließ das Kanzleramt offen. Allerdings erklärte Schmidt bei einer Vernehmung vor dem Cum-ex-Untersuchungsausschuss in Hamburg im vergangenen Jahr: „Der Austausch mit Journalistinnen und Journalisten gehört zu meinem Geschäft.“

Die mit den Fragen verbundenen Vorgänge weisen keinen Zusammenhang mit der Dienstausübung des Kanzleramtsministers auf.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss

Das Verwaltungsgericht verpflichtete das Kanzleramt auf Grundlage des Presse-Auskunftsanspruchs deshalb weit überwiegend zur Transparenz. Es sei davon auszugehen, dass Schmidt bei seinen Medienkontakten für das Bundeskanzleramt tätig gewesen sei und sein Wissen dienstlich erlangt habe, heißt es im Beschluss.

Bei der vom Tagesspiegel erhobenen Eilklage gehe es um eine mögliche Einflussnahme eines amtierenden Mitglieds der Bundesregierung auf Medien, „die deren für die öffentliche Meinungsbildung in der Demokratie hochbedeutsame Vermittlungs- und Kontrollfunktionen, zu denen unter anderem Machtkritik gehört, beeinträchtigen könnte“.

Im Beschwerdeverfahren entschied das OVG nun das Gegenteil und ordnete den Spindoktor-Job dem nichtamtlichen Bereich zu: „Die mit den Fragen verbundenen Vorgänge weisen keinen Zusammenhang mit der Dienstausübung des Kanzleramtsministers auf“, stellte das Gericht zu Schmidts Kontaktaufnahme mit „Stern“ und NDR fest. Es sei auch sonst „nicht dargelegt oder erkennbar, dass es bei der thematisierten ‚Informationstätigkeit‘ um Erkenntnisse ging, die er in seiner amtlichen Tätigkeit als Kanzleramtsminister erlangt hat“.

Zur Begründung seiner Ansicht beruft sich das OVG auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2022 zu Äußerungen der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel über die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen zwei Jahre zuvor, bei der zunächst ein FDP-Kandidat mit Stimmen der AfD gewählt wurde. Das Gericht hatte Merkels öffentliche Kritik daran als „Handeln in amtlicher Funktion“ von der „nicht amtsbezogenen Teilnahme am politischen Wettbewerb“ abgegrenzt.

Merkels Worte wurden in der Karlsruher Entscheidung dem amtlichen Teil zugerechnet, doch das OVG kam nach der Feststellung, eine Übertragung der Maßstäbe aus dem Urteil sei „sachgerecht“, im Fall Schmidt zu einem anderen Ergebnis. Die Fragen des Tagesspiegels bezögen sich „nicht auf tatsächlich vorhandene, amtliche Informationen“, zu denen das Bundeskanzleramt auskunftspflichtig wäre.

Parallel zu dem Verfahren des Tagesspiegels wies das OVG im Zusammenhang mit der Cum-ex-Affäre auch eine Eilklage der „Welt“ gegen das Bundesfinanzministerium ab. Die Zeitung wollte erfahren, wann E-Mail-Postfächer in der Amtszeit von Olaf Scholz im Ministerium gelöscht wurden. Nach Ansicht des Gerichts sind auch diese Informationen nicht „tatsächlich vorhanden“.

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