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 Eine Polizistin bewacht eine Synagoge in Düsseldorf.

© imago images/Michael Gstettenbauer

„Jüdische Kindergärten sind halb voll“ : Der bange Blick Deutscher Juden nach Nahost

Der Hamas-Überfall auf Israel ist auch für deutsche Juden eine Zäsur. Wie geht es der jüdischen Community in der Bundesrepublik seit Sonnabend? Ein Stimmungsbild.

Es ist ein Routinetermin, der zum Krisengipfel wurde. Am Montagabend lud die Amadeu Antonio Stiftung zum Auftakt der 20. Aktionswochen gegen Antisemitismus nach Berlin. Geplant war die Vorstellung einer bundesweiten Plakatkampagne sowie ein runder Tisch mit dem „Who is who“ der deutschen Antisemitismusbekämpfung.

Doch statt wie ursprünglich geplant über die Bekämpfung von alltäglichem Antisemitismus zu sprechen, trafen sich die Vertreter verschiedener jüdischer Verbände, Initiativen und Organisationen, um sich über die Konsequenzen des terroristischen Überfalls der Hamas auf Israel auszutauschen.

Im Schatten der Ereignisse von Sonnabend wurde aus dem runden Tisch kurzerhand eine Plattform, in der die Gäste der Veranstaltung ihre Sorgen, Ängste und Befürchtungen miteinander teilten und sich dabei gleichzeitig gegenseitig Mut zusprachen.

„Die Gräueltaten der Hamas sind kaum in Worte zu fassen“, sagte Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, zum Auftakt in seinem Grußwort. Die Situation von Juden und Jüdinnen in Deutschland betreffend habe man, und dies sei „traurige Realität“, auch gelernt.

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.

© picture alliance/dpa / dpa/Nicolas Armer

Deutsche Juden haben sich an Zustände gewöhnt, an die man sich niemals gewöhnen darf, berichtete Schuster und bezog sich damit auch auf palästinensische Jubelfeiern des Hamas-Terorrismus in Berlin-Neukölln.

Wie groß die Angst deutscher Juden auch hierzulande ist, verdeutlichte im Anschluss auch der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein.

Wenn der Sohn den Innenbereich des Kindergartens nicht verlassen darf

Demnach seien am Montag zahlreiche jüdische Kindergärten in Deutschland zur Hälfe leer geblieben – aus Sorge der Eltern vor möglichen Attacken. Die Aussage deckt sich mit Informationen des Tagesspiegels. So schrieb der Chefredakteur der Jüdischen Allgemeinen, Philipp Peyman Engel, auf „X“, dass sein zweijähriger Sohn den ganzen Tag nicht den Innenbereich der jüdischen Kita verlassen durfte – aus Sicherheitsgründen.

Marina Chernivsky, Geschäftsführerin der Beratungsstelle OFEK e.V., die sich auf antisemitische Gewalt spezialisiert hat, berichtete von Eltern, deren Kinder seit Sonnabend Angst haben, „erschossen zu werden“.

Vorbereitung auf Anfragen-Ansturm

Der Verein bereite sich auf einen erhöhten Ansturm von Anfragen vor. „Wir sind im Notfallmodus“, schilderte Chernivsky.

Auch andere Anlaufstellen befürchten einen starken Anstieg von antisemitischen Vorfällen in den kommenden Tagen. Daniel Posensgen von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) erklärte, dass sich die Auswirkungen des Nahostkonflikts bereits in der Vergangenheit stets in Deutschland gespiegelt haben und deutsche Juden von antisemitischen Attacken betroffen waren. Nicht alle davon seien strafrechtlich relevant.

So sei während des Gaza-Krieges 2014 beispielsweise einer jüdischen Patientin von ihrem Zahnarzt mitgeteilt worden, die Juden würden angeblich „Politik mit dem Holocaust“ machen. Damit müsse Schluss sein. Ebenfalls 2014 berichtete eine jüdische Mutter von einem Elternabend, bei dem andere Eltern das „Gerede über den Holocaust“ beenden wollten. Ähnliche Fälle befürchtet RIAS in den kommenden Tagen.

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