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Der abgewählte brasilianische Präsident Bolsonaro spricht im Palacio da Alvorada.

© Eraldo Peres/AP/dpa

Kein klares Eingeständnis der Niederlage: Bolsonaro meldet sich kryptisch zu Wort

Nach zweitägigem Schweigen erklärt der abgewählte Staatschef Brasiliens, er wolle „die Verfassung respektieren“. Dem Wahlsieger Lula gratuliert er nicht.

Auch zwei Tage nach der Präsidentenwahl in Brasilien hat der rechte Staatschef Jair Bolsonaro seine Niederlage noch immer nicht ausdrücklich anerkannt. „Ich möchte mich bei den 58 Millionen Brasilianern bedanken, die mich am 30. Oktober gewählt haben“, sagte Bolsonaro am Dienstag (Ortszeit) in einer kurzen Erklärung in seiner Residenz in Brasília. „Als Präsident und Bürger werde ich die Verfassung weiter respektieren.“

Sein Stabschef Ciro Nogueira sagte im Anschluss, der Präsident habe die Übergabe der Amtsgeschäfte an Wahlsieger Luiz Inácio Lula da Silva „autorisiert“. Die Machtübergabe ist allerdings ohnehin gesetzlich geregelt, einer Zustimmung der scheidenden Regierung bedarf es nicht.

Die Justiz des größten Landes Lateinamerikas wertete dies offenbar als ein Eingeständnis der Niederlage. „Die Richter bekräftigen die offiziellen Mitteilung, in der die Bedeutung der Anerkennung des endgültigen Wahlergebnisses durch den Präsidenten der Republik mit der Entschlossenheit, den Übergangsprozess einzuleiten, hervorgehoben wurde“, hieß es am Dienstag in einer Mitteilung des Obersten Gerichtshofs nach einem Treffen mit Bolsonaro. „Er sagte, es sei vorbei. Schauen wir also nach vorne“, sagte der Richter Luiz Edson Fachin im Fernsehsender Globo.

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Auf der Arbeitsebene wurden ohnehin schon Kanäle für die Vorbereitung des Machtwechsels gelegt. Medienberichten zufolge sprach Kabinettschef Nogueira bereits mit Lulas Kommunikationschef Edinho Silva. Zudem telefonierte Lulas künftiger Vize-Präsident Geraldo Alckmin mit Bolsonaros Stellvertreter Hamilton Mourão. Der Amtsantritt Lulas ist für den 1. Januar 2023 geplant.

Lula hatte bei der Stichwahl am Sonntag 50,9 Prozent der Stimmen erhalten, Bolsonaro kam auf 49,1 Prozent. Der nun abgewählte Präsident hatte bereits vor der Abstimmung immer wieder Zweifel am Wahlsystem geäußert und angedeutet, das Ergebnis möglicherweise nicht anzuerkennen.

Beobachter befürchteten gewalttätige Proteste seiner zum Teil bewaffneten Anhänger, sollte Bolsonaro das Wahlergebnis anzweifeln und von Manipulation sprechen.

Verständnis für Demonstrationen gegen Wahlausgang geäußert

Auch in seiner rund zweiminütigen Ansprache streute Bolsonaro wieder Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abstimmung und äußerte Verständnis für seine Anhänger, die in den vergangenen Tagen zahlreiche Fernstraßen im ganzen Land blockierten. „Die aktuellen Demonstrationen sind das Ergebnis von Empörung und einem Gefühl der Ungerechtigkeit über die Art und Weise, wie der Wahlprozess durchgeführt wurde“, sagte Bolsonaro bei seinem ersten öffentlichen Auftritt seit Bekanntgabe des Wahlergebnisses. „Friedliche Demonstrationen werden immer willkommen sein“, die Bewegungsfreiheit dürfe aber nicht eingeschränkt werden, sagte er.

Damit richtete er sich wohl vor allem an seine radikalen Anhänger, die gleich nach Lulas Wahlsieg von Manipulation sprachen und die ein Eingeständnis der Niederlage wohl nicht goutiert hätten. Andererseits machten seine Berater dem Staatschef bei langen Gesprächen in den vergangenen Tagen offenbar klar, dass es kaum Erfolg hätte, das Wahlergebnis in Frage zu stellen.

Viele seiner Verbündeten, darunter der mächtige Parlamentspräsident Artur Lira, erkannten Bolsonaros Niederlage bereits an. Auch zahlreiche Regierungen im Ausland sahen den Wahlausgang schon als Tatsache an: Fast 90 Regierungen gratulierten Lula zu seinem Wahlsieg, wie das Nachrichtenportal UOL berichtete.

Der Präsident des Obersten Wahlgerichts, Alexandre de Moraes, hatte sowohl Lula als auch Bolsonaro bereits in der Wahlnacht telefonisch über das Ergebnis informiert. „Das Ergebnis wurde verkündet und akzeptiert“, sagte Moraes. Die Beobachtermission der Interamerikanischen Union der Wahlbehörden nannte die Wahlen frei, fair und transparent und fand keine Hinweise auf Manipulation.

Massive Polizeieinsätze gegen Proteste

Die Unterstützer des rechten Staatschef wollten das allerdings nicht hinnehmen und trugen den Protest auf die Straße. Die Behörden gingen deshalb verstärkt gegen die Straßensperren vor. Der stellvertretende Chef der Bundesverkehrspolizei (PRF), Marco Antonio Territo de Barros, sagte bei einer Pressekonferenz in der Hauptstadt Brasília am Dienstag, es gebe noch 267 Straßensperren im Land. Demnach wurden seit Sonntag bereits mehr als 200 solcher Blockaden aufgelöst.

Vor allem Fernfahrer blockierten aus Protest gegen Bolsonaros Wahlniederlage landesweit Straßen, wie hier in São Paulo.

© CAIO GUATELLI/AFP

Aus Protest gegen den Sieg Lulas bei der Stichwahl am Sonntag errichten Anhänger Bolsonaros laut PRF in mindestens 23 der 27 brasilianischen Bundesstaaten Straßensperren. Barros sprach von einem „komplexen Einsatz“, der ein Netzwerk von mehr als 75.000 Kilometern Bundesstraßen umfasse. Die PRF habe die Unterstützung der Bundespolizei und anderer Polizeieinheiten angefordert, hieß es. Die Fernstraßen sind für die Versorgung des Landes essenziell, der Großteil der Güter wird in Brasilien per Lkw transportiert.

Ein Richter des Obersten Gerichtshofs hatte am Montagabend die „sofortige Beendigung der Blockade der öffentlichen Autobahnen und Straßen“ angeordnet und die Bundesverkehrspolizei aufgefordert, alle dazu notwendigen Schritte zu ergreifen.

Die Polizei ging mancherorts massiv gegen die Demonstrierenden vor.

© CAIO GUATELLI/AFP

Teilweise ging die Polizei mit Tränengas gegen die Demonstranten vor. „Die Wahlen sind vorbei, wir leben in einem demokratischen Land. Keine Demonstration wird die brasilianische Demokratie zum Rückzug zwingen“, sagte der Gouverneur von São Paulo, Rodrigo Garcia.

Bolsonaro-Anhänger rufen zur „größten Mobilisierung der Geschichte“ auf

In der Stadt Novo Hamburgo nahe der südlich gelegenen Stadt Porto Alegre setzte die Polizei Tränengas zur Auflösung von Protesten ein, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete. „Nein zu Lula!“, skandierten Demonstranten an einer Brücke in São Paulo. Dort wurden gleich mehrere Straßen blockiert, darunter eine große Verbindungsstraße, die nach Rio de Janeiro führt.

Am Montagabend sorgte die Blockade von Straßen rund um den Guarulhos-Flughafen in São Paulo, den größten internationalen Flughafen des Landes, für die Streichung mehrerer Flüge. Am Dienstagnachmittag hatte die Polizei die Zufahrtsstraße wieder geräumt. Besonders viele Straßensperren wurden aus dem südlichen Bundesstaat Santa Catarina gemeldet, in dem fast 70 Prozent der Wähler für Bolsonaro gestimmt hatten.

In der Hauptstadt Brasília beschränkte die Polizei den Zugang zur Praça dos Três Poderes (Platz der drei Gewalten). An dem Platz befinden sich der Sitz des Präsidenten, das Parlament und Brasiliens Oberster Gerichtshof. Die Einschränkungen seien eine Vorsichtsmaßnahme angesichts von Protestaufrufen im Internet, hieß es.

Bei Twitter und Telegram warben Bolsonaro-Anhänger für die Unterstützung der Proteste. In São Paulo etwa wurde für Mittwoch zur „größten Mobilisierung der Geschichte“ auf der zentralen Avenida Paulista aufgerufen. Lula betraute derweil seinen designierten Vize-Präsidenten Geraldo Alckmin mit dem zweimonatigen Übergabeprozess bis zur Amtsübernahme am 1. Januar. Der Prozess solle am Donnerstag beginnen, sagte die Parteivorsitzende von Lulas Arbeiterpartei (PT), Gleisi Hoffmann. (dpa, AFP)

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