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Auch Jugendliche brauchen Bewegung in Corona-Zeiten. Übergewicht wird zu einem Masenphänomen.

© IMAGO

Kollateralschäden der Corona-Pandemie: Kinder werden dick, Ältere werden einsam

Warum Jugendlichen der Vereinssport verboten wird, ist ein Rätsel. Aber alle könnten sich draußen bewegen, wenn sie die Bequemlichkeit überwinden. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Werner van Bebber

Es gehörte keine hellseherische Fähigkeit zu der Voraussage, dass die Corona-Pandemie auch gesundheitliche Kollateralschäden verursachen würde. Jetzt ist die Corona-Plauze sozusagen Umfragen-amtlich: Gut ein Viertel aller Eltern und immerhin neun Prozent der Kinder unter zehn haben während des ersten Lockdowns zugenommen.

Ernährungswissenschaftler halten das für eine beunruhigende Entwicklung. Und nichts deutet daraufhin, dass sich daran im zweiten Lockdown etwas ändert. Diese Pandemie hat Langstreckenwirkung, sie macht ältere Menschen einsam und jüngere dicker. Das sind Nebenwirkungen, die das Zeug haben, das Gesundheitssystem zu überfordern.

Drei Trends zeichnen sich der Studie des Münchner „Zentrums für Ernährungsmedizin“ bei Kindern und Jugendlichen ab: Rund die Hälfte der Zehn- bis 14-jährigen bewegen sich weniger. Viele ältere Kinder essen mehr Süßigkeiten und mehr salziges Knabberzeug und spülen alles mit mehr Softdrinks hinunter. Diese Trends werden allenfalls Zahnärzte zuversichtlich stimmen.

Eltern, Kinderärzte und allerlei Fachleute haben guten Grund zur Sorge. Denn Kilos, die man sich in jungen Jahren anfuttert, wird man schwer wieder los. Dazu kommt erschwerend die Angewohnheit, beim Daddeln am Computer oder an anderen Bildschirmen zu essen, im Sitzen also. Auch dadurch wird der Impuls, sich zu bewegen, was bei kleineren Kindern noch Ausdruck von Lebensfreude ist, regelrecht abtrainiert. Corona wird, auch dazu muss man kein Hellseher sein, viele junge Menschen zu Patienten diverser Fachärzte machen.

Auch im Homeoffice breitet sich eine fatale Bequemlichkeit aus

Mehr als die Hälfte der Deutschen seien übergewichtig, schrieb das Ärzteblatt im vergangenen Jahr. Zumindest bei Kindern und Jugendlichen könnten Eltern im Verbund mit Lehrern und der Politik etwas daran ändern. Wäre da nicht diese fatale Bequemlichkeit, die immer beherrschender wird, je mehr man sich ihr hingibt. Die Arbeit im Homeoffice fördert das genauso.

Und es kostet in der Tat enorme Kraft, Kindern im täglichen Kleinkrieg vom Daddeln über die Gummibärchen bis zum Fernsehen immer bloß zu sagen, was nicht geht. Da braucht man selbst in Mengen sogenannte Nervennahrung.

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Ist es da eine unzulässige Erwartung an die Politik, dass sie bei aller Fixierung auf tägliche Infizierten-Zahlen und zu erwartende Firmenpleiten die gesundheitlichen Kollateralschäden mitbedenkt? Die Supermärkte werden im Vorweihnachtsgeschäft mit Spekulatius, Zimtsternen und in Armeestärke bereitstehenden Schokoladenweihnachtsmännern nicht leiden, anders als Fitness-Studios und Sportvereine.

Warum allein die Kinder bis zwölf Jahre im neuen Lockdown im Kollektiv Sport machen dürfen, die Jugendlichen aber nicht, entzieht sich jeder Begründung. Haben sich Boxstudios, Handball- oder Schwimmvereine in den vergangenen Monaten als Virenschleudern erwiesen?

Das wäre eine Neuigkeit - genauso wie die Lockerung eines Unterrichtsbetriebs, in dem es vor allem um Lüftungsfrequenzen von Klassenräumen geht - und gewiss auch bald über die Infektionsrisiken in Räumen, die ungeeigneter Weise mittags für das Umsonst-Essen herhalten müssen, doch es liegt an den Menschen selbst, ob sie daraus eine Begründung für ihr persönliches Stubenhocken machen. Draußen sein, sich bewegen: Das ist weiter möglich, ob mit Kindern oder ohne, gerade in einer Stadt wie Berlin mit ihren vielen Parks.

Und was die Älteren angeht: Noch sind es vor allem echte Sportfreaks, die Parks und Grünflächen als Workout-Areale nutzen. Dabei wäre es eigentlich eine passende Antwort auf das Coronavirus, das sich bekanntlich von China aus verbreitet hat, wenn sich hierzulande Ältere wie dort üblich in den Parks zum Tai Chi treffen würden. Wenn nicht für Tai Chi, die traditionelle chinesische Kampfkunst, dann zum Seniorensport oder für Liegestützen und Kniebeugen. Das geht schließlich auch mit Abstand.

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