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Die Linken-Vorsitzende Janine Wissler in Lützerath

© dpa/Henning Kaiser

Klimaschutz und „Friedenspartei“: Wie die Linke aus der Krise kommen will

Für die Linkspartei geht es um die Existenz. Sie will sich als „sozial-ökologische Partei“ profilieren. Hinter den Kulissen wird mit Wagenknecht verhandelt.

Eigentlich möchte Dietmar Bartsch nicht mehr auf Sahra Wagenknecht angesprochen werden. „Es ist doch alles gesagt“, betonte der Linken-Fraktionschef nach der Klausurtagung seiner Fraktion zum Jahresauftakt in Leipzig. Nicht wenige in der Partei sind genervt davon, dass die Linke seit Monaten hauptsächlich damit Schlagzeilen macht, dass die umstrittene Abgeordnete mit der Gründung einer eigenen Partei kokettiert. Wagenknecht hat bisher offengelassen, ob sie ein Konkurrenzprojekt aufmacht. Es heißt, sie habe sich noch nicht entschieden.

Mittlerweile gilt es bei der Linken schon fast als Erfolg, wenn Wagenknecht eine Zeit lang nicht mit Andeutungen über eine neue Partei auffällt. „Sie hat seit Wochen dazu keinen Ton gesagt“, betonte Bartsch in Leipzig. Wagenknecht selbst war nicht zum Treffen der Abgeordneten angereist, sondern schaltete sich teilweise per Video dazu. Sie habe einen Termin gehabt, sagte Bartsch.

Während sich die Fraktionsmitglieder nach ihrer Klausurtagung auf dem Heimweg machten, wurde bekannt, dass das Lager um Wagenknecht an einem Fahrplan für eine mögliche Parteigründung arbeitet. Ende Mai oder Anfang Juni solle es eine Konferenz zum Thema geben, berichtete der „Spiegel“. Derweil arbeite Gregor Gysi weiter an einem „Papier zur Versöhnung“ zwischen Wagenknecht einerseits sowie Partei- und Fraktionsführung andererseits. Eine Einigung in diesen Gesprächen gab es bisher nicht.

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht

© dpa/Michael Kappeler

Für die im Bundestag vertretenen Parteien ist der Jahresauftakt ein erprobtes Ritual. Fraktion und Führungsgremien bereiten sich auf das neue Jahr vor, besprechen Themenschwerpunkte und Strategien. Doch die Linke ist in einer besonderen Situation: Für sie geht es in diesem Jahr um die Existenz als bundesweit relevante Partei.

Wahl in Hessen gilt als entscheidend

In den Landtagswahlen in Berlin und Bremen will sie sich nicht nur behaupten, sondern ihre Regierungsbeteiligung sichern. In Hessen, dem einzigen westdeutschen Flächenland, in dem die Partei im Landtag vertreten ist, droht sie unter die Fünf-Prozent-Hürde zu rutschen. Das, so fürchten einige Linke, könnte die Fliehkräfte innerhalb der Partei verstärken.

Die Fraktion hat sich für dieses Jahr vorgenommen, ihre Rolle als „soziale Opposition“ auszugestalten und „wirksamer in die Öffentlichkeit zu tragen“, wie Bartsch berichtete. Mit der Friedenspolitik setzt die Fraktion auf ein weiteres linkes Kernthema. „Wir erwarten von Scholz und Baerbock, eine europäische Friedensinitiative vorzulegen“, heißt es in einem vom Fraktionsvorstand beschlossenen Papier mit Blick auf Russlands Krieg gegen die Ukraine. Die Bundesregierung müsse aufhören, „mit Waffenlieferungen weiter Öl ins Feuer zu gießen“.

Wir brauchen eine Wirtschaftswende, die die Krisen an den Ursachen packt.

Linken-Vorsitzende Janine Wissler

Die Parteivorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan wollen in diesem Jahr einen Schwerpunkt auf die Wirtschaftspolitik legen. Dabei geht es ihnen nicht nur um traditionelle linke Forderungen wie eine Vermögenssteuer, eine Übergewinnsteuer und eine Vermögensabgabe. „Wir brauchen eine Wirtschaftswende, die die Krisen an den Ursachen packt“, sagte Wissler dem Tagesspiegel. Bisher sei von der Ampel „reine Symptombekämpfung“ gekommen. Die Linke gehe für eine neue Wirtschaftspolitik „in die Offensive“, betonte Schirdewan.

Die Linken-Führung fordert in einem am Sonnabend vorgelegten Grundsatzpapier zur Wirtschaftspolitik massive Investitionen in den „ökologischen Umbau der Industrie“. Mehr als 20 Milliarden Euro sollten demnach für diese Transformation im Jahr ausgegeben werden. Die Linke solle zugleich „politischer Partner der Klimabewegung“ sein, fordern die beiden Parteivorsitzenden. „Wir wollen unser Profil als sozial-ökologische Partei schärfen“, heißt es in dem Papier. Während aus der Klimabewegung massive Kritik an den Grünen laut wird, sucht die Linke den Schulterschluss mit den Aktivistinnen und Aktivisten.

In der Parteiführung gilt diese Position schon länger als vergleichsweise unstrittig. Doch auch die Bundestagsfraktion, in der gerade die Wagenknecht-Anhänger wenig mit dem Thema Klimaschutz anfangen können, solidarisierte sich nun demonstrativ mit den Protesten im Dorf Lützerath, das dem Braunkohleabbau weichen soll. Bartsch betonte, die gesamte Fraktion habe auf der Klausurtagung eine entsprechende Erklärung verabschiedet.

Wissler und die nordrhein-westfälische Landeschefin Kathrin Vogler waren in dieser Woche in Lützerath, um die Proteste zu unterstützen. Gysi verteidigte in seinem Nebenjob als Anwalt einen Aktivisten der „Letzten Generation“. Klimaschutz gehe nur sozial und nicht auf Kosten der Beschäftigten, heißt es im Beschluss der Fraktion. Mit der Betonung des Klimaschutzthemas durch Partei und Fraktion dürfte der Graben zur parteiinternen Minderheit des Wagenknecht-Lagers eher noch größer werden.

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