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Innenministerin Nancy Faeser (SPD) vor einer Verhandlungsrunde in Brüssel – nächste Woche gehen die Gespräche über ein neues EU-Asylsystem in Luxemburg weiter.

© picture alliance/dpa/AP/Virginia Mayo

Kritik am geplanten EU-Asylsystem: Berlin will Grenzverfahren nur noch für Erwachsene

Die Kritik an der geplanten EU-Asylreform reißt nicht ab. Nun will die Bundesregierung Kinder und Jugendliche vom Grenzverfahren ausnehmen.

Die Ampelkoalition reagiert auf die anhaltende Kritik an Asylverfahren bereits an der EU-Außengrenze und geht mit der Forderung nach einer Ausnahme für Kinder, Jugendliche und deren Familien in die entscheidenden europäischen Beratungen. „Die Bundesregierung hat sich auf eine gemeinsame Position verständigt, mit der sie in den Verhandlungen auf EU-Ebene auftritt“, hieß es am Sonnabend aus Regierungskreisen gegenüber dem Tagesspiegel.

Es gelte zwar, „auf europäischer Ebene Migration nachhaltig zu ordnen und zu steuern sowie die irreguläre Migration zu begrenzen“, teilte ein Sprecher des federführenden Bundesinnenministeriums von Nancy Faeser (SPD) mit. Er fügte jedoch hinzu: „Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, Kinder und Jugendliche sowie Familien mit Kindern von den Grenzverfahren auszunehmen.“

Forderung nach Ausnahmen geht auch auf Grüne zurück

Auf diese stärkere humanitäre Ausrichtung hatten vor allem die Grünen gedrängt, deren Ministerinnen Annalena Baerbock und Lisa Paus sich am Sonnabend ebenfalls äußerten.  Beide stellten das umstrittene Grenzverfahren, über das beim EU-Innenministerrat am Donnerstag in Luxemburg verhandelt wird, nicht mehr generell infrage, da es viele Länder an Tisch geholt habe, die eine Reform der europäischen Asylregeln bisher blockiert hätten.

Es müsse jedoch sichergestellt werden, so Außenministerin Baerbock gegenüber der Funke Mediengruppe, „dass niemand länger als einige Wochen im Grenzverfahren stecken bleibt, dass Familien mit Kindern nicht ins Grenzverfahren kommen, dass das Recht auf Asyl im Kern nicht ausgehöhlt wird“.

Parallel haben am Sonnabend zahlreiche Prominente und Künstler in einem Offenen Brief, initiiert von der Organisation „Leavenoonebehind“, die Asylpolitik der Bundesregierung kritisiert.

Während in deren Koalitionsvertrag noch von besseren Standards in den Asylverfahren der EU-Staaten die Rede gewesen sei, setze sie sich nun „dafür ein, dass viele Menschen an den Außengrenzen eingesperrt werden und in Schnellverfahren schlechtere Standards bekommen“, kritisieren die Unterzeichner. Zu ihnen gehören unter anderem Sänger Herbert Grönemeyer, Schriftstellerin Sibylle Berg, Schauspielerin Katja Riemann und die Band Kraftklub.

FDP pocht nicht auf Ausnahmen

Im ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission sollen nur Kinder unter zwölf Jahren ausgenommen sein, die Grünen erwarten nun von Faeser, die Erweiterung auf unter 18 Jahren zu vertreten. Den Liberalen ist dieser Punkt trotz der ursprünglichen regierungsinternen Einigung nicht so wichtig.

„Eine menschenwürdige Versorgung aller Flüchtlinge und eine effiziente Durchführung der Asylverfahren an den EU-Außengrenzen muss gewährleistet und sichergestellt sein“, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai dem Tagesspiegel: „Wenn diese Regeln gelten, dann braucht es auch keine Debatte zu möglichen Ausnahmen, die eine Einigung in Europa wieder nur gefährden würden.“ Eine Verständigung sei möglicherweise gerade „so nah wie noch nie“.

Die Union hat kein Verständnis dafür, dass die Bundesregierung den Ursprungsvorschlag „an verschiedenen Stellen weiter aufzuweichen“ versuche, wie Thorsten Frei (CDU) als Parlamentsgeschäftsführer ihrer Bundestagsfraktion dem Tagesspiegel sagte: „Wenn man Familien von den Verfahren an den Außengrenzen ausnimmt, schwächt das den Ansatz“. Auf deren Bedürfnisse müsse und könne in den Verfahren selbst Rücksicht genommen werden.

Frei sprach sich auch gegen den Vorschlag von CSU-Vize Manfred Weber aus, der eine Neuauflage des europäischen Hilfseinsatzes Sophia im Mittelmeer gefordert hat.

„Die Wiederaufnahme der staatlichen Seenotrettung würde das falsche Signal setzen“, so der CDU-Politiker: „Je mehr Schiffe im Mittelmeer zur Rettung unterwegs sind, desto mehr Menschen machen sich mit seeuntauglichen Booten auf den gefährlichen Weg und bringen sich in Lebensgefahr.“ In den Phasen erhöhter staatlicher Präsenz der Jahre 2015 bis 2019 seien zugleich die höchsten Todeszahlen zu beklagen gewesen.

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