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Geschafft: Giorgia Meloni nach dem Ende des entscheidenden Treffens mit dem Staatspräsidenten.

© Quirinal Press/Francesco Amendola

Update

Melonis Kabinett in Rom steht: Die rechteste Regierung seit Mussolini

Giorgia Meloni ist als neue Ministerpräsidentin Italiens vereidigt worden. Ihr Kabinett setzt Signale nach weit rechts. Aus dem Ausland kommen Reaktionen.

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Am Ende ging alles ganz schnell: Ganze sieben Minuten brauchte Staatspräsident Sergio Mattarella am Freitagvormittag für sein Gespräch mit der Frau, der er am Samstagmorgen den Eid auf die Verfassung abnahm. Es sei eben alles „einigermaßen klar“ gewesen, kommentierte Giorgia Meloni ihren Blitzbesuch auf dem Quirinialshügel, dem Sitz der Staatspräsidenten. Am frühen Freitagabend erhielt sie den Auftrag, eine Regierung zu bilden.

Am Samstag dann traten sie und ihre 24 Ministerinnen und Minister - exakt ein Viertel sind Frauen - vor den Staatspräsidenten und schworen eine nach dem andern, „treu zur Republik zu stehen, die Verfassung und die Gesetze getreu zu beachten und mein Amt im ausschließlichen Interesse der Nation zu führen“. Seit Melonis überzeugenden Ergebnis bei der Wahl am 25. September - ihre postfaschistischen „Fratelli d’Italia“ wurden mit 26 Prozent stärkste Partei - war im In- und Ausland von der rechtesten Regierung Italiens seit Mussolini die Rede.

So klar, wie Meloni das am Vortag geschildert hatte, war allerdings bis zum Schluss nichts: Der kleinere ihrer beiden Bündnispartner - genaugenommen gehört auch eine vierte, die Kleinstpartei „Wir Gemäßigten“ dazu - hatte quasi bis zur letzten Minute Steine auf Melonis Weg zum Quirinalspalast gehäuft. Damit setzte Silvio Berlusconi ein doppeltes Signal: dass das Rechtsbündnis noch vor dem Start wackle und dass der ein oder andere mehr als nur etwas Verständnis für Wladimir Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine habe.

Gratulation aus Europa - und den USA

Nach ihrer Vereidigung und der ihrer 24 Ministerinnen und Minister schrieb Meloni im Onlinedienst Twitter: „Nun an die Arbeit.“ US-Präsident Joe Biden gratulierte Meloni am Samstag und bezeichnete Italien in einer Erklärung als einen „wichtigen Nato-Verbündeten und einen engen Partner“.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte, sie freue sich auf eine „konstruktive Zusammenarbeit“ mit der neuen Regierung in Rom. Auch EU-Ratspräsident Charles Michel rief zur Kooperation auf: „Lassen Sie uns zum Wohle Italiens und der EU zusammenarbeiten.“

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Begeisterte Glückwünsche kamen aus dem Lager der Rechtspopulisten. „Ein großer Tag für die europäische Rechte“, schrieb der ungarische Regierungschef Viktor Orban auf Twitter. „Überall in Europa kommen die Patrioten an die Macht und mit ihnen das Europa der Nationen, das wir uns wünschen“, erklärte die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen.

Putin als „Freund des Friedens“

Noch kurz vor der Verabredung bei Mattarella konnte der „Corriere della Sera“ aus dem Brief zitieren, den der Patriarch und Parteichef der „Forza Italia“ als Dank für Putins „reizende“ Geburtstagsglückwünsche und 20 Flaschen Wodka nach Moskau geschickt hatte und aus dem Russlands Staatsmedien zitierten - „ein Freund des Friedens“ sei der Mann im Kreml, soll es darin unter anderem geheißen haben.

Am Ende hatten überwogen wohl Melonis stets wiederholte, eindeutige Treueschwüre Richtung Europa und Nato und ihr ebenso klares Bekenntnis zur angegriffenen Ukraine. Ja, man sei diesmal schnell gewesen, kommentierte Mattarella, und gab zu erkennen, dass er damit auch ein Zeichen Richtung Ausland setzen wollte. Der neuen Regierung wünsche er „buon lavoro“, viel Erfolg.

Doch die stand auch noch nicht, bis zum Schluss verhandelten die drei rechten Parteien um die Posten. So kam’s, dass die Minister für öffentliche Verwaltung und Umwelt sich schon stolz als solche der Öffentlichkeit präsentierten - um dann zu erfahren, dass sie die Plätze tauschen müssten.

Salvini wird wieder zuständig für die Küsten

Melonis Kabinett, für das sie - sehr zum Ärger von Berlusconi wie Matteo Salvinis Lega - ursprünglich einen starken Akzent auf Fachleute angekündigt hatte, ist nun doch weitgehend mit Köpfen aus der Politik besetzt. Die „Techniker“ sind fünf der 24 Minister. Statt eines gemäßigten Konservatismus, den Meloni im Wahlkampf sich oft zuschrieb, versprechen sowohl Aufgabenzuschnitt der Ministerien wie auch die Ressortchefs eine deutlich nach rechts verschobene Regierung.

So konnte zwar Matteo Salvini tatsächlich nicht wieder, wie gewünscht, ins Innenministerium einziehen. Sein neues Haus, das Ministerium für Infrastruktur, hat allerdings die Zuständigkeit für die Küstenwache zugeschlagen bekommen, womit Salvini sein Werk von 2018 und 2019 als Innenminister fortsetzen kann: Hafenblockaden gegen Seenotrettungsschiffe und einen Dauerplatz in den Nachrichten mit Reden gegen Migration im allgemeinen und Migrant:innen im besonderen.

Silvio Berlusconi durfte den Platz nicht besetzen, den er angesichts weiter laufender Korruptionsprozesse am dringendsten brauchte, das Justizministerium. Dort nimmt der frühere Richter Carlo Nordio Platz, Melonis Favorit. Dafür bekam Berlusconis Parteikoordinator, der frühere EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani, das Außenministerium - was wegen der Wodka-Connection des Chefs eine Zeitlang infrage stand.

Eine Ministerin für die Geburtenrate

Seine Favoritin für die Justiz hat das Reformministerium zugeteilt bekommen: Maria Elisabetta Alberti Casellati war in der vergangenen Legislaturperiode Präsidentin des Senats der zweiten Parlamentskammer. Sie steht im Kabinett für die Richtung, in die schon die Wahl des Lega-Manns Lorenzo Fontana an die Spitze des Abgeordnetenhauses zeigte. Auch sie ist Abtreibungsgegnerin und entschieden gegen die Gleichstellung von LGBTIQ* etwa was das Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Paare angeht.

Elisabetta Casellati schüttelt Meloni bei der Vereidiungszeremonie die Hand

© Foto: Reuters/Italian Presidency

Zeichen setzen auch die neuen Aufgaben mancher Ministerien. Das Ministerium für Familie führt, noch vor „Gleichstellung“ jetzt auch die identitätspolitische Zuständigkeit für „Geburtenrate“ im Titel. Hausherrin wird Eugenia Roccelli, eine Ex-Feministin, die heute den rechtskatholischen Flügel der Fratelli verstärkt. Die Landwirtschaft - sie geht an Melonis Schwager und langjährigen politischen Weggefährten Francesco Lollobrigida - heißt jetzt „Ministerium für Landwirtschaft und Ernährungssouveränität“.

Der Finanzminister ist ihre Garantie für Brüssel

Aus dem Umweltministerium, das unter der Vorgängerregierung von Mario Draghi anderthalb Jahre lang eines „für ökologischen Wandel“ war, ist jetzt das „für Umwelt und Energiesicherheit“ geworden.

„Il Mef“, wie Italien das Ministerium für Wirtschaft und Finanzen abkürzt, der Schlüsselposten im Kabinett, geht an Giancarlo Giorgetti, einen Altgedienten aus Salvinis Lega, der dem Parteivorsitzenden allerdings erst einmal gar nicht schmeckte. Es war Meloni, die den studierten Ökonomen Giorgetti wollte, seine Erfahrung in früheren Regierungen - unter Draghi war er für wirtschaftliche Entwicklung zuständig.

Giorgetti gilt auch als geschickter Brückenbauer, er war lange für die Kontakte zu anderen Parteien zuständig und gilt als gut vernetzt in der Industrie und der Finanzbranche. Die neue Ministerpräsidentin braucht ihn auch als Garantie nach Brüssel an diesem Platz.

Für Sonntag ist die Amtsübergabe zwischen Meloni und dem bisherigen Regierungschef Draghi geplant. Sie findet um 10.30 Uhr im Palazzo Chigi statt, dem Regierungssitz in der Nähe des Parlaments. Anschließend folgt die erste Kabinettssitzung. (mit AFP)

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