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Kein Bild aus glücklichen Tagen: Die Risse im Rechtsbündnis sind schon länger deutlich geworden. Zwischen Giorgia Meloni und ihren Partnern Silvio Berlusconi und Matteo Salvini (links, hier auf einer Wahlkampfveranstaltung letzte Woche) knirscht es politisch wie persönlich.

© Foto: Imago/Riccardo Fabi

Wie es in Italien weitergeht: Die neue starke Frau schweigt – und greift durch

Die mutmaßlich künftige Regierungschefin Meloni arbeitet an einem Image der Mitte. Erste Opfer scheinen ihre Partner Berlusconi und Salvini zu sein.

Ein bewährter Rat an Mächtige lautet: Die harten Entscheidungen sofort durchziehen, später wird’s schwierig. Diese Lektion scheint Italiens wahrscheinlich neue Regierungschefin bereits gelernt zu haben: Ausgerechnet vor den Füßen der Chefs der beiden verbündeten Parteien hat Giorgia Meloni erste rote Linien gezogen.

Wie aus ihrem Hauptquartier verlautet wurde, bekommt weder Matteo Salvini, Vorsitzender der Lega, das Innenministerium zurück, noch darf der mehrfache Ex-Premier Silvio Berlusconi (Forza Italia) Parlamentspräsident werden. Für ihn war das schon der Trostpreis, eigentlich hatte er vor einem Jahr noch davon geträumt, Italiens Staatsoberhaupt zu werden.

Die Mahnung der Wahlsiegerin an die Ihren noch in der Wahlnacht – keine Freudenfeiern auf der Straße, keine selbstverliebten Pressekonferenzen – begründete sie Medienberichten nach parteiintern damit, es brauche jetzt „Ernst und verantwortliches Verhalten“. Das war wohl auch auf die beiden Männer gemünzt .

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Salvini machte als Innenminister 2018 bis 2019 weltweit Negativschlagzeilen, als er Italiens Häfen für Seenotretter schloss und dafür später vor Gericht kam. Den zweifelhaften Geschmack von Berlusconis Bemerkungen und politischen Ausfällen kennt die Welt bereits seit den 1990er-Jahren. In den Augen von Meloni dürfte er wenige Tage vor der Wahl den Bogen überspannt haben.

Ein paar Tage lang soll niemand sie sehen

Da sprach Berlusconi, der am Donnerstag 86 wird, in der vielgesehenen Talkshow „Porta a Porta“ wie Wladimir Putin von einer „Spezialoperation“ in der Ukraine statt von Krieg und stellte sich an die Seite des russischen Staatschefs. Der sei ja gezwungen gewesen, den gewählten Präsidenten Selenskij durch „ein paar gute Leute“ zu ersetzen. Meloni und ihre Partei Fratelli d’Italia stehen im Ukraine-Krieg fest im westlichen Lager und sind sogar für Waffenlieferungen.

Öffentlich hält sich Meloni bedeckt, mehr als der Fototermin mit „Danke Italien!“, ein weiterer Dank über Twitter und ein Tweet mit dem Glückwunschzettel ihrer sechsjährigen Tochter Ginevra („Mammina, ich bin so froh, dass du gewonnen hast!“) war von ihr nicht zu hören. Fotograf:innen erwischten sie lediglich, als sie Ginevra in die Schule brachte.

Auch sie war einst „sein Mädchen“: Giorgia Meloni, damals Jugendministerin, mit Premier Silvio Berlusconi während einer Pressekonferenz 2010.

© Foto: imago/Anan Sesa

Dass die ersten vier Tage nach der Wahl der Tochter gehören würden, hatte Meloni schon vor dem Wahltag angekündigt. Offenbar aber arbeitet sie auch im engen Kontakt mit dem scheidenden „Techniker“-Premier Mario Draghi daran, dass die Übergabe der Regierungsgeschäfte möglichst glatt läuft.

„Ich will eine Regierung, die uns keine Probleme macht“

Da könnten, so vermuten Italiens große Medien, öffentliche Auftritte und Pressekonferenzen nur stören, auf denen erneut nach dem Verhältnis ihrer Fratelli d’Italia zum Faschismus gefragt wird oder die Risse im Rechtsbündnis offen zutage treten. Die Partei wurde vor zehn Jahren als Heimat für Faschismus-Nostalgiker:innen gegründet, die Beziehungen zwischen Meloni, Berlusconi und Salvini sind schon länger angespannt.

Beide wollten sie auch als Ministerpräsidentin verhindern – was nach ihrem überzeugenden Ergebnis von 26 Prozent – Lega und FI kommen zusammen nicht einmal auf zwei Drittel dieses Ergebnisses – nicht mehr möglich sein wird. Risse im Bündnis gibt es auch politisch – etwa in der Russlandpolitik.

Dass Meloni bereits zwei No gos formulierte, hat – besonders das in Richtung Salvini – aber auch einen sehr praktischen Grund: Ihre Minister:innenliste – Frauennamen werden bisher nicht gehandelt – muss sie Staatspräsident Sergio Mattarella vorlegen. Nach der italienischen Verfassung bestimmt er, wen er vereidigt und wen nicht. Salvini steht wegen seiner Hafenblockaden vor Gericht, seine „Sicherheitsdekrete“ unterschrieb Mattarella schon seinerzeit unter Protest.

Dass er Nein sagen kann, bewies Mattarella vor fünf Jahren. Da verhinderte er einen sehr europakritischen Kandidaten, den die Lega zum Finanzminister machen wollte. Meloni, deren Regierung sowieso einen Bruch mit fast acht Jahrzehnten antifaschistischem Nachkriegsitalien bedeutet, will sich keine Provokationen leisten.

Und sie muss ihren beruhigenden Worten Richtung Brüssel Taten folgen lassen. Eine Brücke hat ihr, ausgerechnet, Draghi gebaut, gegen den sie als einzige Oppositionsführerin stand: Presseberichten vom Mittwoch zufolge hat er nach einem ersten Gespräch mit der Wahlsiegerin die wichtigsten Verbündeten überzeugt, auf sie sei in der Nato und der Ukrainepolitik Verlass.

Vorbild Angela Merkel?

Die Zeitung „Corriere della Sera“ zitierte am Mittwoch wörtlich aus einem Treffen der Spitzen der FdI. Die Regierung werde „aus Persönlichkeiten von hohem Ansehen bestehen“, so Meloni, sie werde „unangreifbar“ sein. „Ich will, dass wir in Italien wie im Ausland einen guten Eindruck machen. Ich will mit der Regierungsmannschaft keine Probleme bekommen, sie darf keine Urteile und unnötige Konfrontationen auslösen, die wir überhaupt nicht brauchen können.“

Davon hat Meloni womöglich am Dienstagabend bereits Antonio Tajani überzeugen können. Mit ihm, dem ehemaligen Präsidenten des EU-Parlaments und Berlusconis Quasi-Generalsekretär, nicht mit dem Chef selbst, traf sie sich zum Austausch.

Salvini, der anders als der ebenfalls gerupfte PD-Chef Letta seinen Rücktritt nicht anbot, ja nicht einmal Schuldbewusstsein zeigte, musste etwa zeitgleich bei den andern Lega-Spitzen zum Rapport. Er konnte sich, trotz öffentlicher Rücktrittsforderungen aus deren Reihen, noch einmal retten. Am Mittwoch kam es zu einem ersten Treffen mit Meloni, das bereits nach einer Stunde mit einem Komuniqué endete, wie man es von diplomatischen Terminen zwischen nicht befreundeten Staaten kennt: Man arbeite ausgezeichnet zusammen und sei durch „gemeinsame Absichten“ vereint. Beide Parteichefs, so ist zu lesen, „bekräftigen, dass dieses Wahlergebnis große Verantwortungsbereitschaft erfordert“.

Das Wenige, was Meloni und ihr Stab sonst nach draußen dringen lassen, wirkt privat, scheint aber politisch einem neuen, beruhigenden Image zu dienen. Im Wahlkampf trat sie als „Mutter und Macho“ auf, wie Lea Melandri schrieb, eine der wichtigsten Denkerinnen der italienischen Feministinnen.

Jetzt arbeitet Meloni, die sich unermüdlich als Konservative zu präsentieren versucht, allem Anschein nach an einem Angela-Merkel-Image: Ruhige Hand, ein Mangel an Eitelkeit – und als engsten Kreis ein „Girls’ Camp“, wie man es von der Bundeskanzlerin kannte, deren innerster Zirkel sich lange um ihre Bürochefin und die frühere Parteisprecherin gruppierte.

Der von Meloni besteht aus ihrer Schwester, einer Freundin und ihrer Mutter Anna, die die Töchter allein großgezogen hat. Auch ihre Kommunikation hat Meloni in die Hände einer Frau gelegt. Einen wichtigen Mann gibt es aber im inner circle: Giovanbattista Fazzolari ist verantwortlich für das Programm, er gilt als Chefideologe von FdI.

Ein anderer wichtiger Mann ist Andrea Giambruno, ihr Lebensgefährte – wenn auch vielleicht nicht als Ratgeber. Der 41-jährige Fernsehjournalist, Vater ihrer Tochter, gilt als Linker. Auch er ist seit dem Wahlkampf immer öfter alleinerziehend, wie Meloni andeutete.

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