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Benjamin Netanjahu könnte wieder Ministerpräsident von Israel werden.

© Foto: dpa/ Ilia Yefimovich

Update

Netanjahu-Lager liegt vorn: Israel driftet nach der Wahl weiter nach rechts

Prognosen zufolge steht Benjamin Netanjahu vor der Rückkehr zur Macht in Israel. Dann können sich auch Ben-Gvir und seine radikalen Parteigenossen auf einflussreiche Posten freuen.

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Die Auszählung der Stimmen hat erst begonnen, doch ein Sieger der israelischen Parlamentswahl steht jetzt schon fest: der rechtsradikale Itamar Ben-Gvir, ein wegen antiarabischer Hetze verurteilter Extremist, vor Kurzem noch politischer Pariah.

Die hartrechte Partei „Religiöser Zionismus“, mit der er seine eigene Partei „Jüdische Stärke“ im August verschmolzen hat, kommt nach ersten Hochrechnungen auf 14 bis 15 von 120 Mandaten – und ist damit drittstärkste Kraft im Parlament. Sollte der frühere Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Macht zurückerlangen, können sich Ben-Gvir und seine kaum minder radikalen Parteigenossen auf einflussreiche Posten am Kabinettstisch freuen.

Bislang zeichnet sich ein Sieg des rechts-religiösen Parteienlagers hinter Netanjahu ab: Verschiedenen Hochrechnungen zufolge kommt es auf knappe Mehrheit von 65 Mandaten. Ein großer Unsicherheitsfaktor ist dabei die arabische Partei Balad: Nach aktuellem Stand verfehlt sie knapp den Sprung über die 3,25-Prozent-Hürde. Sollte sie es doch schaffen und die minimale Anzahl von vier Mandaten erlangen, dürfte Netanjahus Block seine Mehrheit verlieren.

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Das bedeutet indes längst nicht, dass der bisherige Ministerpräsident Yair Lapid sich in diesem Fall an der Macht halten könnte: Das Anti-Netanjahu-Lager ist hoffnungslos zersplittert. Die wahrscheinlichste Alternative zu einer rechten Regierung wäre eine weitere Runde zäher Koalitionsverhandlungen – womöglich gar gefolgt von Neuwahlen.

Was treibt so viele Israelis in die Arme der Rechten?

Wie auch immer das endgültige Ergebnis ausfallen wird, eine Erkenntnis lässt sich schon jetzt festhalten: Israel driftet offenbar unaufhaltsam nach rechts. Die verbliebenen linken Parteien bewegen sich allesamt gefährlich nah an der 3,25-Prozent-Grenze. Lapids „Yesh-Atid“-Partei („Es gibt eine Zukunft“) bleibt zwar auch nach diesen Wahlen zweitstärkste Kraft mit voraussichtlich 24 Mandaten. Doch das dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass Lapid sich vehement als „zentristisch“ positioniert und einen deutlichen Sicherheitsabstand zu linken Positionen einhält, vor allem in außenpolitischen Fragen.

Was treibt so viele Israelis nach rechts, einige gar in die Arme der extremen Rechten? Einige Gründe sind bei den Linken zu finden: Deren Vision von Frieden mit den Palästinensern ist bitter gescheitert (nicht ohne eigenes Verschulden), was viele frühere Linke desillusioniert zurückgelassen hat. Viele Israelis aus der Arbeiterschicht, insbesondere jene mit Wurzeln in arabischen Ländern, empfinden die größtenteils europäischstämmigen intellektuellen Linken überdies als arrogant, wenn nicht gar als rassistisch.

Zudem hat Netanjahu in seiner langen Politkarriere viel zur Verrohung des politischen Diskurses und zur Delegitimierung der Linken beigetragen. So rückte er linke Parteien in die Nähe von Terrorunterstützern und Landesverrätern. Vor wenigen Monaten erst beging er einen weiteren Tabubruch, indem er den rechtsextremen Ben-Gvir zu einem potenziellen Bündnispartner erklärte, um damit seine Chancen auf eine Koalitionsbildung zu verbessern.

Schließlich wird der Rechtsdrift aber auch von einer Kraft getrieben, die über jedes politische Manöver erhaben ist: der Demografie. Die ultraorthodoxe Minderheit, derzeit zwölf Prozent der Bevölkerung, wächst seit Jahrzehnten rasant; die überwiegende Mehrheit von ihnen wählt religiöse Parteien, die im rechten Lager verankert sind. Auch in der rechtsgerichteten Siedlerbewegung liegt die Fruchtbarkeitsrate erheblich über dem israelischen Durchschnitt. Egal, wie sehr sich Israels Linke also in den kommenden Jahren anstrengen mag: Der Langzeitdrift nach Rechts wird sich kaum aufhalten lassen.

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