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Die AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla (l.) und Alice Weidel

© dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Pro und Contra: Sollte die AfD verboten werden?

Der Verfassungsschutz stuft die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein. Die Frage ist, ob jetzt nur der Gang zum Verfassungsgericht hilft oder die Rechten politisch gestellt werden müssen.

Für den Verfassungsschutz ist die AfD ein rechtsextremistischer Verdachtsfall. Was folgert daraus? Ist es sinnvoll, auf dieser Grundlage beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein Verbot der Partei anzustreben? Oder sollten die Rechten besser politisch gestellt werden? Zwei unterschiedliche Meinungen dazu.


Pro AfD-Verbot

Es wird Zeit, hohe Zeit: Soll die Demokratie wehrhaft sein gegen ihre Feinde, wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum 75. Jubiläum des Verfassungskonvents forderte, muss sie sich gegen die AfD wehren. Dann müssen die Verfassungsorgane Bundesregierung, Bundestag oder Bundesrat – oder alle zusammen – ein Verbot dieser Partei anstreben. Jetzt. Endlich.

Denn es ist offensichtlich, wo die Feinde sitzen. Die Verfassungsschützer des Bundes und der Länder sind alarmiert. Es geht nicht um eine rechte Partei, es geht um diese.

Im Verfassungsartikel 21 heißt es: „Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen (...), sind verfassungswidrig“.

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2017 in seiner Entscheidung über den NPD-Verbotsantrag konkrete Anhaltspunkte von Gewicht gefordert, dass eine Partei mit ihrer verfassungsfeindlichen Agenda am Ende erfolgreich sein könnte. Die AfD könnte erfolgreich sein. Sie darf es nicht werden.

Was mindestens möglich sein muss: einzelne Gliederungen der AfD zu verbieten, die erkennbar verfassungsfeindlich sind.

Stephan-Andreas Casdorff

Das Deutsche Institut für Menschenrechte kommt zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen für ein Verbot erfüllt sind. Die Menschenwürde ist, wie der Bundespräsident in seiner Rede und das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur NPD herausgearbeitet haben, wichtigster Punkt unserer Grundordnung. Ein ethnischer Volksbegriff, Rassismus und Antisemitismus verletzen die Menschenwürde.

Hier soll Freia Lippold-Eggen, AfD-Stadträtin in Bad Kissingen, das Wort haben: Sie vergleicht das Vorgehen der AfD mit dem der NSDAP im Jahr 1933. „Um an die Macht zu kommen, nutzen sie die Schwächen der Demokratie - jener Demokratie, die sie abschaffen wollen“, sagte sie. Das funktioniere wie 1933. Und: „Wer schweigt, stimmt zu.“

Nur eine Einzelstimme? Es ist Aufgabe der Verfassungsschützer, anders als im Fall der NPD, die Stimmen sorgsam und ausreichend in der Anzahl zusammenzustellen. Denn, ja, es geht auch um ein „Nie wieder“. Niemand soll sagen, man hätte es nicht sehen können. Wer liest und hört, weiß Bescheid.

Was mindestens möglich sein muss: einzelne Gliederungen der AfD zu verbieten, die erkennbar verfassungsfeindlich sind. Dem Verfassungsgericht steht es frei, so zu verfahren. Ein Verbotsantrag könnte entsprechend gefasst werden.


Contra AfD-Verbot

Natürlich kann man darüber sinnieren, ob es sinnvoll wäre, die AfD zu verbieten. Man könnte aber auch einen Blick in die entsprechenden Paragrafen des Parteiengesetzes werfen. Da findet man dann klare Hinweise darauf, dass so ein Verfahren nicht das beabsichtigte Ergebnis bringen wird.

Eine Partei zu verbieten, ist ein massiver Eingriff in die Freiheit der politischen Willensbildung. Damit es dazu kommt, reicht es nicht, dass Parteivertreter, und seien es auch führende Köpfe, deutsche Verfassungswerte in Zweifel ziehen, offen ablehnen oder durch andere ersetzen wollen – Punkt. Viel mehr liegt aber derzeit kaum juristisch nachweisbar vor.

Das Problem mit der AfD gehört ohnehin nicht juristisch gelöst. Denn das eigentliche Problem ist nicht die Partei, es sind die vielen Menschen, die ihr zuneigen. Und deren Zahl würde vermutlich eher größer, wenn ein Verbotsverfahren tatsächlich ins Rollen käme.

Denn während der Monate und Jahre, die bis zu einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vergehen dürften, würde die Selbstbeweinung der AfD als verfolgte Unschuld epische Ausmaße annehmen. Und es ist nicht zuletzt genau diese Opferrolle, die anschlussfähig ist für all jene Menschen, die sich auch persönlich von den etablierten Parteien missachtet und übergangen fühlen.

Ein Parteiverbot würde einem politischen Akteur seine Form und ein paar Rechte entziehen. Die von ihm vertretenen Positionen, seine Anhänger, Unterstützer und Fans wären aber weiterhin da.

Ariane Bemmer

Dort muss ansetzen, wer die AfD in die Schranken weisen will. Aber da fehlt es der Politik an guten Ideen, an Kreativität, an Hartnäckigkeit, Streitbereitschaft. Dass sie nun diskutiert, das Problem mit der unliebsamen Konkurrenz zur Lösung an das Bundesverfassungsgericht zu delegieren, folgt zwar einem bekannten Muster, wird davon aber auch nicht besser.

Mag sein, dass das Verbotsansinnen Ausdruck einer Angst ist, die in Teilen als rechtsextremistisch eingestufte Partei könnte tatsächlich im Bundestag die Axt an die demokratische Verfasstheit des Staates legen und die Bundesrepublik in eine Diktatur verwandeln.

Vielleicht soll die Verbotsdebatte von der eigenen politischen Schwäche, der sinkenden Überzeugungskraft ablenken. Beides wäre nicht richtig. Denn beides übergeht, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung sehr gern in einem demokratischen Land lebt, in dem Bürgerrechte etwas gelten. Warum traut man denen nicht mehr Abwehrkräfte zu?

Und nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt: Ein Parteiverbot würde einem politischen Akteur seine Form und ein paar Rechte entziehen. Die von ihm vertretenen Positionen, seine Anhänger, Unterstützer und Fans wären aber weiterhin da.

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