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Es braucht jetzt Verbündete.

© Konstantin Zavrazhin/imago/ITAR-TASS / IMAGO/Konstantin Zavrazhin

Russisches und chinesisches Werben in Afrika und Asien: Der Westen hat zu lange kein eigenes Angebot entgegengestellt

Moskaus Rechtfertigung des Krieges gegen die Ukraine findet überall auf dem Globus dankbare Abnehmer. Die Demokratien müssen gegenhalten.

Ein Kommentar von Hans Monath

Der russische Außenminister Sergej Lawrow kann poltern, drohen, lügen oder schmeicheln – ganz wie die Situation es erfordert. Nun hat der seit 18 Jahren amtierende Minister angekündigt, die diplomatische Präsenz seines Landes in westlichen Ländern herunterzufahren und dafür in afrikanischen und asiatischen Ländern aufzustocken.

Lawrow garnierte seine Klage mit der Behauptung, russische Diplomaten arbeiteten im Westen „unter Bedingungen, die nur schwerlich als menschlich bezeichnet werden können“. Dieses Urteil ist an Zynismus kaum zu übertreffen, wenn man an die Bedingungen denkt, unter denen Zivilisten in den von Russland mit Drohnen und Raketen angegriffenen Städten der Ukraine leben müssen.

Und trotzdem sollte die Nachricht aufhorchen lassen. Zwar hat Lawrow sein Desinteresse an dem geschlossen gegen Russlands Aggression stehenden Westen schon früher deutlich gemacht. Doch leider trägt das jahrelange Werben Moskaus um den Globalen Süden längst Früchte.

Auch die Mehrheit der 143 UN-Mitgliedstaaten, die gerade die Annexion ukrainischer Regionen durch Russland verurteilt hat, kann über eine harte Tatsache nicht hinwegtäuschen: Neben China stellen sich auch demokratische Schwellenländer wie Indonesien, Indien, Südafrika oder Brasilien nicht aktiv gegen den Völkerrechtsbruch, sondern verharren im Ungefähren.

Der Westen, so sagt er zumindest, lohne keine Mühe mehr: Russlands Außenminister Sergej Lawrow.

© imago/ITAR-TASS / IMAGO/Russian Foreign Ministry

Die Behauptungen aus Moskau, wonach die Nato den Krieg provoziert habe, die westlichen Sanktionen Millionen Menschen im Süden in den Hunger treiben würden und Russland sich stellvertretend für andere Opfer dem weltweiten US-Imperialismus entgegenstelle, fallen dort und in noch ärmeren Ländern auf fruchtbaren Boden.

Deshalb stellt sich mit Lenin die Frage: Was tun? Zu lange hat der Westen dem russischen und chinesischen Werben in Afrika und Asien kein eigenes Angebot entgegengestellt, nachdem der Irakkrieg 2003 sein Ansehen in weiten Teilen der Welt nachhaltig ruiniert hatte. Zumindest die Bundesregierung und die in G7 vertretenen westlichen Industrieländer haben die Herausforderung erkannt und versuchen gegenzusteuern.

Zum G7-Gipfel in Elmau hatten sie Indonesien, Indien, Südafrika, Senegal und Argentinien eingeladen, um deren politische Führung zu umwerben. Und sie legten ein Investitionsprogramm für globale Infrastruktur auf, für das sie 600 Milliarden Dollar versprechen. Deutschland und die G7 verstärkten auch ihre Anstrengungen für die weltweite Ernährungssicherung und eine bessere Gesundheitsversorgung im Globalen Süden.

All das wird kaum reichen, solange der Westen nicht die Ansprüche erfüllt, die er hochhält, etwa im Völkerrecht. Wer hungert, wird die Rede von Werten als hohl empfinden. Und doch bleibt es richtig, im Ringen mit Autokratien wie Russland oder China Verbündete zu suchen.

Den Modus der Belehrung sollte jeder schnell ablegen, der sich um Partner bemüht, denn es geht dabei auch um Respekt, um Aufmerksamkeit und um Lernen. Wer es ernst meint mit diesem Werben, wird schnell in Situationen kommen, wo moralisch glasklare Entscheidungen unmöglich werden.

Soll Deutschland, wenn es etwa Indien als Partner umwirbt, den Hindu-Nationalismus von Premierminister Narendra Modi laut anklagen? Und wenn Berliner Diplomaten Neu-Delhi drängen, sich von der Abhängigkeit von Russland zu lösen, sollten sie dann nicht auch jene deutschen Waffen anbieten, die Indien gerne statt der russischen kaufen würde?

Der G20-Gipfel in Indonesien Mitte November könnte eine Art Wettbewerb werden, ob Russland oder der Westen dort mehr Anhänger aufbieten kann. Deshalb wäre es falsch, dem Impuls nachzugeben, das Treffen wegen der Teilnahme des Kriegsverbrechers Putin zu boykottieren. Olaf Scholz muss vor Ort sein und das russische Narrativ widerlegen. Es kommt dann nicht auf saubere Hände an, sondern auf gute Ergebnisse.

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