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Der Hafen von Berdjansk soll Umschlagplatz für gestohlenes Getreide sein (Symbolbild).

© Foto: IMAGO/ITAR-TASS/Nikolai Trishin

Russlands schwarze Exporte: So kommt gestohlener Weizen aus der Ukraine in die Welt

Widersprüchliche Frachtpapiere, ausgeschaltete Transponder und Käufer, die spontan von Deals zurücktreten. Die „Financial Times“ hat die Irrfahrt des Getreidefrachters Pawell nachgezeichnet.

Am Wochenende kündigte Russland den Getreidedeal mit der Ukraine, der UN und der Türkei einseitig auf. Grund sei, dass Kiew die Handelsrouten im Schwarzen Meer für einen Angriff auf die russische Schwarz-Meer-Flotte im Hafen von Sewastopol auf der annektierten ukrainischen Halbinsel Krim genutzt habe.

Beweise dafür gibt es nicht. Und selbst wenn die Ukraine Kriegsschiffe im Hafen von Sewastopol angegriffen haben sollte, sind diese in einem Krieg legitime Ziele, wie Experten sagen. Russland scheint also einen Vorwand gesucht zu haben, um das Abkommen zu kündigen und den Druck auf Kiew an einer weiteren Front zu erhöhen.

Hinzu kommt: Russland selbst steht schon länger im Verdacht, eigene und besetzte Schwarz-Meer-Häfen zu nutzen, um gestohlenes Getreide aus der Ukraine in andere Länder zu verschiffen und dort zu verkaufen. Mit unterschiedlichen Methoden soll dabei der wahre Ursprungsort der Ware verschleiert werden.

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Mittels Satellitenbildern, Beobachtern vor Ort und Frachtdokumenten haben Journalisten der „Financial Times“ nun einen Getreidefrachter aufgespürt, der gemahlenen Weizen aus dem von Russland besetzten Gebiet der Ukraine in die Türkei gebracht haben soll.

Hauptakteur der „FT“-Recherche ist die Pawell. Laut dem Schiffortungsdienst „Marine Traffic“ fährt der Frachter unter syrischer Flagge. Ende Oktober hatte das Schiff im Hafen der türkischen Stadt Aliağa festgemacht. Aufmerksam wurden die Journalisten auf den Frachter durch Satellitenbilder des Erdbeobachtungsunternehmens Planet Labs, schreibt Reporter Chris Cook auf Twitter.

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Bilder vom 12. und 13. August zeigen ein Schiff, das im Hafen der Stadt Berdjansk im russisch besetzten Teil der ukrainischen Region Saporischschja liegt und „mit einer kornfarbenen Substanz beladen“ wird, heißt es in dem Bericht.

Die Qualität der Satellitenbilder sei aber zu schlecht gewesen, um den Frachter eindeutig als die Pawell zu identifizieren. Mittels Analysen des Unternehmens Spire Global habe man andere potenzielle Schiffe jedoch ausschließen können. Die Landwirte in der Region Saporischschja gehören zu den wichtigsten Getreideproduzenten in der Ukraine.

Frachtschiff verschwindet plötzlich vom Radar

Auf Navigationsdaten der Pawell konnten die Journalisten bei der Identifizierung nicht zugreifen, heißt es weiter. Der Transponder habe zwischen dem 10. und 15. August keine Daten gesendet – er sei abgeschaltet gewesen. Ein übliches Vorgehen, um den wahren Aufenthaltsort eines Schiffes zu verschleiern. Schon im Juni beobachtete die „FT“ ein solches Verhalten beim Getreidefrachter Fedor.

Der letzte Standort der Pawell, bevor das Frachtschiff vom Radar verschwand, und der erste Standort, nachdem es wieder erschien, sei in der Straße von Kertsch gewesen. Der Seeweg führt zwischen der annektierten Krim und dem russischen Festland vom Schwarzen ins Asowsche Meer. Von dort ist es nur eine Tagesreise nach Berdjansk, schreibt die „Financial Times“.

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Zum Ursprung des Getreides, das die Pawell am 15. August geladen hatte, als sie wieder auf dem Radar erschien, gibt es widersprüchliche Angaben. Ein Dokument, das der „Financial Times“ vorliegt, nennt Berdjansk im besetzten Teil der Ukraine als Verladehafen. Besatzungsbeamte genehmigten demnach zwei Tage vorher die Ausfuhr von 2675 Tonnen Weizen. Als Verkäufer wird State Grain Operator genannt – ein Unternehmen der Besatzungsbehörden.

Offizielle russische Frachtdokumente suggerieren jedoch, dass der Weizen, den die Pawell geladen hatte, aus dem russischen Oblast Samara stamme – einer Region im Südosten des europäischen Teils des Landes nahe der Grenze zu Kasachstan. Als Verkäufer ist das Unternehmen Geos angegeben. Verladehafen ist demnach Port Kawkas in der Straße von Kertsch.

Angesprochen auf die widersprüchlichen Dokumentensätze habe der Geos-Chef empört reagiert, schreibt die „Financial Times“. „Dieses Getreide hat weder einen Bezug zu Saporischschja noch zur Ukraine. Es bezieht sich auf Port Kawkas, für den es alle relevanten Dokumente gibt.“ Papiere, die etwas anderes behauptet seien „falsch“. Ähnlich äußern sich Beamte der russischen Wirtschaftskammer.

Verbleib des Getreides ist unklar

Doch als der Getreidefrachter Pawell mit seiner undurchsichtigen Fracht am 3. September in Samsun, einer Stadt an der türkischen Schwarz-Meer-Küste, ankommt, steigen die anvisierten Verkäufer plötzlich aus dem Deal aus. „Wir halten uns von unsauberen Geschäften fern“, habe die Begründung gelautet. Vermutlich befürchteten die Käufer Maßnahmen der ukrainischen Regierung, wie die „FT“ schreibt.

Ohne Käufer sei die Pawell westwärts an der Küste entlanggefahren, heißt es weiter. Am 10. September sei das Schiff gesichtet worden, wie es vor der Stadt Sinop vor Anker lag – kurze Zeit später verschwand es wieder vom Radar. Als es Wochen später im östlichen Schwarzen Meer auftauchte, sei es sichtlich leichter gewesen. Die „Financial Times“ habe den Ort, an dem die Pawell hier Fracht gelöscht habe, ausfindig machen können. Im türkischen Hopa, nahe der Grenze zu Georgien, verliert sich die Spur des Getreides.

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