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Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat.

© dpa/Kay Nietfeld

„Das ist reine Symbolpolitik“ : Das plant Faeser in Sachen Abschiebungen – und das sagen die Grünen

Das Bundeskabinett hat das Gesetzespaket für schnellere Rückführungen verabschiedet. Doch in der Grünen-Fraktion gibt es viel Widerstand gegen die Pläne.

Harte Maßnahmen, die Humanität ermöglichen – so beschrieb Innenministerin Nancy Faeser (SPD) am Mittwoch die Stoßrichtung ihres Gesetzespakets für schnellere Abschiebungen. „Um das Grundrecht auf Asyl zu schützen, müssen wir irreguläre Migration begrenzen“, sagte die Sozialdemokratin, nachdem das Bundeskabinett ihr „Rückführungsverbesserungsgesetz“ verabschiedet hatte.

Doch die Ministerin wird kämpfen müssen, um viele Verschärfungen durch den Bundestag zu bekommen. Von der SPD-Fraktion droht ihr dabei kein Ungemach. Zwar tun sich manche Parteilinke mit den von Kanzler Olaf Scholz (SPD) geforderten Abschiebungen „im großen Stil“ schwer, die große Mehrheit der Abgeordneten hält den Kurs der Bundesregierung aber für alternativlos.

Die Grünen dagegen sehen das Gesetzespaket, an dem auch Wirtschaftsminister Robert Habeck mitverhandelt hat, kritisch: „Mit dem Gesetz wird vielleicht eine kleine Anzahl von 600 Abschiebungen mehr möglich sein. Das wird die Kommunen nicht entlasten und ist reine Symbolpolitik“, sagt etwa der Innenpolitiker Marcel Emmerich.

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In seiner Fraktion gibt es erhebliche juristische Zweifel, weswegen man eine intensive verfassungsrechtliche Prüfung der Vorschläge angekündigt hat. Die Grünen sehen sowohl Verstöße gegen das Grundgesetz als auch gegen das Europarecht. Was plant Faeser und welche Bedenken haben die Grünen? Ein Überblick.

Um das Grundrecht auf Asyl zu schützen, müssen wir irreguläre Migration begrenzen.

Innenministerin Nancy Faeser (SPD)

Die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams soll von derzeit zehn auf 28 Tage verlängert werden. „Ein Untertauchen des Abzuschiebenden“ will das Innenministerium damit „effektiver als bisher“ verhindern.

Die Behörden sollen mehr Zeit erhalten, die nötigen Vorkehrungen zu treffen. Ein entscheidender Punkt: Denn zwei Drittel der Abschiebungen scheitern derzeit daran, dass Ausreisepflichtige abtauchen.

Weniger Vorwarnung

Die Grünen halten die längere Abschiebehaft für besonders problematisch, handelt es sich doch um eine Freiheitsberaubung, obwohl keine Straftat vorliegt. Die Parlamentarische Geschäftsführerin Filiz Polat hat deshalb vor Eingriffen in das Grundrecht auf Freiheit gewarnt. „Den Ausreisegewahrsam auf 28 Tage zu verlängern, ist völlig unverhältnismäßig“, findet auch Emmerich.

Ausreisepflichtigen in Haft soll ihre Abschiebung zudem nicht mehr angekündigt werden. Auch die aktuell geltende einmonatige Ankündigungspflicht für Abschiebungen nach einer mindestens einjährigen Duldung soll wegfallen. Ausnahmen sind für Familien mit Kindern unter 12 Jahren geplant.

Das Innenministerium begründet das mit einer „Entlastung der Ausländerbehörden“. Aber auch hier dürfte es darum gehen, ein Untertauchen zu verhindern. Damit wird den Betroffenen die Möglichkeit genommen, einen Anwalt hinzuzuziehen, heißt es aus der Grünen-Fraktion.

Mehr Durchsuchungsrechte

Viele Geflüchtete versuchen sich der Abschiebung zu entziehen, indem sie falsche Angaben über ihre Person oder ihre Staatsbürgerschaft machen. Polizei und Ausländerbehörden sollen nun künftig in den Wohnungen der Betroffenen nach Datenträgern und Unterlagen suchen dürfen, um Identitätsfragen zu klären.

28
Tage soll künftig die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams betragen.

Am Tag der Abschiebung dürfen die Behörden zudem künftig in Gemeinschaftsunterkünften auch andere Wohnungen durchsuchen, wenn sie einen begründeten Verdacht haben, dass sich der Ausreisepflichtige bei anderen Bewohnern versteckt.

Für die Grünen sind beide Punkte problematisch. Filiz Polat sieht in Faesers Gesetzentwurf „unverhältnismäßige Eingriffe in die Grundrechte auf Privatsphäre und auf die Unverletzlichkeit der Wohnung“.

Die Grünen wollen verhindern, dass Wohnungsdurchsuchungen in Flüchtlingsunterkünften künftig zur Regel werden. Sie warnen vor den psychischen Belastungen für die Betroffenen.

Mehr Härte gegen Straftäter

Vor allem die Ausweisung von Straftätern wolle sie erleichtern, betonte Faeser. Für verurteilte Schleuser, die eine mindestens einjährige Haftstrafe bekommen haben, soll künftig „ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse“ gelten.

Man muss sich wundern, wo das Bundesjustizministerium bei der Erarbeitung dieses Gesetzespakets war.

Grünen-Politiker Marcel Emmerich hat verfassungsrechtliche Zweifel an dem Gesetzentwurf.

Auch Mitglieder der organisierten Kriminalität will Faeser künftig vermehrt abschieben. Pikant dabei: Das soll auch ohne rechtskräftige Verurteilung gehen, wenn „konkrete Tatsachen“ die Zugehörigkeit nahelegen. In der Grünen-Fraktion befürchten manche, dass es zu Sippenhaft kommen könnte, etwa bei Clan-Strukturen.

Marcel Emmerich, Obmann der Grünen im Innenausschuss, bilanziert: „Man muss sich wundern, wo das Bundesjustizministerium bei der Erarbeitung dieses Gesetzespakets war. Gerade bei den schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Bedenken.“

Das sagt die Union

Die Union hingegen begrüßt Faesers Gesetzespaket, bemängelt aber, dass sich die SPD zu vielen dieser Schritte in der Großen Koalition nicht durchringen konnte.

Die im Gesetzentwurf enthalten Maßnahmen gehen in die richtige Richtung.

Thorsten Frei (CDU), Erster Parlamentarischer Geschäftsführer, begrüßt Faesers Gesetzespaket.

„Die im Gesetzentwurf enthalten Maßnahmen gehen in die richtige Richtung, ihre Wirkung dürfte jedoch durch die neuen Arbeitsmöglichkeiten für Ausreisepflichtige erheblich konterkariert werden, die die Grünen im Gesamtpaket durchsetzen konnten“, sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer, Thorsten Frei, dem Tagesspiegel.

Um die Migration wirksam zu bekämpfen, forderte der CDU-Politiker „die Einrichtung von Transitzonen und Rückführungszentren an den Landesgrenzen nach dänischem Vorbild“.

Unions-Fraktionsvize Jens Spahn hatte diese Woche sogar physische Gewalt an den Grenzen zur Abwehr von Flüchtlingen gefordert. „Das geht natürlich rein rechtlich gar nicht“, sagte dazu Faeser.

Auf Faesers Gesetzespaket kann die Union formal kaum Einfluss nehmen. Die Maßnahmen sind laut Innenministerium im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig. Allerdings sind Scholz und die Union zu einer Zusammenarbeit im Sinne eines Migrationskonsenses bereit - dadurch könnten CDU und CSU im parlamenarischen Verfahren möglicherweise auch beim Abschiebepaket noch ein Wörtchen mitreden. Gemeinsam soll damit auch den Wahlerfolgen der AfD etwas entgegengesetzt werden.

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