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Spielcasino in Berlin.

© imago/Joko

Update

Berliner Modellprojekt gegen Organisierte Kriminalität: Spielautomaten, Ladenöffnung, Schwarzarbeit – Ordnungsämter sollen Vermögen einziehen

Seit 2017 haben die Ordnungsämter bereits das Instrument, doch es wird kaum genutzt. Nun hat Justizsenatorin Felor Badenberg ein Modellprojekt angestoßen.

| Update:

Zehn Berliner Bezirke und die Justizverwaltung starten ein gemeinsames Pilotprojekt, um verstärkt gegen die Organisierte Kriminalität und ihre Einnahmequellen vorzugehen. Künftig sollen die Ordnungsämter nicht nur Bußgelder verhängen können, sondern stattdessen vermehrt illegal erwirtschaftete Einnahmen einziehen. Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos, für CDU) stellte die Eckpunkte des Projekts am Dienstag bei der Senatssitzung vor. Es gehe darum, „die finanziellen Strukturen“ der Kriminellen auszutrocknen, sagte die Senatorin.

„Das Projekt der Vermögensabschöpfung ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Konzepts zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität und soll dazu beitragen, Berlin für Kriminelle unattraktiv zu machen“, sagte Badenberg. „Wir leisten Pionierarbeit und schlagen zwei Fliegen mit einer Klappe.“ Damit sollen Banden und Clan-Kriminelle geschwächt und zugleich Geld eingezogen werden, das etwa für soziale Projekt genutzt werden könne.

Grundlage ist eine Gesetzesnovelle aus dem Jahr 2017. Seither ist bereits in Strafverfahren die Abschöpfung von illegal erlangtem Vermögen möglich. Bekanntestes Beispiel dafür ist die Beschlagnahme von 77 Immobilien des Remmo-Clans im Jahr 2018. Seit der Gesetzesnovelle haben die Behörden auch bei Ordnungswidrigkeiten mehr Befugnisse – nämlich die Einziehung von Gewinnen. Doch die werden nach Angaben von Justizsenatorin Badenberg bislang kaum genutzt, sei es wegen Personalnot oder fehlender rechtlicher Expertise. Es gehe um komplexe Verfahren.

Bezirksämter Steglitz-Zehlendorf und Friedrichshain-Kreuzberg machen nicht mit

Deshalb hatte Badenberg die Bezirke im August eingeladen. Sie hatte das Projekt bereits im Tagesspiegel-Interview angekündigt. Nun liegt ein 23-seitiger Leitfaden für die Bezirksämter vor. Zwei von zwölf Bezirke machen vorerst nicht mit bei dem Projekt – die von den Grünen geführten Bezirksämter Steglitz-Zehlendorf und Friedrichshain-Kreuzberg.

Zunächst soll das neue Instrument in vier Bereichen genutzt werden: bei illegalen Spielautomaten, illegaler Prostitution, Schwarzarbeit und Verstößen gegen die Ladenöffnungsregeln. Die Ordnungsämter können – etwa bei illegalen Spielautomaten – einen Bußgeldbescheid erlassen oder eben die mit dem Gerät erlangten Gewinne abschöpfen.

Felor Badenberg, Senatorin für Justiz und Verbraucherschutz in Berlin

© Hans-Christian Plambeck / promo Senatsjustizverwaltung

Nach den Erfahrungen der Behörden stören die Bußgeldbescheide die Betreiber der illegalen Spielautomaten kaum. Dabei schlagen meist nur wenige hundert Euro zu Buche, denn beim Bußgeld müssen mögliche Aufwendungen des Betreibers der Automaten abgezogen werden – für die Aufstellung des Geräts, Miete, Personal und Wartung. „Über 200 Euro lachen sich Clan-Kriminelle doch kaputt“, sagte ein damit befasster Behördenmitarbeiter.

Deshalb sollen die Bezirke jetzt illegale Einnahmen einziehen. Der Vorteil bei der Einziehung: Hier wird nach dem Bruttoprinzip berechnet, was illegal erwirtschaftet wurde, ohne dass Ausgaben angerechnet werden können. Bei einem illegalen Geldspielautomaten kann also jeder Euro, der hinein eingeworfen wurde, vom Staat eingezogen werden.

Es gibt Spätis im Bereich der Organisierten Kriminalität, die sich nicht mehr an die Regeln halten.

Felor Badenberg, Justizsenatorin von Berlin

Badenberg nannte ein Rechenbeispiel: Es werden zwei Spielautomaten illegal betrieben, die Einnahmen belaufen sich in einem Monat auf 9200 Euro. Es könne ein Bußgeld in Höhe von 5400 Euro verhängt werden, bei der Einziehung könnten die gesamten Einnahmen sichergestellt werden. „Mit diesem Geld könnten viele gute Projekte auch im sozialen Bereich unterstützt werden“, sagte Badenberg.

Das Vorgehen gegen Verstöße gegen das Ladenöffnungsgesetz sei von den Bezirken vorgeschlagen worden. „Es gibt Spätis im Bereich der Organisierten Kriminalität, die sich nicht mehr an die Regeln halten“, sagte Badenberg. Hier sei eine Gewinneinziehung „ein kleiner Stich, der wehtut“. Die Justiz unterstütze die Bezirke rechtlich bei ihren Aufgaben, „sie wissen besser als wir, wo die Probleme sind“.

Staatsanwaltschaft begleitet die Bezirke eng

Justizverwaltung, Amts- und Staatsanwaltschaft unterstützen die Bezirksämter etwa mit Musterbescheiden. Die Bescheide müssten „Hand und Fuß haben“, sagte Badenberg. Zudem sollen die Anklagebehörden den Ordnungsämtern per kurzem Draht Rückfragen ad hoc beantworten können. Es geht auch darum, die Vollstreckung abzusichern, damit die illegalen Erlöse nicht beiseite geschafft werden. Auch wenn Betroffene gegen die Vermögenseinziehung klagen, sollen die Anklagebehörden die Ordnungsämter der Bezirke vor Gericht eng begleiten.

Es gehe auch darum, dass dem Land Berlin eine wichtige Einnahmequelle nicht vorenthalten werden könne, sagte Badenberg. Für Amts- und Staatsanwaltschaft seien für diese Verfahren im Haushalt bereits neue Stellen beantragt. „Ich bin zuversichtlich, dass wir ein Projekt hinbekommen, was man zu einer Daueraufgabe macht“, sagte Badenberg. 

Pankows Bezirksbürgermeisterin Cordelia Koch (Grüne) lobte das neue Instrument als „weiteren Ansatz zur nachhaltigen Bekämpfung vor allem der Organisierten Kriminalität“. Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) sprach von einem wichtigen Signal, „dass sich Kriminalität nicht mehr lohnt“.

Auch die Bezirksbürgermeisterin von Reinickendorf, Emine Demirbüken-Wegner (CDU), begrüßte das Vorgehen. „Mit Recht erwarten die Berlinerinnen und Berliner, dass die Politik und die Ermittlungsbehörden konsequenter gegen Organisierte Kriminalität und Clankriminalität vorgehen“, sagte die CDU-Politikerin.

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