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Mädchen ab zwölf Jahren gehörten zu den Opfern.

© Foto: Patrick Pleul/ dpa

Sexualisierte Gewalt in der DDR: Forderungen nach Aufarbeitung und Entschädigung für Betroffene

In der DDR wurden Mädchen und Frauen unbegründet in Stationen für Geschlechtskrankheiten zwangseingewiesen. Jetzt fordern Opfer eine angemessen Entschädigung.

Die Volkspolizei der DDR griff an allen möglichen Orten zu: an Bahnhöfen, bei Veranstaltungen oder in Wohnheimen. Abgeführt wurden dann immer Mädchen und Frauen, oft mit der Begründung „Herumtreiberei“ oder „Arbeitsbummelei“. Die Opfer landeten in sogenannten Venerologischen Stationen, Hospitäler oder Fürsorgeheime für Geschlechtskrankheiten.

Eine medizinische Indikation fehlte oft. Die Mädchen und Frauen sollten zu „vollwertigen Mitgliedern der sozialistischen Gemeinschaft“ umerzogen werden. Viele Betroffene erlebten sexualisierte Gewalt und hatten einen schrecklichen Alltag.

Die Folgen dieser sexualisierten Gewalt wurden in Magdeburg bei einer Veranstaltung der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs mit Betroffenen sowie Experten aus Politik und Wissenschaft besprochen. Dabei forderte Angelika Börner, eines der Opfer, für sich und andere Betroffene eine angemessene Entschädigung für das erlittene Unheil. Das erklärte die Unabhängige Kommission in einer Pressemitteilung.

Wie ich kämpfen viele Betroffene noch heute mit den Folgen der Gewalt.

Angelika Börner wurde mit 15 Jahren in die Venerologische Station der Poliklinik Mitte in Halle zwangseingewiesen.

Angelika Börner wurde mit 15 Jahren in die Venerologische Station der Poliklinik Mitte in Halle zwangseingewiesen und war dort systematisch sexuellem Missbrauch ausgesetzt. „Wie ich kämpfen viele Betroffene noch heute mit den Folgen der Gewalt. Wenn man dann erfährt, dass man kaum oder gar keinen Anspruch auf Entschädigung hat, ist das ein weiteres Trauma, weil andere Menschen wieder über das eigene Leben bestimmen“, sagte sie.

Aufarbeitung der Fälle in der DDR steht erst noch am Anfang

„Besonders die Aufarbeitung der Gewalt in den geschlossenen Venerologischen Stationen der DDR steht noch ganz am Anfang“, erklärte Christine Bergmann, Mitglied der Aufarbeitungskommission. Mädchen ab dem zwölften Lebensjahr und Frauen wurden dort zur Disziplinierung zwangseingewiesen unter dem Vorwand des Verdachts einer Geschlechtskrankheit.

Einen medizinischen Grund für die Einweisung gab es selten und damit auch keine Rechtsgrundlage. Dabei waren die Opfer unter haftähnlichen Bedingungen massiven Repressionen ausgesetzt in Form von psychischer, physischer und sexualisierter Gewalt.

Die Kommission unterstützt Forderung der Opfer

Christine Bergmann unterstützte Angelika Börners Forderung. „Die Politik muss Verantwortung übernehmen, um Betroffene sexuellen Kindesmissbrauchs in der DDR zu rehabilitieren und das Hilfesystem zu vereinfachen. Ein Hilfesystem, das seinen Namen verdient, weil es Betroffene tatsächlich unterstützt und nicht ausschließt“, sagte sie.

Betroffene und andere Experten wiesen mehrfach darauf hin, dass Akten und Archive einen wesentlichen Beitrag zur individuellen Aufarbeitung, aber auch für die strafrechtliche Rehabilitierung leisten können. Für Betroffene müsse der Zugang zu den Archiven und Akten erleichtert werden, damit sie Informationen über das an ihnen verübte Unrecht erhalten könnten.

Die Aktenrecherche sei zudem häufig mit Kosten verbunden. Die Kommission setzt sich deshalb für ein gesetzlich verankertes Recht auf Aufarbeitung ein, welches auch ein Recht auf die eigene Akte sowie auf Beratung und Begleitung für die Recherche beinhaltet.

Zudem forderten sowohl Kommission als auch die Experten, dass mehr wissenschaftliche Forschung nötig sei. An Universitäten und Hochschulen könnten Lehrstühle für die Geschichte der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der DDR eingerichtet werden.

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