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Auftakt der Protestwochen der „Letzten Generation“ in Berlin.

© IMAGO/Jürgen Held/IMAGO/Jürgen Held

Sind fünf Monate Haft für Klimaaktivisten zu viel?: „Die Angeklagten beeindruckt nichts anderes“

In Heilbronn wurden jüngst mehrere Klimaaktivisten zu harten Strafen verurteilt. Experten sehen die Entscheidung kritisch, das Amtsgericht hält dagegen.

Es ist das härteste Urteil, das bislang gegen Klimaaktivist:innen der „Letzten Generation“ verhängt wurde: Die Richterin Julia Schmitt hatte in Heilbronn in dieser Woche zwei Männer und eine Frau wegen Nötigung zu Freiheitsstrafen von fünf, vier und drei Monaten ohne Bewährung verurteilt – weil sie mehrere Stunden eine Straße blockiert hatten.

Das Urteil war mitunter als zu scharf empfunden, aber auch bejubelt worden, die „Bild“-Zeitung bezeichnete die 35-jährige Julia Schmitt als „Deutschlands härteste Richterin“. Die Knallhart-Richterin? Am Amtsgericht Heilbronn sieht man das anders. Die Angeklagten würde nichts anderes beeindrucken, hatte die Richterin in ihrer Urteilsbegründung vorgetragen.

Michael Reißer, dem Pressesprecher des Gerichts, kommen in der medialen Berichterstattung um das Urteil die Gesamtumstände zu kurz. Tatsächlich waren zwei der Aktivist:innen schon einmal von Julia Schmitt verurteilt worden, am 6. März. Und hatten sich direkt im Anschluss wieder auf die Straße geklebt.

„Eine Freiheitsstrafe kann nur auf Bewährung ausgesetzt werden, wenn es eine positive Sozial- und Kriminalprognose gibt“, sagte Reißer dem Tagesspiegel. „Es gibt da einen Kontrollsatz: Ist die Wahrscheinlichkeit eines zukünftig straffreien Lebens größer, als die Wahrscheinlichkeit, dass zukünftig erneut Straftaten verübt werden?“

Die Hoffnung auf Prävention durch härtere Strafen wird sich nicht erfüllen.

Katrin Höffler, Professorin für Strafrecht an der Universität Leipzig

Nur im ersten Fall sei es gerechtfertigt, eine Strafe zur Bewährung auszusetzen. Zugegeben, wer noch am selben Tag seiner Verurteilung die nächste Straftat begeht, der geht nicht unbedingt als geläutert durch. Aber haben härtere Strafen wirklich einen positiven Effekt?

Katrin Höffler, Professorin für Strafrecht, Kriminologie und Rechtssoziologie an der Universität Leipzig, verneint das. „Die Hoffnung auf Prävention durch härtere Strafen wird sich nicht erfüllen“, ist sie sich sicher.

„Ein höheres Strafmaß schreckt nicht ab, im Gegenteil, gravierende negative Folgen in Kauf zu nehmen ist ja gerade Teil des Protests. Negatives Labeling wird eher zu einer größer werdenden Spaltung führen“, sagte sie dem Tagesspiegel. Ähnlicher Ansicht ist Tobias Singelnstein, Professor für Kriminologie und Strafrecht an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. 

Michael Reißer vom Amtsgericht Heilbronn hält dagegen, mit einem Beispiel aus der Praxis. „Eine der Bewährungsstrafen hat Frau Schmitt zur Bewährung ausgesetzt.“ Der Angeklagte habe „beteuert, sich nun auf seine Ausbildung zu konzentrieren und nichts mehr mit Klima-Aktivismus zu tun haben zu wollen. Wir gehen hier am Gericht davon aus, dass die zuvor ausgesprochene harte Strafe auf fruchtbaren Boden gestoßen ist“. 

Auch ein guter Zweck heiligt keine kriminellen Mittel.

Günter Krings, rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Schützenhilfe bekommt der Jurist von der Union. Sie wird in der kommenden Woche einen Antrag mit folgendem Titel in den Bundestag einbringen: „Straßenblockierer und Museumsrandalierer härter bestrafen – Menschen und Kulturgüter vor radikalem Protest schützen“.

Günter Krings, rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, kritisiert zu milde Strafen seitens der Justiz. „Wir müssen durch eine gesetzliche Anhebung des Strafrahmens deutschlandweit mehr sogenannte Klima-Aktivisten von Straftaten abschrecken“, sagte Krings dem Tagesspiegel. 

Das jüngste Urteil des Amtsgerichts Heilbronn mache deutlich, dass der Rechtsstaat zumindest im Wiederholungsfall sehr konsequent und schnell auf Straßenblockierer reagieren könne. „Auch ein guter Zweck heiligt keine kriminellen Mittel.“

Ex-BGH-Richter bezeichnet verhängte Strafen als „mild“

Thomas Fischer, Strafrechtler und ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe, findet die in Heilbronn verhängten Strafen nicht hart, im Gegenteil. „Diese Sanktion ist die gesetzliche Rechtsfolge aus der schuldhaften Verwirklichung rechtswidriger Nötigungstaten“, sagte er dem Tagesspiegel. „Sie ist – konkret – im Vergleich mit anderen Strafen gegen sich als ‚unbelehrbar‘ gerierende Wiederholungstäter nicht hart, sondern mild.“

Es sei damit auch keine Missachtung der politischen Motivation der Täter verbunden. Er ist sich sicher: Die Sanktionierung nach Maßgabe des Gesetzes werde von den Demonstranten nicht nur in Kauf genommen, sondern bewusst provoziert. „Sie – und die dadurch erzeugte ‚Opfer‘-Stellung – sind Teil des demonstrativen Protestes.“

Helge Limburg, rechtspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, hat für das Urteil aus Heilbronn kein Verständnis. Kurze Haftstrafen unter sechs Monaten ohne Bewährung seien in Deutschland die absolute Ausnahme und bedürften einer guten Begründung, sagte er dem Tagesspiegel.

„Mich hat dieses drastische Urteil überrascht. Bei Gewaltdelikten mag das gerechtfertigt sein, aber bei einer Nötigung, die das Ziel hat, einen Verfassungsauftrag voranzutreiben? Wohl eher nicht.“ Eine Debatte über härtere Strafen sei nicht sachgerecht, solange sich gleichzeitig nicht an Klimaschutzgesetze gehalten werde.

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