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Markus Söder (CSU), bayerischer Ministerpräsident, hängt ein Kreuz im Eingangsbereich der bayerischen Staatskanzlei auf. (Archivbild von 2018)

© dpa/Peter Kneffel

Söders Kruzifix in Bayerns Behörden: Wie neutral ist es, ein Kreuz aufzuhängen?

Der „Kruxifix-Erlass“ von Bayerns Ministerpräsident Söder stößt auf Widerstand bei Konfessionslosen. Das Bundesverwaltungsgericht könnte ihn auf Eis legen. Ein Urteil wird für Dienstag erwartet.

Es gab viel Spott, als Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vor fünf Jahren unter einigem Medienrummel ein Kruzifix an eine Behördenwand pinnte. Ein Wahlkampfgag? Eine Provokation? Der baden-württembergische Amtskollege Winfried Kretschmann (Grüne) witzelte etwas von Vampirbekämpfung.

Der umstrittene Akt geschah in Umsetzung einer neuen Vorschrift der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats (AGO), Paragraf 28: „Im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes ist als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz anzubringen.“ Söders politisch viel diskutierter „Kruzifix-Erlass“, mit dem prompt die Justiz befasst wurde.

Am Donnerstag verhandelte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig den Fall. Ein Urteil wird es erst am Dienstag kommender Woche geben. Wie es ausfällt, ist offen. Allerdings deutet sich an, dass der 10. Senat mit der Vorsitzenden Susanne Rublack eine Reihe offener Fragen sieht, die im vorangegangenen Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht hinreichend beantwortet wurden.

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Kläger ist der bayerische „Bund für Geistesfreiheit“ mit seiner Münchner Sektion. Der Bund versteht sich als Vertreter der Konfessionslosen im katholisch geprägten Freistaat und zog zusammen mit zwei Dutzend Einzelmitgliedern vor Gericht. Er kritisiert eine Verletzung der grundgesetzlich geschützten Religionsfreiheit. Zudem habe sich der Staat in religiösen Dingen neutral zu verhalten. Hier aber privilegiere er einseitig das Christentum.

Juristisch liegt der Fall kompliziert. Söders Erlass ist formal kein Gesetz, sondern Binnenrecht der Landesverwaltung, ohne Wirkung für nicht-behördliche Dritte – also ohne direkte Wirkung für Bürgerinnen und Bürger. Um erfolgreich klagen zu können, bedarf es jedoch grundsätzlich eines verletzten individuellen Rechts. Söder platzierte seinen Erlass somit in einer Art Zwischenwelt, die die gerichtliche Kontrolle erschwert.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte die Klagen der 25 Einzelpersonen mit eben dieser Begründung mangels Klagebefugnis abgewiesen, eine Beschwerde scheiterte. Geblieben ist die Klage des Bundes selbst.

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Bayerns oberstes Verwaltungsgericht hatte zwar festgestellt, der Erlass verletze die staatliche Neutralität, weil das Christenkreuz Symbol einer Religion sei und nicht – wie Söder es gerne hätte – lediglich Ausdruck kultureller Prägung. Das ganze Unternehmen münde in einer „sachlich nicht begründeten Bevorzugung des christlichen Symbols.“ Die Vorschrift beeinträchtige aber nicht die Bürger, die das Symbol nur kurz am Eingang wahrnehmen müssten. Quasi im Vorbeihuschen.

Ob das so bleiben kann? Der Klägervertreter verwies darauf, der Freistaat dürfe auch nicht einfach Behördentüren mit dem Logo eines Autokonzerns wie BMW beschildern. Es sei für Außenstehende offenkundig, dass sich der Staat hier mit einer Religion identifiziere und für sie werbe.

Bayerns Generallandesanwalt Jörg Vogel hielt dagegen, dass staatliche Neutralität nicht mehr bedeuten könne, als das Grundrecht der Religionsfreiheit hergebe – und das sei vorliegend nicht verletzt. Deutlich widersprach Vogel zudem der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs, Bayern habe dieses Prinzip missachtet. Es gehe hier nicht um Religion, sondern um Kultur.

Das Bundesverwaltungsgericht zeigte sich offen für „kreative Lösungen“, wie die Vorsitzende Rublack betonte. Ob man sich in Bayern vorstellen könne, diesen Sinn in ergänzenden Texttafeln deutlich zu machen? Das sei noch nicht erwogen worden, gestand Landesvertreter Vogel, doch nun sei es dafür zu spät. Außerdem müsse darüber erst die Landesregierung befinden.

Kommt dem Bund der Konfessionslosen eine „Wächterposition“ zu?

So wird das Gericht entscheiden müssen. In der Verhandlung wurde klar, dass es sich dabei im Kern um das „richtige“ Verständnis des Neutralitätsprinzips handelt. Rublack und ihr Gericht sehen es wohl nicht als ausgeschlossen an, dass dieses Prinzip eine subjektive Seite haben kann, die Bürgerinnen und Bürger vor Gericht geltend machen könnten – und einer Körperschaft wie dem Bund für Geistesfreiheit dann sogar eine „Wächterposition“ zukomme, wie es die Vorsitzende nannte.

Sollte der Bund in Leipzig scheitern, bliebe der Gang nach Karlsruhe, zum Bundesverfassungsgericht. Das hat sich in verschiedenen Urteilen und Beschlüssen mit dem staatlichen Neutralitätsprinzip befasst, jedoch ohne die durch Söders Erlass aufgeworfenen Fragen zu beantworten. Der Streit um das Kruzifix in bayerischen Schulklassen hatte in den neunziger Jahren allerdings ein mittleres Erdbeben im Freistaat ausgelöst. Damals wurde die Kreuz-Pflicht gekippt, weil sie – anders als heute – keine Regelung für Konflikte enthielt.

Dass Söders Vorstoß auch als eine Variante kultureller Aneignung interpretiert werden könnte, hat der Vorsitzende der Bayerischen Bischofskonferenz nahegelegt, Kardinal Reinhard Marx: „Wenn das Kreuz nur als kulturelles Symbol gesehen wird, hat man es nicht verstanden“, meinte er damals. Ähnlich sah es der ehemalige evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Er kritisierte, das Kreuz dürfe nie für irgendwelche „außerhalb von ihm selbst liegenden Zwecke instrumentalisiert werden“.

Den bayerischen Ministerpräsidenten ficht das nicht an. Er hat das Symbol für den Freistaat in Besitz genommen. Sollte es ihm vom Bundesverwaltungsgericht wieder entrissen werden, wird er dies ebenfalls als Symbol deuten: Dafür, dass der Rest der Republik vom richtigen Glauben abgekommen ist.

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