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Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) muss einiges aushalten derzeit.

© IMAGO/Bernd Elmenthaler/IMAGO/Bernd Elmenthaler

Straftat-Vorwürfe in Politiker-Affären: Vorverurteilung im Namen des Volkes

Immerzu wird das Strafgesetz bemüht, um kritikwürdiges Verhalten mit Skandalwirkung aufzuladen. Fair ist das selten – wohl auch nicht im Fall Faeser/Schönbohm

Eine Kolumne von Jost Müller-Neuhof

Von der Publikation der E-Mail aus dem Haus der Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) lässt sich eines sicher sagen: Sie hat Faeser geschadet. Das wird auch das Motiv gewesen sein, dass sie jetzt plötzlich „auftauchen“ konnte.

Diese E-Mail zeichnet das Bild einer drängelnden Ministerin, die alle, wirklich alle Mittel ausgeschöpft sehen wollte, um den von ihr aus dem Amt des Präsidenten des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) entfernten Arne Schönbohm etwas am Zeug flicken zu können. Alle rechtmäßigen Mittel – wozu auch eine Abfrage beim Bundesamt für Verfassungsschutz gehört.

Eine für Faeser überaus unangenehme Geschichte. Sie klingt danach, dass sie bei den Schönbohm-Untersuchungen überzog, wie ihr dieser per Klage auch vorwirft.

Wie man jedoch daraus die Anschuldigung konstruieren kann, die Ministerin habe den Verfassungsschutz - über den sie die Aufsicht führt – auf Schönbohm angesetzt, ihn gar „illegal“ ausgeforscht, erschließt sich nicht. Zudem wurde in Berichten häufiger der Umstand weggelassen, dass Schönbohm selbst um eine Disziplinarprüfung gebeten hatte, um die es in der E-Mail ging - und dieser die angebliche „Ausforschung“ damit veranlasst hätte. Auch dass sich Frau Faeser Infos zum Fall „außerhalb des Dienstwegs“ zusagen ließ, verweist nicht gleich auf dunkle Machenschaften. Manchmal ist der Dienstweg lang.

Arne Schönbohm, damals noch im alten Amt als Chef der Cyber-Abwehr BSI.

© imago images / Reiner Zensen/Reiner Zensen

Egal, Skandal. Strafanzeigen sind gestellt. Von Geheimnisverrat und Verfolgung Unschuldiger ist die Rede. Der Dynamik zuträglich ist ein rhetorischer Oppositionspolitiker-Kniff, der so funktioniert: „Wenn sich herausstellen sollte, dass Vorwurf X zutrifft, muss Y zurücktreten.“ Solch ein leichtfertig gesagter Satz verstärkt den von anderen in die Welt gesetzten Tatverdacht und erspart die eigene Einschätzung, ob es dafür überhaupt Anhaltspunkte gibt. Fair ist das selten.

Viel spricht dafür, dass Faesers Projekt, in Berlin als Ministerin zu reüssieren, um in Hessen Regierungschefin zu werden, an eigener Unzulänglichkeit scheitert. Es gibt in der Tat einiges zu kritisieren, auch im Fall Schönbohm. Der vorschnelle Ruf nach dem Staatsanwalt, nur um politische Affären zu würzen, birgt jedoch Risiken. Er lässt gewählte Amtsträger als Verbrecher erscheinen und diskreditiert demokratische Politik.

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