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Der russische Präsident Wladimir Putin spricht mit Vertretern nationaler öffentlicher Verbände nach einer Blumenniederlegung am Tag der nationalen Einheit auf dem Roten Platz in Moskau.

© IMAGO/Grigory Sysoev

Ukraine-Krieg Tag 254: Putin will auch Schwerverbrecher einberufen

Russische Einheiten sollen auf Fahnenflüchtige schießen, schwere Gefechte im Donbass, China distanziert sich ungewöhnlich stark vom Ukraine-Krieg. Der Überblick am Abend.

Die Ankündigung einer russischen Teilmobilmachung vor einigen Wochen hatte für mächtig Aufruhr gesorgt, Putin hatte hinterher sogar Fehler eingeräumt. Heute verkündete er der Agentur Interfax zufolge, dass insgesamt 318.000 Personen einberufen wurden. Dem russischen Präsidenten reicht das aber wohl nicht. So unterzeichnete er heute auch ein Gesetz, wonach auch Schwerverbrecher eingezogen werden können.

Und nicht nur das: Wie das „Institut for the study of war“ berichtet, könnte das russische Verteidigungsministerium seine Mobilisierungsbemühen fortsetzen, allerdings verdeckt unter der Bildung von sogenannten Freiwilligeneinheiten. Demnach berichteten russische Quellen, dass Beamte immer noch Vorladungen zur Mobilmachung ausstellen würden.

In seiner aktuellen Analyse schreibt das Institut außerdem, dass neu mobilisierte Soldaten „ineffektiv“ eingesetzt würden, nämlich an der östlichen Front. Russland „verschwende“ die Soldaten, weil sie nicht konzentriert, sondern zeitlich und räumlich versetzt eingespannt würden. Hinzu kämen Gegenreaktionen der Russen: Mobilisiertes Personal protestiere, weil versprochene Zahlungen nicht bei ihm ankäme.

Nach Einschätzung der britischen Regierung setzt Russland jetzt sogar Einheiten ein, die eigene Soldaten am Rückzug und an Fahnenflucht hindern soll. Die Einheiten drohten damit, Soldaten auf dem Rückzug zu erschießen, berichtet das britische Verteidigungsministerium. „Die Taktik, Deserteure zu erschießen, ist wahrscheinlich ein Beleg für die geringe Qualität, niedrige Moral und schlechte Disziplin der russischen Streitkräfte“, heißt es weiter. Für die Ukraine allesamt gute Nachrichten.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages im Überblick

  • Der russische Präsident Wladimir Putin ordnet an, dass Zivilisten in der südukrainischen Region Cherson in Sicherheit gebracht werden sollen. Alle, die in Cherson lebten, sollten aus dem gefährlichen Gebiet herausgebracht werden, zitiert die staatliche Nachrichtenagentur RIA Putin. „Die Zivilbevölkerung sollte nicht leiden.“ Cherson gehört neben Luhansk, Donezk und Saporischschja zu den vier Regionen, die Russland annektiert hat. Die Ukraine und westliche Staaten erkennen das nicht an.
  • Russland hat nach Einschätzung der britischen Regierung Einheiten im Einsatz, die die eigenen Soldaten an Rückzug und Fahnenflucht hindern sollen. „Wegen niedriger Moral und Scheu vor dem Kampf haben die russischen Streitkräfte wohl begonnen, „Barrieretruppen“ oder „blockierende Einheiten“ einzusetzen“. Diese Einheiten drohten damit, Soldaten auf dem Rückzug zu erschießen, um Offensiven zu erzwingen. Mehr dazu hier.
  • Die ukrainische Armee berichtet von schweren Kämpfen mit russischen Truppen im Donbass. Schwerpunkte seien die Städte Bachmut und Awdijiwka, sagte Serhij Tscherewatyj, Sprecher der Armeegruppe im Osten des Landes, im ukrainischen Fernsehen. „Der Feind setzt seine Sturmangriffe fort und schießt mit allen Arten von Rohrartillerie, Mehrfachraketenwerfern, Panzern und Mörsern.“ Die Militärangaben waren nicht unabhängig überprüfbar. Aber auch der ukrainische Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj berichtete dem Nato-Oberbefehlshaber Christopher Cavoli am Telefon, Russland habe seine Angriffe verdreifacht. Er sprach von bis zu 80 Angriffen täglich. Die Lage an der Front sei „angespannt, aber unter Kontrolle“, teilte Saluschnyj auf Telegram mit.
  • Der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang hat sich bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Scholz ungewöhnlich deutlich von dem Krieg in der Ukraine distanziert: „Wir können uns keine weitere Eskalation mehr leisten“, sagte er. Es sei nun an der Zeit, „beide Seiten zu Friedensgesprächen zu bewegen.“
  • Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hat vor dem Einsatz von Atomwaffen oder Drohungen gewarnt. In seinem Gespräch mit Kanzler Olaf Scholz sagte er, die internationale Gemeinschaft solle sich dafür einsetzen, „dass Atomwaffen nicht eingesetzt werden können und nukleare Kriege nicht gekämpft werden dürfen“. Mehr dazu hier.
  • Die mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete russische Menschenrechtsorganisation Memorial hat im Internet zu einer Protestaktion gegen den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine aufgerufen. In einem auf  Youtube veröffentlichten Video ist die Mitbegründerin von Memorial, Irina Scherbakowa, zu sehen, die eine knappe Minute schweigend in die Kamera blickt. In der Unterzeile ist in russischer und englischer Sprache zu lesen: „Es kommt in diesem Moment nicht darauf an, was sie sagt. Es kommt darauf an, was du tust.“ Anlass ist der heutige russische „Tag der Einheit des Volkes“.
  • Dank einer internationalen Spendenaktion bekommt die ukrainische Armee 60 gepanzerte Mannschaftstransporter aus alten britischen Beständen. Das teilte die Stiftung des prominenten ukrainischen TV-Moderators Serhij Prytula mit. Die Aktion hatte seit Mittwoch zum Ziel, umgerechnet 5,4 Millionen Euro für 50 Kettenfahrzeuge vom Typ FV103 Spartan zu sammeln. Am Donnerstagabend berichtete Prytula auf Twitter, das Ziel sei übertroffen. „Niemand wird unsere Nation besiegen, denn wir sind Ukrainer!“, schrieb er.
  • Bundesjustizminister Marco Buschmann ist zu einem Besuch in der Ukraine eingetroffen. „Wir stehen heute an der Seite der Ukraine und wir werden es auch in Zukunft tun“, sagte der FDP-Politiker bei der Ankunft auf dem Bahnhof in der Hauptstadt Kiew. Mehr dazu lesen Sie hier.
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Bevölkerung angesichts der massiven russischen Angriffe auf die Energie-Infrastruktur des Landes zum Durchhalten aufgerufen. „Den russischen Energieterror auszuhalten, ist jetzt unsere nationale Aufgabe“, sagte Selenskyj. Er sprach von rund 4,5 Millionen Menschen, die insbesondere in Kiew und zehn weiteren Gebieten immer wieder von Notabschaltungen betroffen seien.

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