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Bruno Kahl, Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Martina Rosenberg, Präsidentin des Militärischen Abschirmdienstes, und Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (v. l. n. r.), vor Beginn der öffentlichen Anhörung im Bundestag.

© dpa/Monika Skolimowska

Gefahr durch Iran, Russland und China: Die Weltlage stellt Deutschlands Geheimdienste vor Herausforderungen

Drohnen, die über Bundeswehr-Liegenschaften fliegen, chinesische Spionage und iranische Dienste, die jüdische Einrichtungen ausspähen. Der Chef der Nachrichtendienste macht deutlich: Multiple Krisen erzeugen auch hier Stress.

Von Anne-Beatrice Clasmann

Die deutschen Nachrichtendienste sehen sich angesichts gewachsener Bedrohungen durch Spionage, Extremismus und Terrorismus aktuell stärker gefordert als noch vor einigen Jahren. Die „Einstiegsschwelle“ in den Rechtsextremismus sei gesunken, sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, am Montag im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages.

Zudem sei „die Entstehung neuer linksterroristischer Strukturen wahrscheinlicher geworden“. Dass es, was islamistischen Terror angeht, hierzulande zuletzt relativ ruhig geblieben sei, sei der Aufmerksamkeit der Sicherheitsbehörden zu verdanken.

Verfassungsschutz-Chef befürwortet Betätigungsverbote

Der Verfassungsschutz hat nach Aussage von Haldenwang Hinweise darauf, dass sich deutsche rechtsextreme Kreise und Russland vernetzen. Der Inlandsgeheimdienst habe die „Arbeitshypothese“, dass Geld aus Russland an einige Protagonisten der Szene gehe, möglicherweise auch zur Finanzierung von Parteien am rechten äußeren Rand.

Der Präsident des Verfassungsschutzes sagte, die von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigten Betätigungsverbote für die islamistische Palästinenser-Organisation Hamas und für das Netzwerk Samidoun halte er für richtig. Was die Auswirkungen der Eskalation in Nahost auf die Sicherheit jüdischer Einrichtungen in Deutschland angeht, sagte Haldenwang, es gebe aktuell keine konkreten Gefährdungshinweise, aber eine „abstrakt hohe Gefährdung“.

Iranische Geheimdienste spähen nämlich nach Erkenntnissen des Bundesamts für Verfassungsschutz gezielt jüdische Einrichtungen in Deutschland aus. „Das geschieht aller Wahrscheinlichkeit nach vor dem Hintergrund, dass man plant, in bestimmten Situationen dann auch gegen diese Einrichtungen oder Personen vorzugehen“, sagte der Präsident des deutschen Inlandsgeheimdienstes, Thomas Haldenwang, am Montag dem Sender RTL.

Die Aktivitäten seien Teil der erhöhten abstrakten Gefahr. Haldenwang wies in der RTL-Sendung „Nachtjournal Spezial“ darauf hin, dass „iranische Dienste“ die Aktionen und Aktivitäten der radikalislamischen Hamas sowie der mit Iran verbündeten libanesischen Hisbollah unterstützten, außerdem „möglicherweise“ auch den unter anderem auch in Deutschland aktiven Verein pro-palästinensischen Verein Samidoun. Die Dienste würden dabei „den kompletten Werkzeugkasten, der ihnen zur Verfügung steht“, nutzen. „Das heißt, wir haben in der Vergangenheit immer wieder erkennen können, dass Anhänger der sogenannten Quds-Forces oder der Revolutionsgarden hier in Deutschland israelische, jüdische Ziele oder jüdische Einzelpersonen ausgespäht haben“, sagte Haldenwang weiter.

BND zieht Konsequenzen aus Ukraine-Debakel

„Unser sicherheitspolitisches Umfeld befindet sich im Umbruch“, konstatierte der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl. Seine Behörde sei nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 teilweise der Kritik ausgesetzt gewesen, „nicht die Stunde“ dieses Angriffs vorausgesagt zu haben.

Die allgemeine Tendenz Russlands, militärische Gewalt einzusetzen, sei aber „durchaus Gegenstand unserer Berichterstattung gewesen“. Entsprechende Warnungen zu Russland seien auch rechtzeitig gekommen. Man habe dennoch mittlerweile Konsequenzen gezogen und nun damit begonnen, „Szenarien-Alternativen aufzustellen und diese mit verschiedenen Wahrscheinlichkeiten zu versehen“.

An Experten für Russland und China herrsche im BND kein Mangel, berichtete Kahl. Schwierig sei es dagegen, Spezialisten im technischen Bereich für den Auslandsnachrichtendienst zu gewinnen und dauerhaft zu halten. Gerade jüngere Arbeitskräfte erwarteten in der Regel Homeoffice-Möglichkeiten und hätten ein Problem damit, wenn sie ihr Handy nicht mit ins Büro nehmen könnten. Beides sei wegen der Sicherheitsanforderungen schwierig.

MAD umfassend ausgelastet

Im Militärischen Abschirmdienst (MAD) würden derzeit alle Arbeitsbereiche durch „die volatile Sicherheitslage“ stark beansprucht, sagte MAD-Präsidentin Martina Rosenberg. Neben der Verhinderung russischer Spionage zu deutscher Unterstützung für die ukrainische Armee beschäftigt den MAD laut Rosenberg momentan unter anderem die dauerhafte Stationierung einer deutschen Brigade in Litauen sowie die sich verschlechternde Sicherheitslage in Mali.

Im Umfeld der Ausbildungsmaßnahmen für ukrainische Soldaten in Deutschland beobachte der MAD, dass diese Soldaten angesprochen würden. Gerade zu Beginn und zum Ende der Maßnahmen hin seien auffällige Drohnenüberflüge festgestellt worden, sagte Rosenberg. Auch wenn man diese nicht zweifelsfrei zuordnen könne, so sei es doch „relativ eindeutig, in welche Richtung es geht“.

Mit Blick auf ehemalige Kampfpiloten der Bundeswehr, die als Ausbilder in China angeheuert wurden, sagte die MAD-Chefin, sie wünsche sich hier eine bessere rechtliche Handhabe. Das gelte sowohl für Nebentätigkeiten als auch für die spätere Berufstätigkeit von ehemaligen Soldaten, vor allem wenn diese besondere Kenntnisse – auch zu Nato-Standards – hätten.

Normalerweise tagt das Gremium des Bundestags, das die Arbeit der Geheimdienste kontrollieren soll, hinter verschlossenen Türen. Der Inhalt seiner Sitzungen ist, abgesehen von einer öffentlichen Anhörung pro Jahr, geheim. (dpa)

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