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Auf Rügen wird seit Monaten gegen das LNG-Terminal protestiert.

© dpa/Stefan Sauer

Volle Speicher, niedrige Gaspreise: Braucht es das LNG-Terminal vor Rügen noch?

Der Winter ist da, aber der Bau des umstrittenen LNG-Terminals auf Rügen hat noch nicht begonnen. Bei Grünen und Union mehren sich die kritischen Stimmen am Projekt der Ampel.

In der vergangenen Woche haben die Abgeordneten des Bundestags mal wieder eindringliche Post von der Insel Rügen erhalten. „Das geplante LNG-Terminal auf Rügen ist längst zum Symbol einer faktenfremden, demokratieschädigenden und umweltfeindlichen Politik geworden“, schreiben darin der Bürgermeister der Gemeinde Binz, Karsten Schneider, und der Tourismusdirektor erbost.

Seit Monaten wehrt sich die Bevölkerung der Ostseeinsel gegen die Pläne der Ampel-Regierung, im Hafen von Mukran ein Terminal für Flüssigerdgas (LNG) zu errichten, um die Ausfälle von russischem Pipeline-Gas zu kompensieren. Bislang ohne Erfolg. Seit der Bundestag das Projekt im Juli in ein Beschleunigungsgesetz aufgenommen hat, schreiten der Hafenumbau und der Bau von Pipelinerohren voran.

Doch angesichts voller Gasspeicher und fallender Gaspreise sieht man auf Rügen keine Notwendigkeit mehr für das Großprojekt, das Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mehrfach mit der Versorgungssicherheit Deutschlands begründet haben.

Man sollte nicht über das Ziel hinausschießen und neue Investitionsruinen schaffen.

Jürgen Trittin, Grünen-Politiker und Ex-Umweltminister, sieht keine Notwendigkeit mehr für den Bau auf Rügen.

Bürgermeister Schneider und sein Tourismusdirektor Kai Gardeja fürchten dennoch um den Ruf der Feriendestination. „Neben den horrenden Schäden für Tourismus, Natur und Klima wird deutlich, dass immer mehr Menschen in Mecklenburg-Vorpommern und in der gesamten Bundesrepublik, die Rügen engstens verbunden sind, den Glauben an die Demokratie verlieren“, heißt es in dem Brief mit Verweis auf jüngste Umfragen, die in dem Bundesland die AfD bei 32 Prozent sieht.

Unterstützung erhalten Schneider und Gardeja nun ausgerechnet aus der Partei von Wirtschaftsminister Habeck. „Die Gasversorgung Deutschlands ist gesichert. Die Angst-Szenarien, die gerade kursieren, gehen von vollkommen unrealistischen Grundannahmen aus“, sagte Grünen-Politiker Jürgen Trittin dem Tagesspiegel. Der frühere Umweltminister verweist zudem darauf, dass die Gasspeicher in Deutschland voll, die bereits bestehenden LNG-Terminals jedoch nur zur Hälfte ausgelastet seien.

„Voller als voll geht nicht“, sagte Trittin.  LNG-Importe würden in Deutschland nur zehn Prozent der Versorgung ausmachen. „Insoweit ist ein weiterer Ausbau, so wie in Mukran, weiter sehr zweifelhaft“, sagte Trittin und appellierte an die eigene Regierung: „Man sollte nicht über das Ziel hinausschießen und neue Investitionsruinen schaffen.“

Ministerium will einen „ausreichenden Sicherheitspuffer“

Auch die Opposition kritisiert das Projekt, das im Hause Habeck vorangetrieben wird. „Bei grüner Energiepolitik stellt sich leider ganz regelmäßig die Frage, ob sich Fakten überhaupt gegen Ideologie durchsetzen können“, sagt Philipp Amthor, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Mecklenburg-Vorpommern. Amthor bezweifelt die Notwendigkeit des Terminals, da in Lubmin – dem anderen LNG-Terminal der Deutschen Regas – nur acht von ursprünglich 41 geplanten Tankern LNG entladen hätten.

„Es ist jetzt die Sache derjenigen, die am lautesten für dieses Projekt getrommelt haben, den Nachweis für die Plausibilität der Notwendigkeit der geplanten Investitionen zu führen.“

Im Wirtschaftsministerium bemüht man sich, die Argumente der Kritiker zu entkräften: „Wir haben gerade den Beginn der Heizsaison“, sagte eine Sprecherin dem Tagesspiegel. Mit allen fünf avisierten LNG-Terminals könne man die Hälfte der Lieferungen erreichen, die man zuvor aus Russland erhalten habe.

„Im Sinne der Versorgungssicherheit soll eine resiliente Energieinfrastruktur errichtet werden, die sich klar am Vorsorgeprinzip orientiert, Risiken einpreist, flexibel ist und in europäischer Solidarität gedacht wird“, teilte die Sprecherin mit. Sie erinnerte daran, dass auch andere europäische Staaten über das Terminal versorgt werden sollen.

Nach dem milden letzten Winter dürfe man nicht nachlassen, die Vorsorge weiter zu stärken. Dafür sei auch ein „ausreichender Sicherheitspuffer“ nötig. „Bei andauernden kalten Temperaturen im Winter würden sich die Gasspeicher rasch entleeren und die Gaspreise wieder stark steigen“, skizziert die Sprecherin ein Worstcase-Szenario.

Dazu könnte – nach den Erfahrungen des Anschlags auf die Rohre von Nordstream II – auch der Ausfall von Lieferungen von Pipeline-Gas aus Norwegen oder Belgien gehören.

Auf Rügen sieht man das gänzlich anders: „Die Notwendigkeit eines LNG-Terminals auf Rügen ist de facto nicht mehr gegeben“, heißt es in dem Brief der Binzer Verantwortlichen. Es sieht jedoch so aus, als müssten sie noch häufiger Briefe schicken.

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