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US-Präsident Donald Trump hat seine Wahlniederlage nie eingestanden.

© Foto: Reuters/Go Nakamura

Die Macht von Lügen und Fake News: Die Republikaner setzen für die Midterms auf ein altbekanntes Mittel

Vor den US-Zwischenwahlen wachsen die Sorgen über die Auswirkungen von Falschinformationen. Präsident Biden verbindet den Angriff auf Paul Pelosi mit Trumps Wahllügen.

Der Fall Paul Pelosi hat gerade deutlich gezeigt, wie schnell sich Falschinformationen im Netz zu einem Tsunami auswachsen können. Der Ehemann von Nancy Pelosi, der demokratischen Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, wurde am vergangenen Freitag in San Francisco von einem Einbrecher angegriffen und mit Hammerschlägen auf den Kopf schwer verletzt.

Der Angreifer David DePape, gegen den inzwischen Anklage unter anderem wegen Mordverdachts erhoben wurde, gab an, auf der Suche nach Nancy Pelosi gewesen zu sein. Aus der Klageschrift geht hervor, dass DePape die 82-Jährige, die sich zu diesem Zeitpunkt in Washington aufhielt, als Geisel nehmen, sich mit ihr unterhalten und ihr im Fall von Lügen die Kniescheiben zertrümmern wollte. Das hätte eine Botschaft an andere Kongressmitglieder gesandt, erklärte er demnach.

Der 42-Jährige soll sich seit Jahren über Verschwörungsmythen etwa zum Sturm auf das Kapitol und die Corona-Pandemie radikalisiert und bisher keinen Kontakt zu den Pelosis gehabt haben. Es war nach seinem Bekunden eine geplante und politisch motivierte Attacke.

Doch diese Fakten halten rechte Medien und Politiker nicht davon ab, Verschwörungsfantasien über eine angebliche Beziehungstat zu verbreiten. Demnach sollen sich Täter und Opfer gekannt haben, der Angreifer sei ein Sexarbeiter gewesen, den ein betrunkener Pelosi selbst ins Haus gelassen habe. Ziel dieser Lügen: Nancy Pelosi und die Demokratische Partei eine Woche vor den wichtigen Kongresswahlen zu diskreditieren.

Falschinformationen mobilisieren und radikalisieren

Da es sich bei dem Opfer nicht nur um den Ehemann der mächtigsten Demokratin im Kongress handelt, sondern die kruden Theorien auch von prominenter Stelle bis hin zum Ex-Präsidentensohn Donald Trump Jr. und dem neuen Twitter-Chef Elon Musk geteilt wurden, ist daraus eine Welle geworden, die breit zur Kenntnis genommen und deshalb auch breit widerlegt wird.

Nicht immer sind Desinformationen so einfach zu identifizieren. Ihr Einfluss ist indes gewaltig, denn damit lassen sich bestimmte Wählergruppen gezielt radikalisieren und mobilisieren – zum Beispiel Hispanics.

Wahlforschern zufolge neigt diese traditionell den Demokraten nahestehende Gruppe, die inzwischen rund 16 Prozent der Wahlbevölkerung ausmacht, mehr und mehr zu den Republikanern. Vor allem in hart umkämpften Swing States wie Nevada oder Arizona könnten sie den Ausschlag geben. Gewannen die Republikaner bei den Midterms 2018 lediglich 25 Prozent ihrer Stimmen, sagen Wahlforscher voraus, dass es in diesem Jahr zwischen 34 und 38 Prozent sein könnten.

Diese Verschiebung liegt zum einen daran, dass die Republikaner etwa wirtschaftliche Sorgen der Amerikaner effektiver adressieren als die Demokraten. Aber es liegt offenbar auch an gezielter Desinformation.

„Das Problem von Falschinformationen ist erheblich. Damit lassen sich bestimmte Gruppen radikalisieren und mobilisieren“, sagt Tyson Barker, der bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) zu dem Thema forscht. Die Desinformation nicht-englischsprachiger Gruppen sei dabei „ein blinder Fleck in der politischen Debatte“. Das betreffe vor allem die Latinos.

Würden Demokraten von Republikanern ständig als „Sozialisten“ bezeichnet, schaffe das bei vielen in dieser Gruppe eine kognitive Verbindung mit den Regierungen, vor denen sie geflohen seien. Eine große Rolle spielten dabei Influencer, deren Botschaften unkritisch aufgenommen würden.

Youtube ist die Nachrichtenquelle vieler Latinos

Latinos hätten generell später angefangen, soziale Medien zu nutzen, sagt Barker. Dann sei es aber auf einmal ganz schnell gegangen. „50 Prozent der Latinos, die soziale Medien benutzen, informieren sich inzwischen über Youtube. Latinos, die Youtube benutzen – und das sind geschätzt 83 Prozent der Latinos –, besuchen die Plattform etwa doppelt so häufig wie andere Erwachsene in den USA.“ Youtube sei ihre Quelle für Nachrichten.

Das werde auch dadurch verstärkt, dass es deutlich weniger traditionelle Angebote für die spanischsprechende Bevölkerung in Amerika gebe, sagt Barker. „Sie gehen daher viel häufiger auf Nischen-Nachrichtenseiten, die Verschwörungstheorien verbreiten.“ Regulierung finde hier kaum statt.

Dass Politiker Desinformationen verbreiten, ist nicht neu und geschieht auf beiden Seiten des politischen Spektrums. Aber das, was etwa die Verschwörungstheoretiker von QAnon betreiben, denen eine ganze Reihe republikanischer Politiker nahestehen, zeigt eine neue Dimension.

Mehrere Studien haben belegt, dass besonders Republikaner dazu neigen, Verschwörungsmythen zu teilen. Die „Washington Post“ wies im Sommer eine signifikante Zunahme von Facebook-Posts von Kandidaten für den Kongress nach, die dubiose Links zu nicht vertrauenswürdigen Seiten teilten – und diese Zunahme gehe vor allem auf Republikaner zurück, die erstmals zur Wahl stehen.

Am Beispiel des Swing States Pennsylvania zeigte die „New York Times“ gerade den Einfluss von Desinformation auf die Wahl am 8. November. Hier wurden etwa Mails verschickt, in denen fälschlicherweise stand, dass Briefwahl keine Option sei.

Auch werden wie im Präsidentschaftswahlkampf 2020 Zweifel an der Sicherheit der Wahlmaschinen geweckt. Das ist vor allem deshalb besorgniserregend, weil sich von Ex-Präsident Donald Trump beauftragte Anwälte bereits darauf vorbereiten, Wahlergebnisse anzufechten.

Am Mittwochabend verband Biden den Angriff auf Paul Pelosi erstmals direkt mit der Tatsache, dass Trump bis heute seine Niederlage leugnet. Diese Lüge vom Wahlbetrug sei die treibende Kraft hinter dem Angriff auf Pelosi und dem Sturm aufs Kapitol, mit dem die Zertifizierung seines Wahlsiegs verhindert werden sollte, sagte der Präsident bei einem Auftritt in Washington. „Es ist eine Lüge, die den gefährlichen Anstieg von politischer Gewalt und Wählereinschüchterung in den vergangenen zwei Jahren befeuert hat.“

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