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Arkadiusz Mularczyk, Polens Vize-Außenminister, mit dem Bericht über die Bilanz der Kriegsschäden in seinem Land.

© dpa/Christoph Soeder

„Es geht um die Würde Polens“: Warschau besteht auf Dialog über Reparationen

Deutschland hat bisher nicht auf die Entschädigungsforderungen für den Zweiten Weltkrieg reagiert. Polens Vize-Außenminister kündigt daher weitere Schritte an.

Der Gast aus Warschau war eigentlich für ein Richtfest nach Berlin gekommen. Polen baut am Boulevard Unter den Linden eine neue Botschaft, die Vertretung rückt damit ins Zentrum der deutschen Hauptstadt. Wie tragfähig die deutsch-polnischen Beziehungen derzeit wirklich sind, muss sich in den kommenden Wochen zeigen.

Denn der neue polnische Vize-Außenminister Arkadiusz Mularczyk wollte bei seinem Antrittsbesuch vor allem über die Frage der Reparationen für Schäden sprechen, die das nationalsozialistische Deutschland seinem Land im Zweiten Weltkrieg zugefügt hatte.

Mularczyk machte deutlich, dass es sich aus Sicht der polnischen Regierung nicht einfach um eine politische Frage handelt. „Es geht um die Würde Polens.“  

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Mit dem Thema Reparationen kennt sich Mularczyk aus wie kein anderer. Schon seine Berufung zum Vize-Außenminister Ende Oktober kann als Signal der nationalkonservativen PiS-Regierung Richtung Deutschland verstanden werden. Zuvor war der PiS-Abgeordnete Mularczyk Vorsitzender einer vom Parlament eingesetzten Kommission, die die vom nationalsozialistischen Deutschland in Polen angerichteten Schäden beziffern sollte.

Fünf Jahre lang recherchierten die Kommissionsmitglieder in Archiven, prüften und rechneten. Am 1. September – dem Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen – stellte Mularczyk den dreibändigen Bericht vor. Die polnischen Kriegsschäden wurden darin mit etwa 1,3 Billionen Euro angegeben. Die Verluste seien sehr konservativ berechnet, sagte Mularczyk in Berlin.

Er erinnerte daran, dass durch Krieg und Besatzung in Polen 5,2 Millionen Menschen getötet wurden. „Jedes fünfte Opfer war ein Kind.“ Die Besatzungspolitik und auch die gezielte Vernichtung der polnischen Eliten hätten Spätfolgen, die bis heute zu spüren seien.

Um die polnischen Ansprüche zu unterstreichen, schickte die Regierung in Warschau am 3. Oktober eine offizielle diplomatische Note an das Auswärtige Amt. „Der polnische Staat und die polnische Bevölkerung erwarten die Aufnahme eines Dialogs in diesem schwierigen Bereich“, sagte Mularczyk. In der Note selbst wird der Begriff „Reparationen“ nicht erwähnt, sondern von Entschädigungen soll darin die Rede sein.

Bundesregierung hält Thema für abgeschlossen

In Berlin heißt es seit Monaten, aus Sicht der Bundesregierung sei die Frage der Reparationen abgeschlossen. Sie sei „völkerrechtlich abschließend geregelt“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Die kommunistisch regierte Volksrepublik Polen hatte im Jahre 1953 auf Ansprüche verzichtet. Die Bundesregierung beruft sich auf den Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1990, der den Weg zur deutschen Einheit ebnete und dem vereinigten Deutschland volle Souveränität zusicherte.

Das Thema Reparationen kommt in dem Vertrag nicht vor. Das vereinigte Deutschland verpflichtete sich 1990, „für eine gerechte Entschädigung der Opfer des NS-Regimes einzutreten“. Später gab es individuelle Einmalzahlungen, beispielsweise für ehemalige Zwangsarbeiter.

Warschau stellt Berlin ein Ultimatum

Auf die diplomatische Note hat die polnische Regierung bisher aus Berlin keine Antwort erhalten. Es könne nicht sein, dass das Anliegen einfach „mit Schweigen“ übergangen werde, sagte der Vize-Außenminister. Deswegen will Polen jetzt den Druck erhöhen und setzt eine Art Ultimatum. „Wir werden noch einige Wochen warten.“

Wenn es dann noch immer keine Reaktion aus Berlin gebe, wolle Polen das Thema auf internationaler Ebene zur Sprache bringen, in den UN, im Europarat und in der EU. „Jetzt hat Deutschland die Wahl: Entweder setzt es sich mit Polen an den Verhandlungstisch oder wir werden die Sache in sämtlichen internationalen Foren thematisieren.“

Tatsächlich hat Polen 51 Staaten aus der EU, dem Europarat und der Nato über seine Position informiert. Zudem plant die Regierung in Warschau eine internationale Konferenz zum Thema. Griechenland fordert von Deutschland schon seit Jahren vergeblich Reparationen für im Zweiten Weltkrieg erlittene Schäden.

Dass diese Forderung in Warschau gerade jetzt erhoben wird, lässt sich auch mit innenpolitischen Faktoren erklären. Die nationalkonservative Regierungspartei PiS setzt auf scharfe Töne gegen Deutschland. Im kommenden Jahr wird in Polen ein neues Parlament gewählt.

Der ehemalige EU-Ratspräsident Donald Tusk, dessen Bürgerplattform (PO) in der Opposition ist, warf der PiS vor, sich mit einer „antideutschen Kampagne“ vor der Wahl profilieren zu wollen. Andererseits schlossen sich sehr viele Abgeordnete der Opposition der Forderung an. Im September stimmte der Sejm, das polnische Parlament, mit einer überwältigenden Mehrheit dafür, von Deutschland eine „Wiedergutmachung“ zu verlangen.

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