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Die USA wollen ihre LNG-Lieferungen mittelfristig drosseln.

© REUTERS/Dado Ruvic

Weniger Gas-Exporte aus den USA: Wie sicher ist Deutschlands Energieversorgung?

US-Präsident Biden kündigt eine Drosselung von Flüssigerdgas-Exporten an. Gleichzeitig treibt die Ampel den Bau von neuen LNG-Terminals voran. Wie passt das zusammen?

Die Presseschau klingt düster: „Joe Biden zeigt Europa die kalte Schulter“, heißt es bei der „Zeit“, „Joe Biden lässt Deutschlands Gas-Träume platzen“, beim „Cicero“ und die „Berliner Zeitung“ fragt: „Profitieren jetzt die Russen?“

Die Ankündigung von US-Präsident Joe Biden, die Gasexporte der USA zu drosseln und neue Ausfuhrgenehmigungen für Flüssigerdgas (LNG) vorerst zu stoppen, hat in Deutschland Politik und Medien aufgeschreckt. Schließlich haben sich die Ampel und viele andere europäische Regierungen gerade erst in einem Kraftakt von russischem Gas unabhängig gemacht. Geholfen hatte dabei zum Teil auch LNG aus den USA.

Tatsächlich kommt der Großteil des europäischen LNG aus den USA, wo die Förderung seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine deutlich ausgeweitet wurde. In Europa macht das amerikanische Flüssigerdgas etwa ein Fünftel des gesamten Gasverbrauchs aus. Deutschland bezog in 2023 laut dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) 83 Prozent seines importierten Flüssiggases aus den USA. Allerdings macht der LNG-Anteil bislang nur sieben Prozent der deutschen Gasimporte aus.

Für Europa wird es kurzfristig überhaupt keine Änderungen am Gasmarkt geben, denn das Moratorium betrifft nur Anlagen, die frühestens 2028 in Betrieb gehen sollten.

Georg Zachmann, Energiemarktexperte beim Thinktank Bruegel

Doch die Ampel treibt den Ausbau der LNG-Infrastruktur weiter voran. Trotz Protesten soll auf Rügen noch in diesem Winter ein viertes deutsches Terminal den Betrieb aufnehmen, die Genehmigung dafür steht offenbar unmittelbar bevor. Mehr als zehn Milliarden Kubikmeter Gas könnten allein auf der Ferieninsel jährlich angelandet werden.

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Die Ampel setzt auf Gas statt auf Atomkraft und Kohle

Das Gas wird wegen des Atomausstiegs und dem geplanten Ende der Kohleverstromung dringend benötigt. Auch für Habecks Pläne einer Kraftwerksstrategie, die zwar noch immer nicht vorliegt, aber im Kern sicherstellen soll, dass die Energieversorgung auch in sogenannten Dunkelflauten sichergestellt wird, ist eine zuverlässige Gasversorgung unerlässlich. Droht nun etwa ein Lieferengpass?

Experten sehen die Lage entspannt: „Für Europa wird es kurzfristig überhaupt keine Änderungen am Gasmarkt geben, denn das Moratorium betrifft nur Anlagen, die frühestens 2028 in Betrieb gehen sollten“, sagt Georg Zachmann, Energiemarktexperte beim Thinktank Bruegel. Auch danach besorgt ihn die Ankündigung nicht: „Die Gasnachfrage in Europa wird wegen des Ausbaus der erneuerbaren Energien, von Wärmepumpen und der warmen Winter schnell absinken.“

Zachmann hält das Vorgehen Bidens für eine intelligente Klimapolitik, da sie den Akteuren in den USA signalisiere, dass sie ihre Investitionen in Zukunft besser in die Erneuerbaren stecken sollten. Trotzdem unterstützt der Energieexperte den Ausbau der deutschen LNG-Infrastruktur: „Eine resiliente Infrastruktur für unsere Gas-Importe ist sinnvoll, auch angesichts der jüngsten Sabotageakte auf Terminals und Pipelines.“

Deutlich alarmierter reagieren jedoch die Gasimporteure, die nicht nur ihr Geschäftsmodell in Gefahr sehen. „Das von der US-Regierung einseitig beschlossene Moratorium betrifft uns als Unternehmen und generell die Stabilität und Versorgungssicherheit der europäischen Energiemärkte. Wir werden nun gemeinsam mit unseren Partnern in den USA die Folgen einer solchen Entscheidung bewerten“, teilte das deutsche Energieversorgungsunternehmen Sefe, das früher unter dem Namen Gazprom Germania firmierte, dem „Handelsblatt“ mit.

FDP fordert Gasförderung in der Nordsee, CDU will schnell Wasserstoff

Im politischen Berlin beobachtet man die Entscheidung in Washington ebenfalls genau: „Die stark gewachsenen LNG-Export-Kapazitäten in den USA sind wichtig, um die deutsche Gasversorgung zu sichern“, sagt der energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kruse. Dass der weitere Ausbau nun unter erhöhten Auflagen erfolge, sei verständlich und verdeutliche, dass Deutschland seine Hausaufgaben machen müsse. „Dazu zählt die schnelle Genehmigung für saubere und sichere Gasförderung in der deutschen Nordsee“, sagte Kruse.

Michael Kruse sitzt für die FDP im Bundestag.
Michael Kruse sitzt für die FDP im Bundestag.

© Foto: Imago/serienlicht

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende, Andreas Jung, sagte dem Tagesspiegel, Deutschland müsse auf vielfältige Lieferbeziehungen achten, einseitige Abhängigkeiten müssten vermieden werden. Der klimapolitische Sprecher der Unions-Fraktion forderte zudem einen raschen Wechsel der Energieträger: „Sowohl LNG-Terminals als auch die von der Kraftwerksstrategie anzureizenden Gaskraftwerke sollen bald möglichst auf Wasserstoff umgestellt werden. Dafür müssen mit Hochdruck die Grundlagen geschaffen werden.“

Die Vorsitzende des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Kerstin Andreae, betonte, dass die Gasversorgung stabil bleibe. „Dennoch sind und bleiben LNG-Importe aus den USA für die Versorgungssicherheit Deutschlands und der EU wichtig. Deutschland und die USA sollten daher weiter gemeinsam an einem funktionierenden LNG-Markt und der Transformation der Energieversorgung arbeiten“, sagte Andreae dem Tagesspiegel.

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