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Als Neofaschistin dämonisiert: Die Anführerin des rechten Lagers in Italien, Giorgia Meloni.

© Foto: imago/Cesare Abbate

Wahl in Italien : Zugewinne rechter Parteien sind bestürzend – und doch hilfreich

Die Erfolge der Populisten von Schweden bis Südeuropa zeigen auch, was Regierungen zuvor falsch gemacht haben. So betrachtet können sie eine Demokratie sogar voranbringen.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Die Wahlerfolge rechtspopulistischer und extrem rechter Parteien in Europa sind ärgerlich. Das trifft jedoch auch auf die Empörung und Larmoyanz zu, mit der Kräfte der Mitte und links der Mitte auf die Ergebnisse reagieren, die sich von Schweden im Norden bis Italien im Süden durchziehen.

Denn sie ignorieren dabei einen wesentlichen Aspekt. Wahlen erfüllen – neben dem praktischen Zweck, eine durch freie Wahlen legitimierte Regierung ins Amt zu bringen – eine wichtige Funktion in der Demokratie. Sie weisen aus, welche Ziele Bürgerinnen und Bürger unterstützen und welche nicht.

Selbst eine dezidierte Protestwahl, die Ärger über den Kurs der zuvor Regierenden ausdrückt, aber nicht notwendig Sympathien für die dagegen revoltierenden populistischen bis extremen Kräfte, hat eine konstruktive Wirkung. Sie macht deutlich, was die nächste Regierung aus Sicht dieser Wähler korrigieren sollte.

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Wahlen zwingen Demokratien zur Kurskorrektur

Das berührt den Kern des Systemvorteils von Demokratien gegenüber Autokratien: die Korrektur von Irrwegen. Regierungen, die demokratisch gewählt wurden, sind nicht gegen Fehler gefeit. Sie machen nicht einmal automatisch weniger Fehler als Diktaturen. Aber weil offene Gesellschaften Kritik an den Regierenden zulassen, sind sie eher zur Kurskorrektur fähig als autokratische Systeme, die Kritik unterdrücken.

So betrachtet können Wahlerfolge von Populisten eine Demokratie sogar voranbringen. Weil sie Kurskorrekturen erzwingen, ob Schweden, Frankreich – oder nun Italien.

Die in Schweden seit Jahren wachsenden Stimmenanteile für die rechten Schwedendemokraten zeigen, was Wählerinnen und Wählern an der Sozialdemokratie dort missfällt. Ähnliches geschieht in Frankreich, wo Marine Le Pen zwar erneut in der Stichwahl um das Präsidentenamt Emmanuel Macron unterlag, aber mit einem stark verbesserten Ergebnis: 41,5 Prozent 2022 gegenüber 33,9 Prozent 2017.

Ob ein Sieg der Rechten wie in Schweden oder eine Niederlage mit deutlich verbessertem Abschneiden in Frankreich: Beides erhöht den Druck auf die Mitte und die Linke, ihre bisherigen Politikangebote zu überprüfen. Und nun zeichnet sich das auch für Italien ab.

Doch ob Schweden, Frankreich oder nun Italien: Die besorgten bis empörten Reaktionen auf die Voten übertönen die im Kern berechtigte Frage, ob es womöglich gute Gründe für den Wunsch so vieler Wähler nach Korrektur gibt. Parteien, die massiv an Stimmen verlieren, sollten die Ursachen zunächst einmal bei sich selbst suchen, statt sich über Populismus, Opportunismus oder Rattenfängerei der siegreichen Konkurrenz zu beklagen und deren Spitzenkandidaten als Neofaschisten zu dämonisieren.

Manche Sympathisanten der linken Kräfte ziehen zudem Schlussfolgerungen aus deren enttäuschendem Abschneiden, die wenig plausibel klingen: Die progressiven Parteien hätten besser abgeschnitten, wenn sie im Wahlkampf vehementer für mehr Klimaschutz, ein liberaleres Asyl- und Migrationsrecht, den Ausbau des Sozialsystems, Gender-, Kolonialismus- und Antirassismusfragen eingetreten wären.

Italien und Schweden werden nicht gleich faschistisch

Aber richtet sich ein Gutteil des Protests nicht gerade gegen solche Haltungen – so bedauerlich das für alle Menschen ist, die diese Anliegen für vordringlich halten?

In Italien und Schweden wartet nicht gleich der Faschismus vor der Tür, wenn Rechtspopulisten und extreme Rechte an der Regierung beteiligt sind. In demokratischen Rechtsstaaten stehen dem hohe Hürden im Weg: Verfassung, Gesetze und Gerichte, plurale Medien und nicht zuletzt die Bürgergesellschaft mit ihren Demonstrationsrechten sowie der Gelegenheit zur erneuten Korrektur bei der nächsten Wahl.

Demokratische Wahlen sind mitunter eine brutale Lehrstunde für Parteien, was sie aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger richtig oder falsch machen. Die Erkenntnisse mögen gemessen an den eigenen Idealen bitter sein. Aber wer sie dauerhaft ignoriert, den bestrafen die Wählerinnen und Wähler erst recht.

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