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Teilnehmer an einer Demonstration von Rechtsextremisten und Reichsbürgern vor dem Brandenburger Tor in Berlin.

© imago images/Future Image

Zunehmend rechtsextreme Tendenzen: Demokratisches Engagement gefährdeter denn je

Rechtsextreme Tendenzen sind in den Alltag vieler Menschen vorgedrungen. Das schlussfolgert der Bundesverband der Mobilen Beratung gegen Rechts. Der Kampf dagegen werde immer schwieriger.

Rechtsextreme Gesinnungen und Äußerungen sind in den vergangenen Jahre immer näher an die Mitte der Gesellschaft herangerückt. Gleichzeitig wird das Engagement gegen Neonazis und andere rechte Gruppen immer schwieriger. Das urteilt der Bundesverband der Mobilen Beratung (MBR) gegen Rechtsextremismus in seinem ersten Jahresbericht über rechte Tendenzen in der Gesellschaft, der am Montag in Berlin vorgestellt wurde.

Dominik Schumacher von der MBR sieht drei wesentliche Entwicklungen: Einerseits sei die „in ihrem Kern völkisch-nationalistisch dominierte AfD erfolgreicher“ denn je. Parallel erodierten bei anderen Parteien die Abgrenzungsmechanismen nach Rechtsaußen. „Der Flurschwatz wird zunehmend normaler“, sagte Schumacher.

Zweitens habe sich insbesondere aus der Corona-Protestbewegung ein stabiles Milieu entwickelt. In vielen Regionen Deutschlands, insbesondere im ländlichen Raum, sieht die MBR bei dieser Bewegung das „Protestmonopol“: Abseits dieses Milieus fänden dort kaum Proteste und Demonstrationen statt.

Im Bereich Rechtsterrorismus ist das Milieu für die Behörden nicht mehr einsehbar.

Daniel Schumacher vom Bundesverband der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus

Zudem würden, drittens, immer mehr Rechtsextreme und speziell auch Reichsbürger Immobilien erwerben. Dadurch entstünden einerseits Treffpunkte. Andererseits aber auch isolierte rechtsextreme Blasen, in denen die Rechten unter sich und für Zivilgesellschaft und auch Sicherheitsbehörden kaum mehr erreichbar seien. „Es entsteht eine Szeneparallelwelt“, sagte Schumacher. Insbesondere bei Rechtsterroristen sei „das Milieu für die Behörden nicht mehr einsehbar“.

Als positiv bewertet die MBR in ihrem Bericht den Erfolg von zivilgesellschaftlichem Engagement, Gegendemonstrationen und Infoveranstaltungen. „Der allergrößte Teil extrem rechter Aktivitäten findet im legalen Bereich statt, im Alltag der Menschen“, sagte Schumacher. Dort seien Rechte vor allem dann erfolgreich, wenn sie nicht als solche erkannt und stattdessen normalisiert würden.

Klima der Angst und Frustration bei Engagierten

Schumacher kritisierte allerdings, dass vielen engagierten Menschen die Rückendeckung fehle. Dorothea Schneider vom Verein „Augen auf – Zivilcourage zeigen“ beklagte, dass viele Engagierte und Vereine nicht ernst genommen würden. Sie sprach von einem Klima der Angst, Frustration und fehlenden Geldern. „Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus einsetzen, sind geforderter denn je – und zugleich ermüdet und ausgebrannt“, sagte auch Schumacher.

Die Ergebnisse des Jahresberichts der MBR decken sich mit Erkenntnissen der sogenannten Mitte-Studie, an der die Sozialpsychologin Beate Küpper beteiligt war. Die Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung erforscht rechte Tendenzen in der Gesellschaft und kommt laut Küpper zu dem Schluss: „Die Erkenntnisse der MBR spiegeln sich in einem drastischen Anstieg demokratiegefährdender Einstellungen in der breiten Bevölkerung.“ Parallel lehnten auch weniger Menschen rechtes Gedankengut ab, sagte die Sozialpsychologin am Montag.

Laut der aktuellen Mitte-Studie haben 8,3 Prozent der Menschen ein geschlossen rechtsextremes Weltbild. Weitere 20 Prozent lehnen dieses nicht ausdrücklich ab. „Demokratiefeindliche Positionen sind selbstbewusster geworden, koppeln sich an politische Gewalt und erreichen zunehmend die Mitte der Gesellschaft“, urteilte Küpper. Das wiederum übersetze sich in steigende Wählerzahlen bei der AfD.

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