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Die Leitung steht.Mittelständische Firmen sind meist noch unzureichend gegen Cyberangriffe und Wirtschaftsspionage geschützt. Deshalb startet in Brandenburg jetz ein Pilotprojekt.

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Brandenburg: Feindliche Übernahme

Brandenburgs Mittelstand bedroht von Wirtschaftsspionage aus Russland und China

Potsdam - Cyberattacken und Wirtschaftsspionage durch Nachrichtendienste, etwa Russlands und Chinas, machen auch um Brandenburg keinen Bogen. „Es sind teils maßgeschneiderte elektronische Angriffe. Und die Operationen werden immer besser“, warnte Hans-Georg Maaßen, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz am Montag in Potsdam zum Auftakt der „Roadshow Wirtschaftsschutz“. Dahinter verbirgt sich eine neue gemeinsame Veranstaltungsreihe des Bundesamtes, von Brandenburgs Investitionsbank (ILB) und des Potsdamer Innenministerium. Weitere Veranstaltungen sollen im September in Schwedt, Wildau und Cottbus folgen. Ziel ist es, vor allem mittelständische Firmen aufzuklären, die immer häufiger Angriffsziel von Wirtschaftsspionage und Cyberattacken werden, aber sich bislang ungenügend dagegen wappnen.

Auch für das Bundesamt für Verfassungsschutz ist es ein Pilotprojekt. Nach Brandenburg wolle man es auf andere Bundesländer ausweiten, sagte Maaßen. Denn die Gefahren würden im Zeitalter der Digitalisierung wachsen. „Die Firmen müssen jeden Zentimeter ihrer Außenhaut schützen. Angreifern genügt nur ein Zentimeter ungeschütztes Terrain“, sagte Maaßen. Er wies darauf hin, dass in Russland oder China Wirtschaftsspionage expliziter Auftrag der Nachrichtendienste sei. Und wer nach China reise, dem sollte bewusst sein, dass die dortigen Geheimdienste jedes Smartphone auslesen können. Und eine Besonderheit Russlands sei „die Zusammenarbeit zwischen den Diensten und dem kriminellen Hackermilieu“.

Wie ILB-Vorstandschef Tillmann Stenger sagte, erleide Deutschlands Wirtschaft pro Jahr einen Schaden von 46 Milliarden Euro durch Cyberattacken. Das mache 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Brandenburgs Landeskriminalamt (LKA) – dort wurde ein extra Referat für solche Delikte eingerichtet – registrierte im vorigen Jahr insgesamt 837 Fälle von Cyberkriminalität. Und der Verfassungsschutz ist immer dann auf dem Plan, wenn es den Verdacht gibt, dass ausländische Dienste im Spiel sind. Man sei voriges Jahr mit rund 20 Fällen befasst gewesen, sagte Mario Fassbender, der beim Brandenburger Verfassungsschutz für Wirtschaftsschutz und Spionageabwehr zuständig ist. Betroffene Branchen seien etwa die Autoindustrie und Maschinenbau, aber auch Banken, Finanzdienstleister und der IT–Sektor. Am meisten bedroht seien das Know-how und die Forschungsabteilungen.

Die Folgen für Firmen, die Opfer von Spionageattacken werden, können gravierend sein. Sie reichen nach einem Vortrag Fassbenders von Wettbewerbsnachteilen, Patentstreitigkeiten, geschädigten IT–Systemen bis zu Imageverlusten oder teuren Rechtsauseinandersetzungen.

In Deutschland ist besonders die mittelständische Wirtschaft ein Ausspähziel, sagte Brandenburgs Innenminister Karl Heinz Schröter (SPD). Knapp zwei Drittel der Angriffe richten sich aber nicht gegen große Industriebetriebe, sondern gegen kleine und mittlere Firmen. Es seien speziell „Hidden Champions“, die in ihrem Feld zur Weltspitze zählen, mit einem Jahresumsatz von bis fünf Milliarden Euro. Von denen gebe es nach einer Studie in Deutschland immerhin 1223 Unternehmen, in Großbritannien hingegen 67, in Frankreich 75, in Italien 76 und in Russland 14. Brandenburg habe drei davon, sagte Schröter. „Wir können da noch zulegen.“ Zu den Hidden Champions in Brandenburg gehörten etwa die die auf selbstklebende Folien spezialisierte Oranienburger Firma Orafol oder auch den Papierhersteller Leipa in Schwedt. Aber auch große Player wie der Turbinenhersteller Rolls Royce in Dahlewitz oder Bombardier in Hennigsdorf seien potenzielle Ausspähziele.

„Wichtig ist es, dass wir möglichst von jeder Attacke erfahren. Viele verschweigen diese aber aus Angst vor Imageverlust“, sagte Schröter. Wenn aber ausländische Nachrichtendienste involviert seien, können sich Firmen auch vertrauensvoll an den Verfassungsschutz wenden. „Wirklich jede Info ist für uns wichtig, um andere zu warnen, um ein Lagebild zu bekommen und reagieren zu können“, erklärte Schröter. Der Verfassungsschutz könne Firmen da maßgeschneiderte Beratungshilfe leisten, sich besser zu schützen. Denn für den Schutz ihrer „Kronjuwelen“ bleiben sie, auch das war eine eindeutige Botschaft von Maaßen und ILB-Chef Stenger, selbst zuständig.

Spionagegefahr droht aber nicht nur virtuell, nicht nur durch äußere Hackerattacken, sondern auch von Innen, etwa durch Werkstudenten oder von Diensten angeworbene frustrierte oder gekaufte Mitarbeiter, sagte Fassbender.

Wie schnell das Computersystem einer Firma gehackt werden kann, illustrierte der Brandenburger Verfassungsschützer mit folgenden Beispiel: „Lassen Sie einfach einen Stick in der Kantine oder der Herrentoilette liegen. Einer wird ihn sicher in den Rechner stecken.“ (mit dpa)

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