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27.02.2024, Brandenburg, Lübben: Viele Menschen nehmen am Abend an einer Demonstration auf dem Marktplatz der Spreewaldstadt Lübben teil. Erneut sind Hunderte Menschen einem Aufruf der Bürgerinitiative «Unser Lübben» gefolgt und zur Demo auf dem Marktplatz gekommen. Foto: Patrick Pleul/dpa - Honorarfrei nur für Bezieher des Dienstes ZB-Funkregio Ost +++ ZB-FUNKREGIO OST +++

© ZB/Patrick Pleul

Lokalreporter mit Ei beworfen: Demonstrierende in Lübben greifen Politik und Medien an

Wegen eines geplanten Flüchtlingsheims war es zu zahlreichen rassistischen Vorfällen in Lübben gekommen. Bei einer Demonstration der lokalen Bürgerinitiative blieben diese jedoch unerwähnt.

Ein einziges Plakat weist darauf hin, worum es eigentlich geht. „Ist euch Geld wirklich wichtiger als die Sicherheit Lübbens?“, steht darauf. Befestigt ist das Banner an einem alten Feuerwehrauto auf dem Markt des Spreewaldortes, wo am Dienstagabend etwa 300 Menschen einem Aufruf der Bürgerinitiative „Unser Lübben“ gefolgt sind. 

Gegründet hatte sich das Bündnis bereits im Frühling vergangenen Jahres. Damals machten erste Gerüchte die Runde, dass der Landkreis Dahme-Spreewald in der 14.000-Einwohner-Stadt eine Unterkunft für Geflüchtete plant. Seitdem gehen die Unterstützer der Bürgerinitiative gegen die Pläne regelmäßig auf die Straße. Währenddessen sind die Absichten des Kreises mittlerweile konkret: Im zweiten Quartal dieses Jahres sollen 95 Asylbewerber nach Lübben kommen und in Wohneinheiten in Modulbauweise ziehen. 

„Ist Euch Geld wichtiger als die Sicherheit Lübbens?“ Banner am Dienstagabend in der Spreewaldstadt Lübben.
„Ist Euch Geld wichtiger als die Sicherheit Lübbens?“ Banner am Dienstagabend in der Spreewaldstadt Lübben.

© ZB/Patrick Pleul

Es geht nicht um Lübben, sondern ums große Ganze

Über dem Lübbener Markt wehen am Dienstagabend vor allem Deutschlandfahnen. Generell geht es hier vor allem ums große Ganze – Lübben selbst und die geplante Unterkunft spielen in keinem einzigen Redebeitrag eine Rolle. Und das, obwohl es in den vergangenen Wochen zu diversen rassistischen Vorfällen in Zusammenhang mit der geplanten Geflüchtetenunterkunft gekommen ist. 

Zunächst tauchten volksverhetzende Plakate am Rande des betreffenden Geländes auf, wenige Tage später wurde der Polizei ein Galgen aus Holz mit einer rassistischen Aufschrift gemeldet, die sich gegen schwarze Menschen richtet. Der traurige Höhepunkt folgte mit einer konkreten Todesdrohung gegenüber der Lübbener Familie, die dem Landkreis das Grundstück für das Heim zur Verfügung stellt. Das Foto der Drohung war unter anderem im Telegram-Kanal der Bürgerinitiative verbreitet worden.

Der rassistische Galgen in Lübben.
Der rassistische Galgen in Lübben.

© Privat

Distanzierung bleibt aus

Doch wer eine Distanzierung von den Vorfällen oder gar Solidaritätsbekundungen mit den bedrohten Mitbürgern auf dem abendlichen Markt erwartete, wurde enttäuscht. Stattdessen dominierten bundespolitische Themen. „Keine Waffenlieferungen in die Ukraine”, größere Wertschätzung der Landwirtschaft, mehr Bildung in die Köpfer „unserer Kinder”, statt Cannabis. 

Auch die Bauernschaft war bei der Kundgebung vertreten, etwa 20 Traktoren parkten am Rande des Platzes. Die Landwirte komplementieren ein gemischtes Publikum: Handwerker, Familien, Freundesgruppen. Ein einzelner Mann trug eine Mütze mit der Aufschrift „Russia”, ein anderer präsentierte seine Kopfbedeckung in den Farben der Reichsflagge. Die AfD war mit dem Bundestagsabgeordneten Steffen Kotré und Hans-Christoph Berndt, Fraktionsvorsitzender im brandenburgischen Landtag, im Publikum vertreten. 

„Demokratie ohne Brandmauer“. Demonstrant in Lübben.
„Demokratie ohne Brandmauer“. Demonstrant in Lübben.

© ZB/Patrick Pleul

Fast bekam man zwischendurch den Eindruck, es handele sich um eine religiöse Veranstaltung und nicht um eine Demonstration einer Initiative, die sich „Unser Lübben – wir wollen keine Containerdörfer“ nennt. Das lag unter anderem an einer Frau, die zwischen den verschiedenen Redebeiträgen immer wieder gegen eine Klangschale am Mikrofon schlug. Kurz vor Ende wurde fast mantraartig die Parole „Wir schaffen das alle nur gemeinsam“ von der Menge wiederholt. Was genau man gemeinsam schaffen wolle, blieb unklar. 

Die friedliche Atmosphäre wurde vor allem durch eine ausgesprochene Medienfeindlichkeit getrübt, die in den Ansprachen immer wieder deutlich wurde. Man fühle sich missverstanden und in die rechte Ecke gedrängt, hieß es von der Bühne. Die angeblich unfaire Berichterstattung ließ einen Redner sogar dazu hinreißen, zwei Reporter der Lokalzeitung namentlich zu erwähnen und an den Pranger zu stellen. 

Dass aus Worten bekanntermaßen Taten folgen können, bewahrheitete sich auch an diesem Dienstagabend in Lübben. Nachdem die anwesenden Lokalreporter zuvor bereits mit Fingerzeigen und bösen Blicken konfrontiert wurden, flog am Ende ein Ei auf die zuvor auf der Bühne erwähnten Journalisten. 

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