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23.03.2023, Brandenburg, Potsdam: Katrin Lange, Brandenburger Ministerin der Finanzen und für Europa, und Dietmar Woidke (beide SPD), Ministerpräsident von Brandenburg, unterhalten sich während der von der Fraktion BVB/Freie Wähler beantragten Aktuellen Stunde zum Thema ·Wegfall, Ausfall, Ersatzverkehr - sieht so Verkehrswende aus?·. Foto: Soeren Stache/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Soeren Stache

„Schwarz-Rot in Berlin sozialer als Kenia in Brandenburg“ : Linke setzt Woidke-Regierung mit Hauptstadt-Koalition unter Druck

Oppositionsführer Sebastian Walter (Linke) fordert kostenloses Schulessen auch im Land Brandenburg. Das Vorbild ist Berlin.

Es war eine vorgezogene Berliner Oster-Überraschung für Brandenburg: Der Koalitionsvertrag von SPD und CDU in der Hauptstadt setzt in der Mark die Kenia-Regierung unter Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) unerwartet unter Druck. Denn für die Linke-Opposition im Potsdamer Landtag sind die Sozialversprechen von CDU und SPD im Nachbarland geradezu eine Steilvorlage, und das ein Jahr vor der Landtagswahl. „Schwarz-Rot in Berlin macht eine sozialere Politik als die Kenia-Koalition in Brandenburg“, sagte Linke-Fraktionschef Sebastian Walter dieser Zeitung.

Brandenburg hat Nachholebedarf

Er verwies dabei konkret auf die Ankündigungen des künftigen Berliner SPD/CDU-Bündnisses, am kostenfreien Mittagessen an den Grundschulen und am kostenlosen ÖPNV für alle Kinder festzuhalten. Beides gibt es in Brandenburg nicht, wird aber von den Linken gefordert. Zum anderen verwies Walter auf die versprochene Weiterführung des unter Rot-Rot-Grün eingeführten 9-Euro-Sozailtickets und des 29-Euro-Tickets, was in Brandenburg die Regierung ablehnt. Beide Tickets dürfen nicht an der Berliner Stadtgrenze enden, fordert Walter: „Brandenburg musse seine Verweigerungshaltung aufgeben.“

Beide Bundesländer der Hauptstadtregion, die vierzehn Kreise und vier kreisfreien Städte der Mark betreiben den Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB). Für Woidke und Brandenburgs zuständigen Verkehrsminister Guido Beermann (CDU), so die bisher eindeutige Brandenburger Regierungsposition, hat die Sicherung des Nahverkehrsangebots - im dünnbesiedelten Flächenland schon schwierig genug - Vorrang vor günstigeren Tickets, erst Recht auch noch über das deutschlandweite 49-Euro-Ticket hinaus.

Auch die Brandenburger Landkreise lehnen dies ab. Konflikte im VBB sind programmiert, eine Einigung zwischen CDU-Minister Beermann und dem künftigen CDU-Senatsmitglied für Verkehr dürfte von vornherein unmöglich sein.

Woidke reagierte knapp auf Berliner Koalitionsvertrag

Vor diesem Hintergrund wundert es auch nicht, dass Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) nur in einem auffällig knappen Statement auf den Berliner Koalitionsvertrag reagiert hatte, den sein designierter CDU-Amtskollege Kai Wegner und die bisherige SPD-Regierende Franziska Giffey präsentiert hatten, die Woidke im Wahlkampf unterstützt hatte.

Wichtige Themen sind für uns der Ausbau der Bahn, eine gemeinsame Energieregion, die Gesundheitswirtschaft und eine noch engere Abstimmung rund um das wichtige Thema Wasser.

Dietmar Woidke (SPD), Brandenburgs Ministerpräsident, zum Berliner Koalitionsvertrag

„Ich begrüße es, dass Berlin zusammen mit uns die Metropolregion Berlin-Brandenburg zu einer der bedeutendsten Wirtschafts-, Technologie- und Innovationsstandorte Europas weiterentwickeln will“, erklärte Woidke. „Wichtige Themen sind für uns der Ausbau der Bahn, eine gemeinsame Energieregion, die Gesundheitswirtschaft und eine noch engere Abstimmung rund um das wichtige Thema Wasser.“

Berlin für ICE-Werk bei Großbeeren

In Woidkes Aufzählung ist weder von kostenlosen Schulessen, noch vom 29-Euro-Ticket die Rede und auch nicht von der angestrebten Ausweitung der Berliner VBB-Tarifzone B auf den ersten Halt im Brandenburgischen. Für Brandenburg relevant ist etwa, dass der Koalitionsvertrag sich zu den I2030 Bahnprojekten bekennt, und auch erklärt wird: „Wir unterstützen im Einvernehmen mit dem Land Brandenburg den Bau eines weiteren ICE-Werks auf Stadtgüterflächen in Großbeeren.“

Grüne eher gegen größere Tarifzone B im VBB

Der Brandenburger Grünen-Abgeordnete und Verkehrsexperte Clemens Rostock begrüßte ausdrücklich, dass „Berlin die i2030-Projekte fortsetzen und um weitere Projekte erweitern will.“ Gut sei ebenfalls das Bekenntnis, „die Planungen der Ostbahn bis zur Baureife sicher stellen zu wollen“. Es ist die Strecke Berlin-Stettin.

Zur angestrebten Erweiterung der VBB-Tarifzone B äußerte sich Rostock skeptisch. „Das Verschieben der Grenze der Tarifzone B dürfte bei vielen betroffenen berlinnahen Gemeinden Jubel auslösen. Ich befürchte aber, dass es das vorhandene Problem nur verschieben und neue Probleme schaffen würde“, sagte der Grünen-Politiker. „Auf jeden Fall müsste dann auch die Grenze der Tarifzone C verschoben werden.“

Es wird eher so getan, als ob Berlin eine Insel ist.

Sebastian Walter, Linke-Oppositionsführer im Brandenburger Landtag

Auch einer anderen Stelle plant Schwarz-Rot in Berlin schon mal im Brandenburgischen. So wird länderübergreifendes Konzept angekündigt, um Park-&-Ride und Bike-&-Ride-Stellplätze „am Stadtrand und vor den Toren Berlins“ auszubauen. „Wir wollen perspektivisch mehr als 10.000 Abstellplätze für Kraftfahrzeuge und Fahrräder schaffen“, heißt es da. Und so ist aus Brandenburgischer Perspektive auch für Linke-Oppositionspolitiker Sebastian Walter der Koalitionsvertrag zu Berlin-zentriert, nicht genug auf die Hauptstadtregion ausgerichtet: „Es wird eher so getan, als ob Berlin eine Insel ist.“

Wie man es auch dreht: Wenn der Koalitionsvertrag im Nachbarland veraschiedet und Berlins CDU/SPD-Koalition unter einem Regierenden Kai Wegner (CDU) tatsächlich ihre Arbeit aufnehmen wird, gibt es viel zu bereden zwischen Berlin und Brandenburg.

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