zum Hauptinhalt
Mit einer EU-Flagge hat sich ein Demonstrant in Tiflis eingehüllt, der gegen das umstrittene Gesetz auf die Straße gegangen ist.

© Reuters/Zurab Javakhadze

Protest in Georgien: Mit der Angst gespielt und verloren

Die Machthaber in Tiflis haben ihr Maulkorb-Gesetz gegen die Opposition zurückgezogen. Aber den Protestierenden geht es nicht nur darum – sie kämpfen um ihre Zukunft.

Ein Kommentar von Frank Herold

Die Geschichte scheint sich zu wiederholen. Die Bilder aus Tiflis gleichen jenen von Kiew aus dem November 2013. Zehntausende gehen auf die Straße, um gegen ihre Regierenden aufzubegehren. Tiflis erinnert aktuell an die Ereignisse, die in Kiew in die Maidan-Revolution mit ihren zahlreichen Opfern mündeten. Im Winter 2014 reagierte Russland nach Jahren der wirtschaftlichen Aggression gegen die Ukraine mit der militärischen auf der Krim und im Donbas.

Die Angst, dass sich diese Geschichte tatsächlich wiederholt, treibt die Menschen in Georgien um. Zu Recht, denn Russland kontrolliert mit seinen Truppen in den separatistischen Regionen Abchasien und Südossetien bereits beträchtliche Teile des Landes. Unvergessen ist auch die Invasion im Sommer 2008.

Mit der Angst haben die Regierenden in Georgien ihr Spiel getrieben. All jene, die die Zukunft des Landes in der EU sehen, wurden seit Monaten beschuldigt, sie wollten das Land in einen neuen Krieg gegen Russland treiben.

Diesen Machthabern ist nicht zu trauen

Diese abstruse Argumentation ist zumindest vorübergehend gescheitert. Das Gesetz zur Kriminalisierung kritischer Medien und der organisierten Zivilgesellschaft ist vorerst zurückgezogen. Doch diesen Machthabern ist nicht zu trauen. Sie werden vielmehr versuchen, ihre schizophrene Politik fortzusetzen: in hohlen Phrasen von Europa und Demokratie reden, das Land aber in Richtung Moskau und autoritäre Herrschaft führen, um sich an der Macht zu halten.

Die Demonstranten in Tiflis lassen sich von dem vorläufigen Rückzug offenbar nicht täuschen. Sie protestieren nicht einfach gegen eine Regierung, tatsächlich kämpfen sie gegen einen schleichenden Staatsstreich von oben. Georgiens Regierung ist ein neuerliches Beispiel für einen öfter beobachteten Vorgang: Die in demokratischen Wahlen siegreiche Partei nutzt nach dem Regierungswechsel ihre Macht, um die Verfassung zu brechen, die Demokratie auszuhöhlen, letztlich mit dem Ziel, sie zu beseitigen.

Die Europäische Union hat die georgische Regierung in letzter Zeit oftmals gewarnt, dass die politische und finanzielle Hilfe auf dem Spiel steht, wenn sie die Brücken in Richtung Westen weiter zerstört. Offenbar hat dies bislang wenig genützt. Es ist deshalb an der Zeit, den Protest in Tiflis wirksamer zu unterstützen. Die EU muss nicht nur warnen, sie darf diese Regierung nicht länger subventionieren.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false