zum Hauptinhalt
Robin Knoche schoss Union am Donnerstag zum wichtigen Sieg gegen Sporting Braga.

© Imago/Michael Taeger

Abwehrchef und Elfmeterschütze: Robin Knoche ist das Gesicht des Berliner Minimalismus

Der 1. FC Union spielt in der Europa League zuletzt wie sein Abwehrchef: besonnen, robust, wenig spektakulär – aber erfolgreich. In den fünf Gruppenspielen der Berliner fiel jeweils nur ein Tor.

Wieder einmal musste Robin Knoche lange warten. Der Abwehrchef des 1. FC Union war bereit, doch es dauerte und dauerte. Erst hörte Schiedsrichter Craig Pawson seinem Videoassistenten mit einem Finger am Headset zu, dann lief er selbst zur Seitenlinie und schaute sich die strittige Szene auf dem Monitor an. Zwischen dem Handspiel von Sporting Bragas Fabiano, das Knoche wie die meisten Berliner Spieler gar nicht bemerkt hatte, und der Ausführung des Elfmeters vergingen fast vier Minuten. „Das ist ja mittlerweile gang und gäbe, aber man gewöhnt sich dran“, sagte Knoche nach dem Spiel ebenso gelassen, wie er den entscheidenden Strafstoß zuvor verwandelt hatte.

Die Szene wirkte beinahe wie ein Déjà-vu. Schon vor zwei Wochen gegen Malmö FF hatte sich Union im eigenen Stadion schwergetan, klare Chancen herauszuspielen. Die Zeit lief herunter, die Berliner brauchten unbedingt einen Sieg – und dann gab es Elfmeter. Knoche wartete, blieb cool und verwandelte in die linke Ecke. Es war jeweils der 1:0-Siegtreffer für die Berliner.

Bei der Niederlage in Bochum am vergangenen Sonntag hatte sich Milos Pantovic den Ball geschnappt und verschossen. „Einen sicheren Elfmeterschützen in der Mannschaft zu haben, hilft dir. Er hat das souverän erledigt, wie ich das von Führungsspielern auch erwarte“, sagte Trainer Urs Fischer über seinen Abwehrchef. Etwas knalliger fiel das Lob von Kevin Behrens aus. „Eiskalt, der Typ!“, brüllte der Stürmer, als er in der Mixed Zone an Knoche und den Journalisten vorbeilief.

Eiskalt der Typ!

Stürmer Kevin Behrens über Robin Knoches Qualitäten als Elfmeterschütze

Genau das macht den Innenverteidiger für die Berliner so wichtig. Knoche bringt scheinbar nichts aus der Ruhe. Das gilt neuerdings auch vom Elfmeterpunkt, doch bei Union schätzen sie ihn vor allem für seine Qualitäten im Kerngeschäft. Der 30-Jährige organisiert die Defensive und sorgt mit seinen Kommandos dafür, dass die Abstände in der Dreierkette stimmen.

Mit seiner Mischung aus Robustheit und Erfahrung gelingt es ihm, die Zweikämpfe meist fair zu bestreiten, statistisch begeht er weniger als ein Foul pro Spiel. Zudem hat sich Knoche in den vergangenen Jahren auch im Spiel mit dem Ball entwickelt. Gegen Braga war das gut zu sehen, als er sich mit einem beherzten Dribbling aus dem Pressing befreite, anstatt den Ball einfach nach vorne zu schlagen.

Insbesondere in der Europa League ist er aktuell das Gesicht des Berliner Minimalismus. In der Defensive hat er großen Anteil daran, dass seine Mannschaft erst zwei Treffer kassiert hat – und vorne ist er mit seinen zwei verwandelten Elfmetern bester Torschütze. Union spielt international wie Knoche: besonnen, robust, wenig spektakulär – aber erfolgreich. Mit einem Torverhältnis von 3:2 haben die Berliner neun Punkte geholt, in ihren fünf Spielen fiel jeweils nur ein Treffer.

Durch den Sieg gegen Braga geht Union als Tabellenzweiter ins letzte Gruppenspiel. Allerdings brauchen die Berliner am kommenden Donnerstag in Brüssel vermutlich einen Sieg. Denn Braga spielt im eigenen Stadion gegen das bereits ausgeschiedene Malmö und bei Punktgleichheit würden sich die Portugiesen wegen des besseren Torverhältnisses durchsetzen.

Ein möglicher Vorteil für Union könnte der bereits feststehende Gruppensieg des kommenden Gegners sein. Union Royale St. Gilloise ist schon für das Achtelfinale qualifiziert. „Wir haben alles in der eigenen Hand“, sagte Knoche. Mit einem Sieg würde auch Union in der Europa League überwintern und in der Zwischenrunde vermutlich auf ein internationales Schwergewicht der Kategorie FC Barcelona, Juventus Turin, Ajax Amsterdam oder Atletico Madrid treffen.

Dass die Berliner in der Bundesliga und international überhaupt in solchen Sphären unterwegs sind, erhöht auch die Aufmerksamkeit. Selbst der Bundestrainer hat Köpenick neuerdings zumindest mit einem halben Auge im Blick. Unter der Woche wurde bekannt, dass Knoche und Mittelfeldspieler Rani Khedira zur maximal 55-köpfigen Vorauswahl von Hansi Flick für die Weltmeisterschaft in Katar gehören.

Eine WM-Teilnahme bezeichnete Knoche bei Sky als „Traum“, für den er auch auf den bereits gebuchten Urlaub gerne verzichten würde. Allerdings ist es eher unwahrscheinlich, dass er am 10. November zum finalen 26-Mann-Kader gehören wird. Knoche wurde bisher erst einmal für ein Länderspiel nominiert, im November 2014.

Sowohl Joachim Löw als auch sein Nachfolger Flick legen bei Innenverteidigern viel Wert auf die Qualitäten am Ball. In dieser Disziplin hat sich Knoche zwar verbessert, an Antonio Rüdiger, Niklas Süle, Nico Schlotterbeck oder Mats Hummels kommt er in Sachen Spielaufbau allerdings nicht heran. Bei Union wissen sie indes, was sie an Knoche haben – und sollte es demnächst wieder einen Elfmeter geben, dürfte klar sein, wer den schießen wird. Julian Graeber

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false