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Fans bei den Weltspielen von Special Olympics

© IMAGO/GEPA pictures

Berliner Schulklassen bei den Weltspielen: Einfach mal etwas anderes erleben

Die Weltspiele von Special Olympics werden gut besucht von Berliner Schulklassen. Für viele Schüler ist das gelebte Inklusion. Was an ihrer Schule mitunter oft noch fehlt.

Die fast dreißig Schüler*innen des Melanchton-Gymnasiums in Berlin zählen am Donnerstagmorgen laut herunter: „Six, five, four, three, two, one!“ Sie applaudieren – und dann gehen die Wettkämpfe los. Auf den Tischtennisplatten fliegen die Bälle hin und her und auf den vier Tribünen rundherum sitzen überall Schulklassen und feuern die Athlet*innen der unterschiedlichsten Nationen an.

Die zehnte Klasse des Gymnasiums besucht die Weltspiele von Special Olympics im Rahmen der Aktion „Fans on the Stands“. Die Jugendlichen sollen so mithelfen, eine enthusiastische Atmosphäre zu kreieren. Dabei habe sich die Schulklasse vom Melanchton gar nicht so wirklich im Vorfeld mit den Weltspielen beschäftigt, sagt eine der beiden begleitenden Lehrerinnen.

Die Schule hat eine Diversity-AG

Ihrer Ansicht nach habe es auch an Werbung für die Spiele gefehlt: „Das geht einfach unter im Informationsdschungel“. Doch „die Schüler*innen sind sehr sportbegeistert und haben Lust“, ergänzt ihre Kollegin. Laurens, ein Schüler, will sich „einfach überraschen“ lassen. Auch für ihn sei Special Olympics etwas Neues, er habe vorher davon nichts gewusst. Sein Klassenkamerad Khoshi war „überrascht, so viele Sportler in der Stadt zu sehen“.

Die Klasse hat sich aus Marzahn-Hellersdorf, im Osten der Stadt, auf den Weg bis an das andere Ende von Berlin zum Messegelände aufgemacht. Das Gymnasium habe sich Inklusion mit auf die Fahnen geschrieben, sagt eine der Lehrerinnen. Und auch ein Schüler erzählt von der „bunten Schule mit viel Toleranz, an der sich viele wohlfühlen“.

Auch viele Kinder erfreuen sich an den sportlichen Höchstleistungen und sorgen für Stimmung.

© IMAGO/Nordphoto

Im Unterricht werde das Thema Inklusion nicht anders behandelt wie jedes andere Thema auch, sagt die Lehrkraft. Denn es „ist auch einfach ganz normal“. Trotzdem gebe es genug Nachholbedarf, angefangen bei den Schulbüchern. „Es werden immer nur dünne, langhaarige, blonde, vermeintlich makellose, hübsche Mädchen abgebildet.“ Inklusion und Diversität: Fehlanzeige.

Die Schule hat eine Diversity-AG, bei der auch Inklusion ein Thema ist. Der Leiter, Klaus Heil, sieht das als einen „Teil zur Demokratiebildung“. Trotzdem „steht die Schule noch am Anfang ihrer Antidiskriminierungsarbeit“. Von Barrierefreiheit ist das Gymnasium noch weit entfernt, der Grund: „Der alte Bau, der sehr, sehr schwer umzubauen ist.“

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Auch wenn die Lehrkräfte sich bemühen würden, zum Beispiel Möglichkeiten für Kinder mit Sehbeeinträchtigungen zu schaffen, so scheitere es doch immer wieder am bestehenden Schulsystem. Es sei noch nicht weit genug fortgeschritten. Inklusion kann so nicht funktionieren.

Mario Dobe, Vorsitzender des Berliner Fachbeirats Inklusion, sagte in einem Gespräch mit der „taz“ im August 2022, dass vor allem die Schulform Gymnasium sich mit Inklusion besonders schwertue. „Eine Schule, die für die Schüler*innen als einzigen Abschluss das Abitur vorsieht – warum sollte die sich für ein Kind mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung öffnen?“ Wie Heil bestätigt aber auch Dobe, dass sich bemüht werde, Kinder mit körperlich-motorischen Beeinträchtigungen in der Gymnasiallaufbahn mitaufzunehmen – sofern es die baulichen Bedingungen gestatten würden.

Eine Schule, die für die Schüler*innen als einzigen Abschluss das Abitur vorsieht – warum sollte die sich für ein Kind mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung öffnen?

Mario Dobe, Vorsitzender des Berliner Fachbeirats Inklusion 2022 zur „taz“

2019 gab die Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie als Antwort auf eine schriftliche Anfrage 30 Schulen in Berlin als barrierefrei an – von rund 800 Schulen insgesamt in der Hauptstadt. Auch der Auf- und Ausbau inklusiver Schwerpunktschulen geht nur stockend voran. 36 sollen es werden, 16 in den nächsten Jahren noch gebaut werden.

Die Zehntklässler*innen des Melanchton-Gymnasiums hatten ein paar Jahre lang eine Person mit Lernbeeinträchtigung in der Klasse und „mit der Zeit gelernt, wie wir miteinander umgehen“, sagt Schülerin Khoshi. Die Jugendlichen seien in der Zeit sehr gereift, erzählt die Lehrerin.

Jetzt, beim Anfeuern der Tischtennisspieler*innen bei den Weltspielen, scheinen die Schüler*innen einfach nur Spaß zu haben. In einer Pause machten die Jugendlichen, von denen manche in einer AG Japanisch lernen, Fotos mit einem Spieler aus dem japanischen Team und „erleben einfach mal etwas anderes“, sagt die Lehrerin.

Was die Schüler*innen der zehnten Klasse untereinander aber sowieso am meisten interessiert, ist die Frage, „ob der Spieler aus Portugal wohl schonmal mit Ronaldo geredet hat?“. Schließlich sei der Fußballstar Portugiese – und „da kennt jeder Ronaldo“.

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