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„Holcim-PRB“-Skipper Kevin Escoffier (vorne) feiert den Sieg der 2. Etappe.

© Sailing Energy / The Ocean Race

Herzschlagfinale in Kapstadt: „Holcim-PRB“ gewinnt auch die 2. Etappe des Ocean Race knapp

Das hat es noch nie gegeben: Nach 4000 Meilen erreichen drei Teilnehmer das Ziel innerhalb von 25 Minuten. „Malizia“ wird 4., nachdem die Crew um Skipper Will Harris im Schatten des Tafelbergs in ein Windloch fällt. 

„Ehrlich gesagt“, meint Sam Goodchild hinterher, „hatten wir nur ein bisschen Glück“. Mit dem hauchdünnen Vorsprung von 16 Minuten sicherte sich „Holcim-PRB“ nach 4000 Meilen den Sieg der 2. Etappe des Ocean Race von den Kapverden nach Kapstadt. Und der britische Ko-Skipper wusste, dass er dieses Glück nicht Können verdankte. „Ich werde jedenfalls nicht hingehen und behaupten, wir hätten gewonnen, weil wir das Talent dazu besäßen.“

Dafür war einfach zu wenig vorhersehbar. Einerseits entwickelten sich die Winde ganz anders als erwartet, andererseits schob sich immer wieder ein anderes der vier um die Führung kämpfenden Teams an die Spitze. „Aber wir waren am Ende vorne.“

„Biotherm“ (Hintergrund) nähert sich Kapstadt, während die siegreiche „Holcim-PRB“ das Ziel beinahe erreicht hat.

© Sailing Energy / The Ocean Race

Als zweites überquerte das französische „Biotherm“-Team um Skipper Paul Meilhat die Ziellinie, das eine Woche zuvor den Anschluss an die Spitzengruppe verloren hatte. Als Dritte kamen die Amerikaner von „11th Hour“ in Kapstadt an, neun Minuten später.

Skipper Charlie Enright und Navigator Simon Fisher hatten über weite Strecken der Etappe vorne gelegen und kaum etwas falsch gemacht. Sie leisteten sich einen Nahkampf über tausende von Meilen mit „Holcim-PRB“, belauerten einander, zwangen die Kontrahenten, ihnen zu folgen. Erst als das Land schon in Sichtweite war und der Wind abermals nachließ, hatten sich die Franzosen Escoffier und Meilhat taktisch besser positioniert. Außerdem konnten sie mehr Tiefe segeln, so dass sich das Blatt wenige Meilen vor dem Ziel zugunsten der anderen beiden wendete.

Die goldene Regel gilt nicht immer

„Einen Teil dieses Spiels versteht man einfach nicht, weshalb auch ein bisschen Glück dazugehört“, sagt Tom Laperche von der „Holcim“-Crew nach dem Triumph.

Die Boote gleichen sich so stark, dass „11th Hour“ (im Vordergrund Jack Bouttell) und „Holcim-PRB“ immer wieder in Sichtweite voneinander unterwegs waren.

© Amory Ross / 11th Hour Racing / The Ocean Race

Ein wenig ähnelte das Finale dem Beginn der Etappe. Denn gestartet war sie unter ähnlich windarmen Bedingungen. Statt eines satten Passatwinds, der die Kapverden normalerweise durchströmt, herrschte ein laues Lüftchen. Und für die „Malizianer“, die nach einer Brandverletzung Boris Herrmanns ohne ihn weitersegeln mussten, rächte sich, dass sie keinen Spinnacker für solche Bedingungen eingepackt hatten. Die anderen setzten sich ab.

Zeitweilig betrug der Rückstand 230 Meilen. Es dauerte bis zu Annäherung an die Kalmen, dass Navigator und Stratege Nicolas Lunven das deutsche Boot wieder aufschließen ließ. Er beherzigte die goldene Regel am besten, nach der der Übergang durch die windarme Äquatorzone möglichst weit im Westen zu suchen ist, wo sie am schwächsten ausgeprägt ist.

Sébastien Simon and Anne-Claire le Berre im Cockpit von „Guyout“

© Charles Drapeau / GUYOT environnement - Team Europe

Doch da war „Guyot Environement“ mit Skipper Robert Stanjek und dem französischen Navigator Sebastièn Simon ein ganz anderes Kunststück gelungen. Sie hatten ihr Glück im Wissen um die etwas betagte Konstitution und Schwerfälligkeit ihres Schiffs sehr weit im Osten gesucht, wo der Weg zwar kürzer ist, aber meistens auch schwieriger zu finden durch das thermische Labyrinth aus Regenwolken, Schauerböen und Windlöchern. Was auch immer Simon aus den Wetterdaten geschlossen hat, es stellte sich als richtig heraus. Binnen weniger Tage holten das deutsch-französische Team hundert Meilen raus und ging in Führung.

Die Sache hätte gut gehen können, wenn „Guyot“ durch seine östliche Route nicht zu nah an das Zentrum des St. Helena-Hochs gelangt wäre, das auf der Südhalbkugel sich dieser Tage besonders ausgeprägt präsentierte. So blieb das Team mit dem ältesten Schiff in der Flaute hängen, während die vier westlicher positionierten Teams vorbeizogen.

Im Windloch vor Kapstadt den Faden verloren

Gewinner dieser Phase des Rennens war die „Malizia“. Skipper Will Harris hatte zwar die längste Wegstrecke zurücklegen lassen, nutzte aber durchgehend stärkeren Wind. Nach zwei Wochen auf See lagen er, Lunven, Rosalin Kuiper und Yann Eliès in Führung und waren für den Schlussspurt nach Kapstadt am besten positioniert.

Die „Malizia“ bei der Zielankunft in Kapstadt

© Sailing Energy / The Ocean Race

Aber vorne zu liegen, kann auch ein Fluch sein, wenn vor einem nichts ist außer Flaute. Und so kam es, dass „Malizia“ seine Führungsposition auf der Suche nach mehr Wind aufgab, nach Süden ausscherte und in die Defensive geriet. Denn der Plan Lunvens ging diesmal nicht auf. In Küstennähe vermutete er stärkeren Wind, doch es kam anders als erwartet. Die Kurslinie der letzten 50 Meilen verzeichnet elf Manöver, während „Biotherm“ und „11th Hour“ für dieselbe Strecke sechs benötigten und „Holcim“ vier.

„Guyot“ brauchte sogar gar keins mehr. Als Stanjek, Simon, Phillip Kasüske und Anne-Clair le Berre etwas unter drei Stunden nach dem Sieger im Ziel eintrafen, hatten sie ihren Hundert-Meilen-Rückstand um die Hälfte verringert. Es reichte zwar nicht für mehr, als Letzte zu werden, aber die beherzte Aufholjagd zeigt, wie gering die Niveau-Unterschiede in dieser Flotte sind.

Nach diesem Zieldurchgang sortiert sich die Rangfolge deutlicher:

  1. „Holcim-PRB“, 10 Punkte
  2.  „11th Hour, 7
  3.  „Biotherm“, 6
  4.  „Malizia“, 5
  5. „Guyot“, 2

Die nächste Etappe wird von Kapstadt aus quer durch den Südozean nach Itajai in Brasilien führen. Wegen der außerordentlichen Länge der Strecke und der besonderen Herausforderung, die die Region für Boote und Besatzungen darstellt, gibt es eine doppelte Punktwertung. Für Boris Herrmann, der in Kapstadt wieder zur „Malizia“-Crew stoßen wird und die Ankunft „seines“ Schiffes von einem Schlauchboot aus beobachtete, wird sich nun zeigen, ob sein Bootskonzept aufgeht. Als langsam hat sich die „Malizia“ schon jetzt nicht erwiesen. Aber die rauen Bedingungen des südlichen Indischen Ozeans sind das, wofür sie gebaut wurde.

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