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Rennen gegen die Zeit. Die Nachricht vom Gesamtsieg erreichte das amerikanische „11th Hour“-Team, als es die nach der Kollision notdürftig reparierte Yacht noch nach Genua überführte.

© Amory Ross / 11th Hour Racing / The Ocean Race

Nach Jury-Entscheidung: „11th Hour“ gewinnt das Ocean Race

Die renommierte Segelregatta um die Welt hat einen Sieger. Dem US-Team um Skipper Charlie Enright wird eine Entschädigung für den unverschuldeten Ausfall bei der letzten Etappe zugesprochen, der Protest von „Holcim-PRB“ abgewiesen.

Sie gingen als Favoriten in dieses Segelrennen um die Welt und gewannen zuletzt drei Etappen hintereinander. Nun hat 11th Hour Racing nach dem Beschluss der internationalen Jury das Ocean Race als Ganzes gewonnen. Bei einer Verhandlung des Wettfahrtkomitees am Donnerstag in Genua sprach es dem US-Team vier Punkte als Entschädigung dafür zu, das Rennen nach der Kollision beim Start zur letzten Etappe in Den Haag nicht fortsetzen zu können. Damit führt 11th Hour das Ranking nach sieben Etappen mit 37 Punkten an, gefolgt von Holcim-PRB mit 34 Punkten und Team Malizia (32).

Die Wiedergutmachung war nötig geworden, nachdem „Guyot“ kurz nach dem Start in die Seite von „11th Hour“ gefahren war und ein großes Loch in den Rumpf gebohrt hatte. Da die Regeln eine Unterbrechung des Rennens für die letzte Etappe nicht vorsehen, musste „11th Hour“ aufgeben und wurde damit um die Chance gebracht, nach erfolgter Reparatur wenigstens zwei Punkte für die Vollendung der Etappe zu ergattern. Deshalb reichte das US-Team einen Antrag auf Entschädigung beim Ocean Race ein.

Dass Wettkämpfe durch Jury-Entscheidungen ihren Abschluss finden, ist nicht ungewöhnlich im Segelsport. Im Vorfeld hatte „Guyot“-Skipper Benjamin Dutreux bereits die „volle Verantwortung“ übernommen. Trotzdem überraschte Holcim-PRB mit einer kurzfristig eingereichten eigenen Protestnote. Darin warf es die Frage auf, ob 11th Hour seinerseits alles Nötige unternommen hatte, den Zusammenstoß abzuwenden. Wäre die Jury zu der Ansicht gelangt, dass US-Skipper Charlie Enright gegen die Kollisionsverhütungsregeln verstoßen hatte, wäre Holcim-PRB Gesamtsieger geworden.

Doch der Protest wurde abgewiesen und 11th Hours unverschuldeter Ausfall mit dem Durchschnittswert der bisherigen Etappen vob vier Punkten vergütet.

Ich habe da mal was vorbereitet. Benjamin Schwartz von „Holcim-PRB“ erläutert seine Sicht auf die Kollision, für die Benjamin Dutreux (2. v. re.) die Verantwortung bereits übernommen hat. Boris Herrmann (re) hatte ebenfalls Gelegenheit, sich vor dem Protestkomitee zu äußern.

© Sailing Energy / The Ocean Race

Charlie Enright nahm die Nachricht erleichtert auf an Bord der „Malama“, die sich zum Zeitpunkt der Verhandlung noch auf dem Weg nach Genua befand. Er sei „hocherfreut“, so Enright, für den bei seiner dritten Ocean-Race-Teilnahme als Skipper ein Lebenstraum in Erfüllung geht. „Dieses Rennen verlangt einem alles ab - emotional, geistig und körperlich. ... Doch die Tiefpunkte waren es wert, diese Nachricht zu empfangen.“

Dazu muss man wissen, dass Enright nicht nur vier Jahre lang energisch auf dieses Ziel hingearbeitet hat. Als er 2014 für sein erstes Volvo Ocean Race als damals jüngster Schiffsführer von Alvimedica engagiert wurde, war das türkisch-amerikanische Team finanziell zu schlecht gestellt, um zu überzeugen. Drei Jahre später kehrte der Mann aus Rhode Island als Skipper von „Vestas Wind“ zurück. Als die Yacht nachts mit einem chinesischen Fischerboot kollidierte, wobei ein Fischer starb und der Racer schwer beschädigt wurde, schien Enrights Engagement abermals nicht von Glück beschieden zu sein.

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Schließlich blankes Entsetzen, als das Verhängnis in Den Haag seinen Lauf nimmt. Enright steuert die „Malama“ auf dem Start-Parkours durch eine Wende und sieht die sich nähernde französisch-deutsche Yacht, auf der sich zu diesem Zeitpunkt auch der Berliner Robert Stanjek befindet. Enright ruft „Steuerbord, Steuerbord“, um „Guyot“ auf sein Wegerecht aufmerksam zu machen, doch bei dem Lärmpegel an Bord der Imoca-Racer geht der Ruf unter. Als die Kollision schon unvermeidbar ist, zerrt Enright verzweifelt am Steuer, um sein rasendes Gefährt aus der Linie zu bringen. Dann kracht es, und Enright schreit wie ein verwundetes Tier. „Oh Gott! Oh, mein Gott!“

Charlie Enright (links) und Simon Fisher haben mehr Ocean-Race-Teilnahmen auf dem Buckel als alle ihre Konkurrenten zusammen.

© Amory Ross / 11th Hour Racing / The Ocean Race

In der Verzweiflung könnte auch die Ahnung mitgeschwungen haben, ein bisschen zu viel riskiert zu haben - und dafür bestraft zu werden. Denn Enright mutete seinem Kontrahenten Dutreux sehr viel Übersicht zu, als er in Lee von ihm wendete und auf unmittelbaren Kollisionskurs einschwenkte. Eine Übersicht, die bei 30 Knoten Fahrt auf den verbauten Imoca-Racern mit ihren riesigen Segeln und schmalen Sichtfenstern kaum zu behalten ist. So übersah Enright selbst einmal ein kleines Motorboot auf genau diesem Schiff, der ehemaligen „Hugo Boss“ von Alex Thomson. Ihm dürfte also klar gewesen sein, dass er mit seinem Manöver sehr viel aufs Spiel setzte.

Der Triumph jetzt dürfte den sympathischen Amerikaner mit einem Rennen versöhnen, das nicht besonders gut für ihn als Favoriten begonnen hatte und in Chaos zu enden drohte. So zeigte sich Enright zufrieden mit der Jury-Entscheidung, „obwohl wir uns gewünscht hätten, die Sache auf dem Wasser auszukämpfen mit ,Holcim-PRB’, die ein außergewöhnlicher Gegener waren und uns den ganzen Weg über angetrieben haben“. Mit ihm und seinem Navigator Simon Fisher gewinnen erstmals Amerikaner das Ocean Race.

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