zum Hauptinhalt
 Das war es dann wohl. Lewandowski nach dem Spiel gegen Frankreich.

© imago/Newspix / Imago/LUKASZ SKWIOT/CYFRASPORT

Nur kurzes Glück gegen Frankreich: Robert Lewandowskis trauriger WM-Abschied endet mit einer Pointe

Auch bei der 1:3-Niederlage im Achtelfinale kann Polens Mittelstürmer nicht auf die Hilfe seiner Mitspieler zählen. Sein wohl letzter WM-Auftritt fällt ernüchternd aus.

Ein Geschenk wie man sonst nur aus launigen Abschiedsspielen kennt. Über 90 Minuten hat Robert Lewandowski alles versucht, um ein bisschen Struktur in die Angriffe der polnischen Elf zu bekommen. Er weicht auf die Flügel aus, tritt im Mittelfeld auf den Ball, um Kollegen nachrücken zu lassen, er sprintet, reißt Räume, bietet sich an, dirigiert.

Doch die Mitspieler gehen auf seine Angebote nicht ein, der Druck des Gegners und die individuellen Qualitäten der französischen Teams sind zu hoch. Zudem hat Coach Czesław Michniewicz sie wie im Gruppenspiel gegen Argentinien auf Gedeih und Verderb verdonnert, ein Abwehrbollwerk aus zwei Viererketten vor dem Strafraum zu errichten.

In der Schlussminute jedoch scheint der Fußballgott und sein verlängerter Arm auf Erden, der VAR, ein Einsehen zu haben. Dayot Upamecano springt nach einer Flanke des Polen Kamil Grosicki der Ball an den Arm. Nach Überprüfung der Video-Bilder ist klar: Elfmeter.

Lewandowski, der bereits im Gruppenspiel gegen Mexiko einen Strafstoß verschossen hat, tritt erneut an. Doch Frankreichs Keeper Hugo Lloris erahnt den Schuss in die rechte, untere Ecke und hält.

Doch diese ansonsten recht überraschungsarme Partie braucht eine Pointe. Denkt sich auch Referee Jesus Velenzuela. Er hat erkannt, dass ein französischer Spieler bei Lewandowskis Schuss vorzeitig in den Strafraum gelaufen ist – und der 34-Jährige darf noch einmal antreten.

Der Elfmeter, den Lewandowski zum 1:3 verwandelt, ist nicht mehr als ein Abschiedsgeschenk.

Diesmal trifft er zum 1:3. Ein Ehrentreffer – für Polen und für ihn. Lächelnd schlendert Lewandowski zurück zum Anstoßkreis. Ihm, der so viele Tore aus unmöglichen Lagen erzielt hat, ist bewusst, dass sein 78 Länderspieltor ein Geschenk war. Ein Präsent zum wohl letzten, großen Auftritt des zweimaligen Weltfußballers auf der WM-Bühne. Eine Anerkennung seiner Verdienste, an die der Mann aus Warschau in diesem Achtelfinale wohl selbst nicht mehr geglaubt hat.

Knapp zehn Minuten zuvor hat er seiner Resignation über den Spielverlauf Ausdruck verliehen. Kurz vor der französischen Strafraumgrenze fährt er Antoine Griezmann in die Beine, den es schlagartig in den Rasen haut. Der Pole agiert sonst bekanntlich eher mit feiner Klinge, aber angesichts der Aussichtslosigkeit all seiner Bemühungen, muss der Frust jetzt doch mal raus.

„Les Bleues“ führen bereits mit 2:0, angesichts der Dominanz des amtierenden Weltmeisters besteht kein Zweifel, dass für Polen das erste K.O.-Spiel bei einer WM seit 36 Jahren auch die Endstation sein wird.

Die Zeit des Modellathleten Lewandowski neigt sich dem Ende zu, das scheint sicher zu sein.

Kurz darauf wird Kylian Mbappé seinen zweiten Treffer an diesem Tag erzielen. Sein fulminanter Schuss von Höhe des Elfmeterpunkts fühlt sich an wie das Fanal einer Wachablösung.

Die Zeit des Modellathleten Lewandowski, der bei dieser WM oft allein auf weiter Flur vor seinen wacker in zwei Viererketten verteidigenden Mitspieler agierte, neigt sich dem Ende zu, während auf Seiten Frankreichs ein Fabelsturm bestehend aus den Flügelflitzern Mbappé und Ousmane Dembelé, Regisseur Griezmann, sowie dem staksigen Stoßstürmer Olivier Giroud Angriffsfußball in neue Dimensionen katapultieren.

So vergeblich Lewandowski fast über die gesamte Spielzeit auf Pässe der Kollegen wartet, die er in seinen Vereinsmannschaften seit mehr als einer Dekade mit unvergleichlicher Effektivität verarbeitet, so zielsicher füttern sich die französischen Stürmer hier gegenseitig mit Bällen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Als Giroud kurz vor der Pause im Strafraum ein Zuspiel von Mbappé genau in den Fuß bekommt, muss er nur noch abstauben. Sein Tor ist wie eine Kopie eines klassischen Lewandowski-Treffers: schnörkellos, stilsicher, ein Ball wie ein Strich. Es ist Girouds 52. Tor im Trikot der „Equipe Tricolore“, womit er den bisherigen Rekordtorschützen Frankreichs, Thierry Henry, überflügelt.

In der zweiten Hälfte gelingt es Mbappé mit seinem atemberaubenden Antritt wiederholt, in freie Räume vorzustoßen, sodass es bald nur noch eine Frage der Zeit ist, bis der Linksaußen von Paris St. Germain frei vor dem polnischen Tor auftaucht und vollstreckt: Zweimal trifft der 23-Jährige (74. + 90.+1) und kommt damit nun bereits auf neun WM-Tore.

138
So viel Länderspiele hat Robert Lewandowski für Polen bestritten. Am Sonntagabend könnte es sein letztes gewesen sein.  

Wenn das so weitergeht, könnte Mbappé bei diesem Turnier, bei dem so viele epochemachende Spieler Abschied nehmen (Messi, Ronaldo, Thiago Silva, Suárez, Müller usw.), endgültig zu dem historischen Akteur werden, der das Tor zu einem neues Fußballzeitalter aufschlägt.

Auch die Zeit von Robert Lewandowski läuft wohl in Katar ab. Stolz hat Polens Coach Michniewicz verkündet, dass die defensive Ausrichtung, die er seinem Team verordnet, ein Schlüssel fürs Weiterkommen war: „Die Teams, die keinen Wert auf defensives Spiel gelegt haben, verfolgen die jetzt vom Fernsehen aus,“ so der 52-jährige Weißrusse vor Anpfiff, „aber jetzt können wir unsere Pläne verändern.“

Doch ein fundamentaler Stilwechsel gegenüber dem rein auf Torverhinderung ausgelegten Gruppenspiel gegen Argentinien ist gegen Frankreich nicht erkennbar. Zwar gelingt es den Polen in der ersten Hälfte mehrfach vor dem Tor von Hugo Lloris aufzutauchen, doch wirklich zwingende Chancen springen dabei nicht heraus.

Mit zunehmender Spielzeit kontrolliert Frankreich den Gegner fast nach Belieben. Coach Didier Deschamps hat seine Startelf auf neun Positionen gegenüber dem Aufgebot bei der Niederlage gegen Tunesien verändert. Es spricht für die herausragende Qualität seines Kader, dass die kurze Zwangspause keinen Leistungsabfall bei den Stammkräften hervorruft und Frankreich am Ende mit einem ungefährdeten 3:1-Sieg ins WM-Viertelfinale einzieht, wo es am Samstag auf England trifft.

Robert Lewandowski hingegen könnte an diesem Abend sein letztes von 138. Länderspielen für Polen gemacht haben. Obwohl er vor Anpfiff mit Verweis auf seine Fitness verkündet, er könne sich durchaus vorstellen, auch in vier Jahren noch bei der WM aufzulaufen, lässt er nach Abpfiff seine Zukunft bewusst offen: „Es gibt verschiedene Dinge, die dazu führen könnten, dass das dies hier meine letzte WM war.“

Was genau er meint, liegt auf der Hand: Wenn der Trainer nicht bereit ist, seine Taktik zu überdenken, habe ich keine Lust, mir das weiterhin anzutun. Die Zeichen beim polnischen Team deuten trotz der erfolgreichen Turnierbilanz also auf einen Machtkampf hin. Wer am Ende Abschied nimmt, ist aktuell offen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false