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Mit hängenden Schultern. Pal Dardai konnte sich beim Spiel in Hamburg in seiner grundsätzlichen Skepsis bestätigt fühlen.

© IMAGO/Jan Huebner

Pal Dardai schreit um Hilfe: Hertha BSC braucht dringend Verstärkung

Deutlich wie nie zuvor macht sich Pal Dardai, der Trainer von Hertha BSC, nach dem ernüchternden 0:3 beim Hamburger SV für Neuverpflichtungen stark.

Als sich die Spieler von Hertha BSC nach dem Schlusspfiff auf den Weg in ihre Fankurve machten, schlugen ihnen wütende Pfiffe entgegen. Nicht weiter ungewöhnlich, wenn man nach einer bemitleidenswerten Leistung 0:3 verloren hat wie Hertha beim Hamburger SV. Doch die Pfiffe kamen vom HSV-Anhang. Aus der eigenen Kurve gab es für die Berliner Spieler Applaus und trotzige Lieder („Zweite Liga, tut schon weh, scheißegal …“).

Das sogenannte Top-Spiel der Zweiten Liga am Samstagabend hat Hertha BSC einige, vor allem unerfreuliche Erkenntnisse beschert. Es hat aber auch noch einmal gezeigt: Die aktive Fanszene übt sich weiterhin in Geduld, auch wenn diese Geduld längst auf eine immer härtere Probe gestellt wird.

„Der Schädel brummt ein bisschen. Das Atmen fällt ein bisschen schwer“, sagte Herthas Abwehrchef Toni Leistner, der am Samstag an seinem alten Arbeitsplatz in Hamburg einen wenig erbaulichen 33. Geburtstag gefeiert hatte. Und das nicht nur wegen der Niederlage.

Zu Beginn der zweiten Halbzeit war seine Nase zu Bruch gegangen, doch was Leistner später über seinen Gesundheitszustand sagte, wirkte wie eine Beschreibung von Herthas Gesamtsituation: Der Schädel brummt, und manche verfallen langsam in Schnappatmung.

Der 1. September ist ein wichtiger Tag. Da wird noch einiges passieren.

Pal Dardai, Trainer von Hertha BSC, über das Ende der Transferperiode.

Drei Spieltage ist die Saison jetzt alt. Alle drei Spiele hat Hertha verloren und dabei kein einziges Tor erzielt. Nie zuvor ist ein Absteiger mit einer solchen Bilanz in eine Zweitligasaison gestartet. „Es reicht einfach nicht, um Punkte zu holen. Wir laden die Gegner ein“, sagte Herthas Offensivspieler Fabian Reese. „Wir schießen vorne keine Tore, lassen hinten zu viele Chancen zu und kassieren zu viele Tore.“

Ziemlich genau 15 Monate ist es her, dass sich Hertha und der HSV zuletzt im Volkspark begegnet sind. Das Spiel am Samstagabend erinnerte in vielem – der elektrisierenden Stimmung auf den Rängen zum Beispiel – an das Relegationsduell im Mai 2022.

In der Relegation vor 15 Monaten dominierte noch Hertha

Auch fußballerisch gab es auffällige Parallelen. Eine Mannschaft bestimmte das Geschehen gegen einen deutlich überforderten Gegner. Vor 15 Monaten war es der Erstligist Hertha, am Samstag der mutmaßlich künftige Erstligist Hamburger SV.

„Du siehst die Spielkultur, eine eingespielte Mannschaft. Das war heute Bundesliga-Niveau“, sagte Herthas Trainer Pal Dardai über den HSV. Es sei daher auch „keine Blamage“, gegen eine solche Mannschaft 0:3 zu verlieren. Gegen eine Mannschaft, die kontinuierlich gewachsen ist, die sich gefunden hat und mehr und mehr von sich überzeugt ist. „Ich hoffe, wir sind irgendwann auch so weit“, sagte Dardai.

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Punkte und Tore. Noch nie stand ein Absteiger nach drei Spieltagen so schlecht da.

So seltsam es sich anhören mag: Die Hamburger – oft verspottet – taugten in ihrer Klarheit am Samstagabend geradezu als Vorbild für die Berliner. Sie hatten das, was Hertha fehlt: eine Mannschaft, eine Struktur und die Fähigkeit, ihren fußballerischen Plan in die Tat umzusetzen. In der Startelf des HSV standen noch fünf Spieler, die schon im Relegationsrückspiel vor 15 Monaten in der Startelf gestanden hatten. Bei Hertha gab es keinen einzigen mehr.

Dabei hat der Umbruch erst begonnen. Herthas Mannschaft wirkt immer noch wie wild zusammengewürfelt. Gegen den HSV versuchte es Dardai mit einem neuen System, mit einer flachen Dreierreihe im Mittelfeld, um das Zentrum gegen die spielstarken Hamburger dicht zu bekommen.

Hertha hat derzeit keine geeigneten Mittelfeldspieler

Der Plan scheiterte auch daran, dass Hertha im Grunde keine geeigneten Mittelfeldspieler im Kader hat, sondern allenfalls Aushilfskräfte wie die beiden jungen Innenverteidiger Pascal Klemens, 18 Jahre alt, und Marton Dardai, 21. „Die ersten 20 Minuten haben wir gut gestanden und die Bälle da erobert, wo wir es wollten“, sagte Trainer Dardai. Aber an der Fortsetzung scheiterte es dann: „Der erste Pass geht zum Gegner.“

So hatte Dardai nie das Gefühl, dass seine Mannschaft in der Lage sei, gegen den HSV ein Tor zu erzielen. „Das ist schon auch die Qualität.“ Offen wie nie zuvor plädierte Herthas Trainer für weitere Verstärkungen. Er sprach vom „magischen 1. September“, dem Tag, an dem die Transferperiode endet. „Der 1. September ist ein wichtiger Tag. Da wird noch einiges passieren.“

Toni Leistners (l.) Rückkehr nach Hamburg verlief nicht nur frustrierend, sondern auch noch schmerzhaft.

© Imago/Nordphoto

Vor der Saison hat Dardai gesagt, er wolle Weihnachten in einer Tabellensituation sein, die zumindest die Hoffnung auf den Aufstieg noch zulasse. Viele haben das für unangemessenes Understatement gehalten. Inzwischen aber zeigt sich, dass der Ungar mit seiner Einschätzung richtig lag. „Dass es nicht einfach wird, das habe ich von Anfang an gewusst“, sagte er.

Seiner Mannschaft fehlt aus diversen Gründen eine stabile Mitte. Einige Spieler halten sich in der Zweiten Liga für überqualifiziert – zeigen es aber nicht. Und niemand weiß, wer in zwei Wochen überhaupt noch da ist. Eine Achse gibt es daher nicht, was es auch den vielen jungen Spielern nicht leichter macht, sich an die neuen Gepflogenheiten der neuen Liga anzupassen.

„Wir müssen uns erst einmal komplett finden“, sagte Innenverteidiger Leistner, einer der wenigen bei Hertha, die bisher halbwegs stabil wirkten. „Die Saison ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Aber jetzt sind wir erst mal gefühlt 90 Meter hinter allen anderen. Es muss langsam mal losgehen.“

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