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Special Olympics World Games 2023

© Tilo Wiedensohler/camera4

Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs: Deutsches Team suspendiert Special-Olympics-Trainer

Ein Radsport-Trainer wurde von den Weltspielen ausgeschlossen, nachdem ein laufendes Gerichtsverfahren gegen ihn bekannt wurde. Er wird des sexuellen Missbrauchs beschuldigt.

Von Max Fluder

| Update:

Ein Trainer trägt Verantwortung für diejenigen, mit denen er Sport treibt. Er soll für sie da sein. Sie beschützen. Im schlimmsten Fall auch vor sexualisierter Gewalt. Doch was ist, wenn die Integrität eines Trainers zwingend infrage gestellt werden muss?

Special Olympics Deutschland (SOD) hat sich am Mittwoch von einem Radsport-Trainer getrennt, der in Frankfurt (Oder) des sexuellen Missbrauchs angeklagt ist. Vor Gericht geht es um 29 Handlungen, die der mittlerweile mit einem vorläufigen Berufsverbot belegte Lehrer zwischen 2018 und 2022 an vier Mädchen vorgenommen haben soll. Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) hatte zuerst darüber berichtet.

Dem Angeklagten wurde mit sofortiger Wirkung die Akkreditierung für die Weltspiele in Berlin entzogen, sagt ein Sprecher des SOD. Der Trainer ist nicht mehr Teil des Teams und musste das Teamhotel verlassen. Von seinen Aufgaben beim SOD wurde er vorerst bis Ende des Verfahrens entbunden. Insgesamt neun Verhandlungstermine sind laut dem Landgericht Frankfurt (Oder) bis Ende Juli angesetzt. Zwei von ihnen fallen in den Zeitraum der Spiele.

Es ist kein Fall bekannt, in dem der Trainer, dessen Sohn bei den Weltspielen im Radsport teilnimmt, Athlet*innen gegenüber sexuell übergriffig war. Trotzdem steht nun die Frage im Raum, wie solche Übergriffe im Umfeld von Special Olympics, der weltweit größten Sportbewegung für Menschen mit Lernbeeinträchtigung und mehrfacher Behinderung, vermieden werden können? Und wie der Radsport-Trainer das Verfahren gegen ihn geheim halten konnte?

2019 hat der SOD auf einer Mitgliederversammlung die Prävention sexualisierter Gewalt in der Satzung verankert. Seither sind in einem laufenden Prozess – wie auch beim Deutschen Olympischen Sport-Bund – immer mehr Präventionsmaßnahmen eingeleitet und umgesetzt worden. Keren Vogler ist Mitarbeiterin von SOD und dort für Prävention zuständig, auch Tom Hauthal, der Delegationsleiter, befasst sich mit dem Thema. Beide erzählen am Tag, an dem das Verfahren gegen den Radsport-Trainer bekannt wird, von ihrer Arbeit.

Menschen mit Lernbeeinträchtigung werden – da ist die Studienlage eindeutig – überproportional oft Opfer sexualisierter Gewalt. Im Gegensatz zum olympischen Leistungssport seien es bei den Athlet*innen der Special Olympics aber nicht zwangsläufig die steilen Machtunterschiede zwischen Trainer und Sportler, die diese Taten begünstigen. „Einige erkennen nicht, was ihnen widerfährt, oder sie erkennen es, können aber ein ,Nein’ nicht kommunizieren“, sagt Hauthal.

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Deshalb sei es wichtig, den Athlet*innen Handreichungen fürs „Nein sagen“ zu geben, sagt Hauthal. „Es ist ein höchst sensibles Thema“, sagt er. Zumal einige Menschen mit Lernbeeinträchtigung auch im Umgang mit anderen unbewusst Grenzen überschreiten. Freude zum Beispiel, die drücke sich bei manchen durch Umarmungen aus, die einigen vielleicht schon zu viel sind.

Vor den Weltspielen in Berlin ist Keren Vogler allen teilnehmenden deutschen Athlet*innen beim Einkleidungstreffen begegnet. Während sich der Trainerstab nebenan unterhielt, ging es bei den gut 400 Athlet*innen um Grenzen und Grenzüberschreitungen. Vogler teilte einen Flyer aus, der auf leichter Sprache, mit Daumen-hoch- und Daumen-runter-Symbolen sowie Illustrationen zur Sensibilisierung beitragen soll. „Es sollte so niedrigschwellig sein, dass jede*r die Möglichkeit hat, zu kommunizieren“, sagt Vogler. Auch während der Vorbereitungslehrgänge für die jeweiligen Sportarten wurde in kleinen Workshops über das Thema aufgeklärt. Das ausgegeben Ziel: „Bereit sein für die Weltspiele, auch im Kopf“, sagt Vogler.

SOD verlangt polizeiliches Führungszeugnis

Ziel des SOD ist es, die Athlet*innen schon bei der Planung der Präventionsangebote zu beteiligen. Der Fahrradfahrer Michael Lofink und die Reiterin Tatjana Raible, beide aus Baden-Württemberg, arbeiten deshalb mit Vogler zusammen. Diese sagt: „Ich sehe die beiden auch als Türöffner. Es ist total hilfreich, wenn sie dabei sind.“ Vor allem der Austausch mit den Athlet*innen funktioniere mit den beiden besser, als würde sie es allein machen.

Bevor sie an den Weltspielen von Special Olympics teilnehmen dürfen, müssen Mitglieder der deutschen Delegation ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Und sie müssen den Ehrenkodex unterschreiben. Beides sind Maßnahmen, die so auch von externen Beratungsstellen empfohlen werden. Bereits im ersten Punkt des Kodex verpflichten sich Trainer dazu, die „individuellen Grenzempfindungen jeder einzelnen Person“ ernst zu nehmen und Sportler*innen „auch vor sexualisierter Gewalt“ zu schützen.

In §3 der Satzung des SOD ist festgelegt, dass, wer unter anderem für sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen verurteilt wird, aus dem Verein ausgeschlossen werden kann.

Der Trainer, der sich in Frankfurt an der Oder vor Gericht verantworten muss, reichte sowohl das Führungszeugnis als auch den unterschriebenen Ehrenkodex ein. Sonst wäre er gar nicht erst bei den Special Olympics dabei. Doch er verschwieg den laufenden Prozess und hätte den Kodex nie unterschreiben dürfen, sagt der Sprecher. Hört man sich um, heißt es, beim SOD seien sie „angelogen“ worden, „hinters Licht geführt“ gar. „Ärgerlich“ sei das, und leider bekomme man jetzt vor Augen geführt, dass all diese Vorgaben wichtig und sinnvoll seien.

Als der rbb den SOD auf den laufenden Prozess gegen den Trainer aufmerksam machte, riefen SOD-Vertreter wiederum andere Medienvertreter an, Bilder und Berichte von beziehungsweise über den 55-Jährigen zu entfernen. Auf der Website des SOD ist die Kurzvorstellung des Trainers mittlerweile gelöscht, den Link zur Seite findet man allerdings noch über Suchmaschinen. Klickt man drauf, erscheint folgender Satz: „Es tut uns leid, da ging wohl etwas schief!“

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